Gentherapie mit Nanopartikeln: Schutz vor Zelltod in der Netzhaut

Prof. Bernhard Sabel, Direktor am Institut für Medizinische Psychologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Foto: Sarah Kossmann/Universitätsmedizin Magdeburg

Magdeburger Wissenschaftler haben laut Mitteilung der Universitätsmedizin Magdeburg die „weltweit erste Gentherapie mit Nanopartikeln“ bei Schädigungen des Sehnervs erfolgreich entwickelt und damit „entscheidende Fortschritte bei nicht viralen Gentherapien“ erreicht.

Der Einsatz von Genen zur Behandlung von Krankheiten wird bereits seit mehr als vier Jahrzehnten erforscht. Dabei wurden vor allem Viren als Genüberträger eingesetzt. Ein interdisziplinäres Team um Prof. Bernhard Sabel, Direktor am Institut für Medizinische Psychologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, ist es nun erstmals gelungen, mit Nanopartikeln eine nicht virale Methode zu entwickeln, um Gene erfolgreich in Netzhautzellen einzuschleusen und damit eine weitere Schädigung des Sehnervs zu stoppen. Auch inaktive Zellen konnten damit nach Angaben der Universität wieder aktiviert werden. „Mit dieser Anwendung einer nicht viralen Gentherapie sind die Magdeburger Forscher weltweit die ersten und liefern wichtige Erkenntnisse im Bereich der Grundlagenforschung“, heißt es weiter.
Die Ergebnisse sind jetzt im Forschungsjournal „Neural Regeneration Research“ veröffentlicht worden.*

Blockade des Caspase-3-Proteins
„Konkret haben wir mithilfe von Nanopartikeln eine Gentherapie entwickelt, die das Caspase-3-Protein blockiert. Dieses Protein löst bei Nervenzellen einen Mechanismus aus, der zu deren ‘Selbstmord’ führt und somit zu einer Schädigung des Sehnervs und anschließender Erblindung führen kann“, erläutert Sabel. Bei dieser Gentherapie würden Gene in eine Zelle eingeschleust, die das Caspase-Gen blockierten und so die Synthese des Proteins stoppten. Die Nanopartikel dienten dabei als Vehikel, um Blockade-Gene – sogenannte „Caspase-3-small interfering RNA“ – in die Nervenzellen der Netzhaut zu schleusen.
„Nanopartikel sind sehr klein und können durch bestimmte Oberflächeneigenschaften gut in das Zellinnere gelangen. Es zeigte sich, dass nach zweimaliger Behandlung doppelt so viele Nervenzellen in der Netzhaut überleben und diese auch nach sechs Wochen noch nachweisbar waren“, beschreibt Sabel die Ergebnisse, die mithilfe von Tierexperimenten gewonnnen wurden.

Mit diesem Wissen sei es nun erstmals möglich, ohne den Einsatz von Viren alternative Gentherapien zur Behandlung von Netzhautdegenerationen wie Retinitis pigmentosa zu entwickeln. Sabel hält eine klinische Anwendung bei unterschiedlichen Augen-Erkrankungen, so auch beim Glaukom, für denkbar – und theoretisch auch darüber hinaus.

Die gewonnenen Erkenntnisse sind das Ergebnis von sechs Jahren intensiver Forschungsarbeit. „Die gute Zusammenarbeit mit den Experten aus der Verfahrenstechnik der Universität Magdeburg und die Verfügbarkeit eines eigens in Magdeburg entwickelten hochmodernen Neuro-Imaging-Systems für tierexperimentelle Forschung hat uns diese Entdeckung erst möglich gemacht“, erklärt Sabel. Aber der Weg bis zum klinischen Einsatz einer Gentherapie mit Nanopartikeln sei noch lang.

*Originalpublikation:
Tawfik M, Zhang X, Grigartzik L, Heiduschka P, Hintz W, Henrich-Noack P, van Wachem B, Sabel BA. Gene therapy with caspase-3 small interfering RNA-nanoparticles is neuroprotective after optic nerve damage. Neural Regen Res 2021;16:2534-2541.
https://doi.org/10.4103/1673-5374.313068