Generationenwandel gleich Klimawandel?

Diskutierten angeregt über den (Klima)Wandel der Generationen untereinander mit vielen Schlagworten. V.l.: Violetta Oestereich, Anna-Katharina Doepfner, Maximilian Rudert und Bernd Kladny (Foto: hr, Biermann Medizin)

Eng angelehnt an das VSOU-Kongressmotto „Next Generation. Werte. Wandel. Visionen.“ wurde am ersten Kongresstag eine Podiumsdiskussion geführt, die sich um die kommende Generation O&U und ihre Erwartungen an den Berufseinstieg und ihre Vorgesetzten beschäftigte.

„Next Generation: Tradition, Wandel oder Chance?“, war die Frage, die in der vom Jungen Forum O&U, BVOU und DGOU organisierten Diskussionsrunde im Einführungsvortrag von Lea Köster, Medizinstudentin aus Bonn, und Prof. Hansjörg Heep vom Universitätsklinikum Essen an die Diskutanten stellten. „Bedeutet Generationenwandel gleich Klimawandel?“, fragten Sie die Ärztin in Weiterbildung am Unfallkrankenhaus Berlin, Violetta Oesterreich, die BVOU-Vorstandsmitglied und niedergelassene Orthopädin und Unfallchirurgin Anna-Katharina Doepfer aus Hamburg, DGOOC-Präsident Prof. Maximilian Rudert aus Würzburg sowie DGOU-Generalsekretär Prof. Bernd Kladny aus Herzogenaurach.

Hansjörg Heep und Lea Köster gaben Impulse und moderierten die Diskussionsrunde. (Foto: hr, Biermann Medizin)

Köster und Heep stellten zu Beginn gleich die „Machtfrage“, was bedeute Macht eigentlich wie wird sie zwischen den Generationen empfunden und eingesetzt? Heep plädierte dafür von alten Strukturen und Führungstypen wegzukommen und fragte Rudert, der ärztlicher Direktor an der großen Orthopädischen Klinik König Ludwig Haus in Würzburg ist, nach seinen Erfahrungen. Als er die Leitung von seinem eher direktiveren hierarchisch geprägten Vorgänger der Klinik übernommen habe, führte er einen kooperierenden Führungsstil ein. „Ich habe nie wirklich verstanden, warum man damit nicht dasselbe erreichen kann“, so Rudert. Der Beginn sei sehr holperig gewesen. „Ich habe schnell gemerkt, dass es in einer großen Klinik auch schon klare Ansagen und Direktiven braucht. Die Forderung der Mitarbeitenden nach einem autoritären System hat mich damals aber auch ein Stück weit enttäuscht“, gab er zu. Doch Systeme haben sich laut Rudert schon immer geändert. Es gebe kein absolut richtig und falsch.

Kladny pflichtete ihm bei, dass Strukturen eben auch Sicherheit geben. Die Jungen seien bezüglich ihres Wissens noch unerfahren und hätten somit eine geringere Entscheidungskompetenz. Deshalb müsse bei einer OP direktiv agiert werden, das habe nichts mit Macht zu tun, sondern mit Verantwortung. Er empfinde aber auch, dass die Jungen heute Macht haben, „da sie eben nicht mehr jede Stelle in Betracht ziehen, wenn ihnen das Klinikumfeld nicht gefällt“. Doepfner entgegnete, dass die Stellenwechsel eben auch nicht immer so einfach sind. „An einer Stelle hängen auch oft Promotionen und Habilitationen dran, da ist man ein Stück weit auch erpressbar.“  Sie stimmte Kladny zu, dass ein OP sicher nicht der richtige Ort für demokratische Entscheidungen sei, umso bedeutender sei aber auch die Fähigkeit zur Reflexion. Bestenfalls sollten die Generationen dazu in der Lage sein, sowohl die Führungs- als auch die Nachwuchsperspektive einzunehmen. „Miteinander Reden und gegenseitige Wertschätzung trägt sicher dazu bei, dass beide Generationen voneinander lernen können“, zeigte sich Doepfner überzeugt.

Oestereich warf ein, dass je kleiner eine Einrichtung sei, desto besser würden auch flache Hierarchien funktionieren. Wichtig für die junge Generation sei aber immer, dass man gesehen und gewertschätzt werde. Was Sie in der Coronazeit in der Weiterbildung erlebt habe, gehöre sicher nicht dazu. „Ich wurde während der Pandemie für 1,5 Jahr an die Innere ausgeliehen, um Abstriche zu machen. Ein Dankeschön dafür oder eine Entschuldigung, dass ich in dieser Zeit kaum etwas in O&U gelernt habe, gab es nicht“, berichtete sie. Dieses Klima stimme so nicht, vielleicht stehe in solchen Dingen ja jetzt auch ein Generationenwandel an, äußerte sie ihre Hoffnung. Sie brauche zudem für ihre Motivation, dass sie mehr Zeit in ihrem gewählten Fach verbringe, als mit den bürokratischen Tätigkeiten fern vom Arztberuf.

Rudert wies in diesem Zusammenhang auf die allgemeine Problematik in der Weiterbildung und auch die schwierige politische Zeit mit den vielen geplanten Änderungen im Gesundheitswesen hin mit zum Teil noch unbekannten aber sicherlich weitreichenden Folgen. „Wir haben zu wenig Leute, der Workload ist zu hoch an allen Kliniken. Wir müssten für den Anspruch auf Freizeit und Zeitausgleich eigentlich noch viel mehr Leute einstellen, um all das zu kompensieren. Doch fordere ich fünf neue Stellen an, dann zeigt mir unserer Verwaltung einfach nur die Zahlen und fragt „Wie denn?“, berichtete er vom Klinikalltag. „Da muss sich etwas ändern“, verlangte er und setzte seine Hoffnung dabei auch auf die Digitalisierung, um beispielsweise mit klugen Organisationslösungen Arbeitserleichterungen zu schaffen. Laut Doepfner gehören etwa auch neue Assistenzberufe oder der Einsatz von Künstlicher Intelligenz dazu, um mehr Synergismen und neue entlastende Konzepte zu entwickeln.

Die Weiterbildung mit ihren Zeit-, Rotations- oder Finanzierungsproblemen sah auch Kladny und fragte, ob diese Phase nicht einfach als eine kurze, harte Phase im Leben angenommen werden sollte, in der man sich eben die Skills erarbeitet, damit es später entspannter im Arbeitsleben zugeht. Zugleich forderte er hier, dass „der Arztberuf entrümpelt und auf das Wesentliche zurückgeführt werden muss“.

So wurde im Laufe der Diskussion schnell klar, dass wenn man über Klima, Wandel und Generationen spricht, schnell andere Begrifflichkeiten wie Wissen und Macht oder Führung und Wertschätzung in den Fokus geraten und definiert werden müssen. Diese und andere für die beiden Moderatoren zentralen Begriffe bei der Diskussion blendeten Sie während der Diskussion ein, sobald darüber gesprochen wurde. Köster und Heep zogen für sich folgendes Fazit: Ersten seien nur unter gemeinsamer Führung inhaltliche Werte und Kompetenzen vermittelbar. Zweitens vermittele nur gegenseitiges intergenerationelles Vertrauen bei gleicher Leidenschaft für den Arztberuf den Wissens- und Erfahrungstransfer. Und drittens seien Bedürfnisse und Lebensweisheiten einem gesellschaftlichen und politischen Wandel unterlegen, der nur mit engagiertem Handeln aller gestaltet werden könne. Mit der Forderung „wir müssen gemeinsam engagiert allen Widrigkeiten trotzen“, beendete Heep die Diskussionsrunde. (hr)