Genauer Wirkmechanismus von Rückenmarkstimulation entschlüsselt

Bild: (c) MedUni Wien/Hofstötter

Dass die transkutane spinale Stimulation (TSCS) funktionieren kann, wurde bereits in Studien bestätigt. Wie genau sie wirkt, wurde nun erstmals in einer Forschungsarbeit unter Leitung der MedUni Wien aufgezeigt.

Um die Erkenntnisse zum Wirkmechanismus zu gewinnen, kombinierte das Team um Studienleiterin Ursula Hofstötter und Erstautor Karen Minassian vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der MedUni Wien klinische Beobachtungen mit elektrophysiologischen Messungen. Die Forschenden analysierten bestimmte aktivitätshemmende Mechanismen im Rückenmark von querschnittsgelähmten Personen mit Spastizität vor und nach einer jeweils 30-minütgen TSCS-Behandlung. Vergleichsdaten wurden in einer Gruppe von Kontrollprobanden mit intaktem Rückenmark erhoben.

„Über die genaue Wirkweise der elektrischen Rückenmarkstimulation gab es bisher nur Hypothesen“, berichtet Hofstötter. Nun konnte erstmals gezeigt werden, dass die TSCS gezielt synaptische Verbindungen zu hemmenden Nervenschaltkreisen im Rückenmark aktiviert und auf diese Weise deren Funktion verbessert, ohne die gesamte neuronale Aktivität zu dämpfen. „Außerdem haben wir nachgewiesen, dass die elektrischen Impulse genau an jenen Nervennetzwerken ansetzen, die mit der Entstehung von Spasmen bei Querschnittslähmung in Verbindung gebracht werden“, ergänzt Minassian.

Spastizität lindern, Beweglichkeit steigern

Bei einer Querschnittsverletzung werden das Rückenmark und die darin verlaufenden Nervenbahnen geschädigt, die wesentliche Vorgänge im Körper steuern. Neben einer Lähmung der Extremitäten können deshalb auch motorische, sensorische und vegetative Funktionen beeinträchtigt sein. Bis zu 80 Prozent der Betroffenen haben mit Spastizität zu kämpfen, also mit einer schmerzhaften Erhöhung der Muskelspannung oder mit Muskelkrämpfen, die die ohnehin verminderte Fähigkeit zur bewussten Steuerung von Bewegungsabläufen (Willkürmotorik) noch weiter einschränken.

Das gängige Behandlungsschema umfasst neben Physio- und Ergotherapie auch medikamentöse Maßnahmen. „Diese Medikamente können jedoch nicht selektiv wirken. Das heißt, sie hemmen nicht nur die Spastik, sondern unterdrücken gleichzeitig die Aktivität der Willkürmotorik und machen oft sehr müde“, betont Hofstötter.

Wie andere neuromodulative Therapieansätze gewinnt auch die Rückenmarkstimulation als Behandlungsmethode in der Neurorehabilitation zunehmend an Bedeutung. Dafür ist inzwischen keine risikoreiche Operation mehr nötig, die elektrischen Impulse können über Klebeelektroden auf der Haut an das Rückenmark abgegeben werden.

„Die Methode wird mittlerweile auch an renommierten internationalen Zentren angewandt, etwa in den USA und der Schweiz“, weiß Hofstötter. Durch die elektrische Stimulation des Rückenmarks können, wie Studien bestätigen, sowohl die Spastizität gelindert als auch die Willkürmotorik und damit die Beweglichkeit der Menschen mit Querschnittslähmung verbessert werden. Die Klärung der genauen Wirkmechanismen kann, so die Forschenden, dazu beitragen, die TSCS weiter in der klinischen Praxis zu verankern.

Die Studie wurde vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) gefördert.