Genetischer Risikofaktor für Delir identifiziert26. November 2025 Symbolfoto: ©Polarpx/stock.adobe.com APOE4 ist ein bekannter Risikofaktor für die Entstehung von Alzheimer. Eine großangelegte Analyse der DNA von mehr als einer Million Menschen weltweit liefert nun Hinweise, dass die Genvariante auch das Risiko für die Entwicklung eines Delirs erhöht. Experten zufolge lässt sich dieser Effekt nicht allein durch den Zusammenhang des Gens mit Demenz erklären. Vielmehr spielt es eine eigenständige, direkte Rolle bei der Entstehung eines Delirs. Die Entdeckung eröffnet neue Wege für gezielte Therapien und die Prävention des Übergangs von einem Delir zu einer Demenz, erläutern die Forscher der in „Nature Aging“ publizierten Studie. Größte genetische Analyse zum Delir Etwa jeder vierte ältere Patient im Krankenhaus leidet an einem Delir. Es ist mit einem höheren Sterberisiko, längeren Krankenhausaufenthalten und einem zwei- bis dreifach erhöhten Risiko für eine spätere Demenzerkrankung bei den Betroffenen verbunden. Die zugrundeliegenden Pathomechanismen sind jedoch nur unzureichend verstanden. Das Delir-Management beschränkt sich bislang vor allem auf präventive Maßnahmen, spezifische Therapeutika existieren nicht. Einen wichtigen Baustein zum Verständnis des Delirs lieferten nun Forscher der Usher- und Roslin-Institute sowie der Fakultät für Mathematik der Universität Edinburgh (Großbritannien). Sie führten die bisher größte und umfassendste genetische Analyse zum Delir durch. Dazu nutzten sie Daten mehr als einer Million Menschen aus Großbritannien, den USA und Finnland, davon galten knapp 12.000 als Delir-Fälle. Sie fanden heraus, dass der Einfluss des APOE4-Gens auf das Delirrisiko auch nach Berücksichtigung einer Demenzerkrankung signifikant blieb. Dies liefert starke Hinweise darauf, dass APOE4 die Anfälligkeit für Delir bei Menschen ohne Demenz erhöht. Neue Biomarker und potenzielle Therapieansätze im Fokus Die Überschneidung von Delir- und Alzheimer-Risikogenen könnte laut den Wissenschaftlern erklären, warum Delir so oft dem kognitiven Abbau vorausgeht oder diesen beschleunigt. Die Forscher untersuchten außerdem Blutproben aus der UK-Biobank von 32.000 Personen, die ein Delir entwickelten. Die Proben wurden bis zu 16 Jahre vor der Diagnose gesammelt. Sie identifizierten mehrere Blutproteine, die das Delirrisiko Jahre im Voraus vorhersagen können, darunter Marker für Hirnschädigung und Entzündung – einige davon wurden bisher noch nie mit Delir in Verbindung gebracht. Die Studie weist zudem auf neue Behandlungsmöglichkeiten hin. So brachten die Forscher erhöhte Plasmalevel des Proteins PON3 mit einem Schutz vor Delir in Verbindung. PON3 ist vermutlich an der Verstoffwechselung von Statinen im Körper beteiligt. Die Einnahme von Statinen wurde in randomisierten kontrollierten Studien und Beobachtungsstudien wiederum mit verbesserten Delir-Ergebnissen in Verbindung gebracht, die Evidenzlage ist jedoch insgesamt inkonsistent, auch aufgrund sehr heterogener Ergebnisse. Die Forscher spekulieren nun, dass PON3 die Wirksamkeit von Statinen durch seine Beteiligung an der Arzneimittelaktivierung beeinflussen könnte, was einen Teil der beobachteten hohen Heterogenität hinsichtlich des Effekts von Statinen auf Delir erklären könnte. Die mögliche Rolle von Statinen bei der Verbesserung der Delir-Prävention oder -Behandlung müsse daher neu bewertet werden. Erkenntnisse zu biologischen Grundlagen des Delirs Vasilis Raptis, Hauptautor der Studie von der Universität Edinburgh, erklärt: „Die Studie liefert den bisher stärksten Beweis dafür, dass Delir eine genetische Komponente hat. Unser nächster Schritt ist es, zu verstehen, wie DNA-Modifikationen und Veränderungen der Genexpression in Gehirnzellen zu Delir führen können.“ Albert Tenesa, Professor für Quantitative Genetik an der Universität Edinburgh, ergänzt: „Die Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die biologischen Grundlagen von Delir und deuten darauf hin, dass die Vulnerabilität des Gehirns sowie systemische und neurologische Entzündungen eine wichtige Rolle spielen könnten. Dies eröffnet neue Wege für die Erforschung nicht nur des Delirs selbst, sondern auch des bisher wenig verstandenen und sehr wichtigen Zusammenhangs zwischen Delir und dem zukünftigen Demenzrisiko.“ (ah/BIERMANN)
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