Genmutation beim Menschen führt zum Hörverlust18. Januar 2024 Foto: Andrii Yalanskyi/stock.adobe.com Ein Gen stellt den Zusammenhang zwischen Gehörlosigkeit aufgrund eines Gendefekts beim Menschen und einem Mausmodell her. Verantwortlich für den Hörverlust ist in beiden Fällen eine Mutation im TMTC4-Gen. Der Studie zufolge löst die Mutation einen molekularen Dominoeffekt aus – die „unfolded protein response“ (UPR) -, der zum Absterben der Haarsinneszellen im Innenohr führt. Aber auch die Schädigung des Gehörs durch Lärmexposition oder bestimmte Medikamente, beispielsweise Cisplatin, ist auf die Aktivierung der UPR in Haarsinneszellen zurückzuführen. Dies legt den Studienautoren zufolge nahe, dass die UPR unterschiedlichen Formen von Gehörlosigkeit zugrunde liegen könnte. Studien im Tiermodell konnten zeigen, dass verschiedene Wirkstoff die UPR blockieren und die Schädigung des Gehörs bei den Versuchstieren stoppen. Die neuesten Ergebnisse liefern weitere Belege, die für weitere Tests dieser Wirkstoffe sprechen. „Wir haben jetzt solide Beweise dafür, dass TMTC4 beim Menschen zu Gehörlosigkeit führt und dass die UPR eine echte Zielstruktur für mögliche Wirkstoffe zur Verhinderung von Hörverlust sein könnte“, sagte Dylan Chan, MD, PhD, Mitautor der Studie und Direktor des Children’s Communication Center (CCC) in der Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der University of California San Francisco (UCSF), USA. Im Jahr 2014 bemerkte Elliott Sherr, MD, PhD, Direktor des UCSF-Forschungsprogramms zur Gehirnentwicklung und Mitautor der Studie, dass mehrere seiner jungen Patienten mit Gehirnfehlbildungen alle Mutationen in TMTC4 aufwiesen. Laboruntersuchungen dieses Gens ergaben jedoch bald ein Rätsel. „Wir erwarteten, dass Mäuse mit TMTC4-Mutationen schon früh schwere Hirndefekte aufweisen würden, wie diese pädiatrischen Patienten, doch zu unserer Überraschung schienen sie zunächst normal zu sein“, so Sherr. „Doch als die Tiere heranwuchsen, stellten wir fest, dass sie auf laute Geräusche nicht mehr reagierten. Sie waren gehörlos, nachdem sie ausgewachsen waren.“ Gemeinsam mit Chan, Experte für das Innenohr, untersuchte Sherr die Mäuse, die von einer beschleunigten Version des altersbedingten Hörverlusts beim Menschen betroffen zu sein schienen. Das Team konnte zeigen, dass Mutationen an TMTC4 die Selbstzerstörung der Haarzellen auslösten. Lärm wirkte sich ebenso aus. In beiden Fällen wurden die Haarzellen mit überschüssigem Kalzium überflutet, wodurch das Gleichgewicht anderer zellulärer Signale, einschließlich der UPR, gestört wurde. Chan und Sherr konnten allerdings im Tiermodell nachweisen, dass der Wirkstoff ISRIB – ursprünglich entwickelt, um den Selbstzerstörungsmechanismus der UPR bei traumatischen Hirnverletzungen zu blockieren – verhinderte, dass Tiere durch Lärmexposition gehörlos wurden. Zusammenhang zischen TMTC4-Mutation und Gehörlosigkeit beim Menschen nachgewiesen Im Jahr 2020 brachten Wissenschaftler aus Südkorea unter der Leitung von Dr. Bong Jik Kim die Ergebnisse von Chan und Sherr aus dem Jahr 2018 mit genetischen Mutationen in Verbindung bei zwei gehörlosen Geschwistern in Verbindung. Sie hatten mit Mitte 20 ihr Gehör verloren. Die Mutationen befanden sich im TMTC4-Gen und stimmten mit dem überein, was Chan und Sherr im Tiermodell gesehen hatten – obwohl sie sich von denen in Sherrs pädiatrischen Neurologiepatienten unterschieden. Sherr und Chan testeten die Zellen, die ihnen von den koreanischen Forschern zur Verfügung gestellt wurden auf UPR-Aktivität. Sie konnten nachweisen, dass die spezifische Mutation von TMTC4 in den Zellen die UPR auslöste. Als Chan und Sherr TMTC4 nur in Haarzellen von Mäusen mutierten, verloren die Mäuse ihr Gehör. Als sie TMTC4 in Zellen von Personen aus der koreanischen Familie, die nicht gehörlos geworden waren sowie in menschlichen Laborzelllinien mutierten, trieb die UPR die Zellen zur Selbstzerstörung. Damit wiesen sie nach, das TMTC4 auch beim Menschen mit Gehörlosigkeit assoziiert ist.
Mehr erfahren zu: "Neue Studie: weitaus weniger Mikroorganismen in Tumoren als bisher angenommen" Weiterlesen nach Anmeldung Neue Studie: weitaus weniger Mikroorganismen in Tumoren als bisher angenommen Ein Forschungsteam der Johns Hopkins University (USA) hat herausgefunden, dass sequenzierte Tumorproben deutlich weniger mikrobielles Erbgut aufweisen, das tatsächlich mit einer bestimmten Krebsart assoziiert ist, als bisher angenommen. Bisherige Ergebnisse […]
Mehr erfahren zu: "KI in der Medizin: Wie Patienten darüber urteilen" KI in der Medizin: Wie Patienten darüber urteilen Was denken Patienten über Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin? Eine internationale Studie liefert eine Antwort. Zentrales Ergebnis: Je schlechter der eigene Gesundheitszustand, desto eher wird der Einsatz von KI […]
Mehr erfahren zu: "Lassen sich Depressionen und Schmerzen über das Ohr bekämpfen?" Lassen sich Depressionen und Schmerzen über das Ohr bekämpfen? Depressionen, Schlafstörungen, Schmerzen – Millionen Menschen leiden unter langwierigen medizinischen Problemen. Forschende der Hochschule Fresenius und der Universität Düsseldorf arbeiten an einer ungewöhnlichen Lösung. Ausgerechnet das Ohr wird dabei wichtig.