Genetische Maßarbeit für die wichtigste Milchrindrasse21. Mai 2021 Dr. Dörte Wittenburg leitet am FBN die Abteilung „Statistische Methoden in der Genomik“. Zusammen mit PD Dr. Saber Qanbari hat sie die erste genetische Karte für das deutsche Holstein-Rind erstellt. Die Karte steht allen Züchtern weltweit zur Verfügung. Foto: © FBN/Ronald Grahl An die weltweit wichtigste Milchviehrasse, das schwarzgescheckte Holstein-Rind, werden höchste Ansprüche gestellt: hohe Milchleistung, Gesundheit und Langlebigkeit. Das schwarzgescheckte Holstein-Rind soll nicht nur viel Milch geben, sondern auch möglichst gesund und langlebig sein. Um diese Ziele zu erreichen, setzt die moderne Tierzüchtung auf molekulare Daten. Dem Forschungsinstitut für Nutztierbiologie in Dummerstorf (FBN) ist es mit Unterstützung von Norddeutschlands Milchrindzüchtern, dem Förderverein Bioökonomieforschung e.V. (FBF) und den Vereinigten Informationssystemen Tierhaltung w.V. (VIT) gelungen, eine genetische Karte für 44.000 molekulare Marker zu erarbeiten. Dazu wurden Daten von über 367.000 Holstein-Rinder ausgewertet, was eine sehr hohe Genauigkeit der Karte garantiert.In Deutschland mit mehr als 1,8 Millionen registrierten Tieren werden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Holstein-Rinder nach verschiedensten Merkmalsausprägungen gezüchtet. Die Erfolge der Züchtung hängen allerdings davon ab, wie stark eine Merkmalsausprägung erblich bedingt ist. Beispielweise hat die Langlebigkeit eines Rindes im Gegensatz zur erbrachten Milchmenge eine geringe Erblichkeit, was eine Verbesserung der Nutzungsdauer durch traditionelle Züchtung langwierig macht. Pro Tier fallen 50.000 Informationen an Seit mehr als einem Jahrzehnt sind molekulare Marker aus der Tierzüchtung nun nicht mehr wegzudenken. Bei der modernen Tierzüchtung durch genomische Selektion werden die Elterntiere anhand ihrer Ausprägung an molekularen Markern für die Züchtung ausgewählt. Das hat Züchtungsstrategien beeinflusst und Zuchterfolge erheblich beschleunigt. Für die genomische Selektion ist es notwendig, den Zustand der molekularen Marker über das gesamte Genom und für so viele Tiere wie möglich zu erfassen. Das liefert etwa 50.000 Informationen pro Tier.Im Laufe der Jahre haben sich somit enorme Datenmengen angesammelt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des FBN haben mit Unterstützung von Norddeutschlands Milchrindzüchtern, dem Förderverein Bioökonomieforschung e.V., Bonn und dem größten IT-Dienstleister für Tierhaltung und Tierzucht „Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung w.V. (VIT)“ in Verden diese Daten einheitlich zusammengeführt und ausgewertet. Die Milchrindpopulation besteht aus großen, väterlichen Halbgeschwisterfamilien, was auf die intensive künstliche Besamung zurückgeht. Diese Familienstrukturen liefern wertvolle Informationen darüber, wie die standardmäßig erfassten Marker miteinander in Verbindung stehen. Diese Erkenntnisse haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom FBN-Institut für Genetik und Biometrie als genetische Karte zusammengefasst. Genetische Karte gibt an, wie weit molekulare Marker voneinander entfernt sind „Eine genetische Karte gibt an, wie weit molekulare Marker voneinander entfernt sind – nicht in einer physischen Maßeinheit wie bei einem Lineal, sondern in einer genetischen Einheit. Diese genetische Maßeinheit ist für Züchterinnen und Züchter wichtig, weil sie mit der Wahrscheinlichkeit zusammenhängt, dass molekulare Varianten gemeinsam vom Elternteil auf den Nachkommen übertragen werden“, erläuterte Studienleiterin Dr. Dörte Wittenburg.„Mit unseren Ergebnissen kann nun die Entwicklung neuartiger Methoden für die genomische Selektion vorangetrieben werden“, so Wittenburg. „Nicht nur am FBN, sondern weltweit werden Methoden erforscht, um die „Spitzenvererber“ identifizieren zu können. Wir suchen nach den Elterntieren, die eine außergewöhnlich hohe Chance haben, Nachkommen mit extrem guter Merkmalsausprägung hervorzubringen. Für die Berechnung braucht man die genetischen Abstände zwischen den molekularen Markern. Nur so können wir Merkmale wie die Langlebigkeit mit Erfolg vorantreiben.“ Die Studienergebnisse wurden in dem Online-Journal „Genetics Selection Evolution“* veröffentlicht, das sich mit genetischen Fragestellungen von Haus- und Nutztieren beschäftigt. Das Forschungsprojekt mit einer Laufzeit von drei Jahren wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.In der Abteilung „Statistische Methoden in der Genomik“ werden mathematische Methoden zur Auswertung von Leistungs- oder Gesundheitsmerkmalen, bei denen der erbliche Einfluss nachweislich eine Rolle spielt, entwickelt. Genetische Marker, die über sämtliche Chromosomen verteilt sind, übernehmen dabei eine Schlüsselrolle. Sie sind einfach mit biotechnologischen Verfahren messbar und wirkungsvoll mit mathematischen Methoden einsetzbar.*OriginalpublikationSaber Qanbari & Dörte Wittenburg, Published: 14 December 2020:Male recombination map of the autosomal genome in German Holstein. Genet. Sel. Evol., 52, 73., Genetics Selection Evolutionhttps://doi.org/10.1186/s12711-020-00593-zWeitere Informationenhttp://www.fbf-forschung.dehttp://www.vit.de
Mehr erfahren zu: "Tiergesundheit: Aktuelle EU-Umfrage zeigt Handlungsbedarf bei Aufklärung und Dialog" Tiergesundheit: Aktuelle EU-Umfrage zeigt Handlungsbedarf bei Aufklärung und Dialog Eine europaweit durchgeführte Umfrage im Auftrag von AnimalhealthEurope zeigt das große Vertrauen der Bevölkerung in tierärztliche Versorgung und Prävention – macht aber auch Informationsdefizite sichtbar, so der Bundesverband für Tiergesundheit […]
Mehr erfahren zu: "Zwei große Schritte zum aufrechten Gang des Menschen" Zwei große Schritte zum aufrechten Gang des Menschen Eine neue internationale Studie konnte nun die Schritte entschlüsseln, die das menschliche Becken im Laufe von Millionen von Jahren so veränderten, dass zweibeiniges Gehen möglich wurde.
Mehr erfahren zu: "Warum das Zwerg-Seepferdchen eine Stupsnase hat" Warum das Zwerg-Seepferdchen eine Stupsnase hat Eine deutsch-chinesische Forschungsgruppe hat das Genom des Zwerg-Seepferdchens sequenziert. Sie konnten dabei unter anderem Genverluste identifizieren, welche für die verkürzte Nase verantwortlich sind.