Gentherapie scheint die Progression der Huntington-Krankheit bremsen zu können

Prof. Sarah Tabrizi und Prof. Ed Wild haben zusammen mit Prof. Gillian Bates das UCL Huntington’s Disease Centre gegründet. (Foto: UCL)

Erstmals ist es Forschenden gelungen, Patienten mit Morbus Huntington erfolgreich zu behandeln. Mithilfe einer Gentherapie konnten sie eine um 75 Prozent geringere Progression der Krankheit erzielen. Die Ergebnisse der Studie werden im Oktober auf dem HD Clinical Research Congress in Nashville (USA) offiziell vorgestellt.

Die Gentherapie AMT-130 wurde von uniQure, einem Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden und den USA, entwickelt. Die nun bekannt gewordenen Ergebisse stammen von 29 Patienten, welche die bis zu 36-monatige klinische Phase-I/II-Studie abgeschlossen haben. Von den Studienteilnehmern hatten zwölf eine hohe Dosis der Therapie erhalten und es liegen vollständige Daten für 36 Monate von ihnen vor. Als Kontrollgruppe diente eine externe Kohorte von Huntington-Patienten, die Teil der Enroll-HD-Studie sind, die den Verlauf der Erkrankung unter Standardbehandlung untersucht.

NfL-Spiegel im Liquor gehen zurück

In einer Pressemitteilung des University College London (Großbritannien) berichtet das Studienteam nun, dass Personen, denen eine hohe Dosis AMT-130 verabreicht worden war, nach 36 Monaten ein um 75 Prozent geringeres Fortschreiten der Krankheit aufweisen als Kontrollpatienten – gemessen anhand der zusammengesetzten Unified Huntington’s Disease Rating Scale, die motorische, kognitive und funktionelle Messungen umfasst. Auch auf Basis der Total-Functional-Capacity-Skala erzielten die mit Gentherapie behandelten Patienten eine signifikante Verbesserung gegenüber der Kontrollgruppe.

Der Liquorspiegel der Neurofilament-Leichtkette war darüber hinaus bei Personen der Verum-Gruppe nach 36 Monaten niedriger als zu Beginn der Studie, obwohl den Forschenden zufolge ein Anstieg von 20 bis 30 Prozent zu erwarten gewesen wäre. Dies deute darauf hin, dass die Gentherapie den Krankheitsverlauf verändert und die neuronale Schädigung verlangsamt habe.

Das Team stellte außerdem fest, dass AMT-130 von den Studienteilnehmern im Allgemeinen gut vertragen wird und ein überschaubares Sicherheitsprofil aufweist.

Hoffnung auf Erhalt von Alltagsfunktionen

Prof. Sarah Tabrizi vom UCL Huntington’s Disease Research Centre und leitende wissenschaftliche Beraterin der Studie erklärte: „Ich bin begeistert, dass diese Studie zu AMT-130 nach 36 Monaten statistisch signifikante Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf gezeigt hat. Diese […] Daten sind die bislang überzeugendsten Belege in diesem Bereich und unterstreichen die krankheitsmodifizierende Wirkung bei der Huntington-Krankheit, wo weiterhin dringender Handlungsbedarf besteht. Für Patienten hat AMT-130 das Potenzial, die Alltagsfunktionen zu erhalten, ihnen ein längeres Berufsleben zu ermöglichen und das Fortschreiten der Krankheit deutlich zu verlangsamen.“

Prof. Ed Wild, ebenfalls Forscher am UCL Huntington’s Disease Centre-Studie, erwartet, dass AMT-130 auf Basis dieser Daten eine Zulassung erhalten wird.

„Die Studienergebnisse werden in Zahlen und Grafiken dargestellt, aber hinter jedem Datenpunkt steht ein unglaublicher Patient, der sich freiwillig einer großen neurochirurgischen Operation unterzogen hat, um mit der ersten Gentherapie behandelt zu werden, die wir jemals bei der Huntington-Krankheit getestet haben. Das ist eine außergewöhnliche Tapferkeit zum Wohle der Menschheit“, erklärte Wild.

„Meine Patienten in der Studie sind über einen längeren Zeitraum stabil, wie ich es bei der Huntington-Krankheit nicht gewohnt bin – und einer von ihnen ist mein einziger medizinisch pensionierter Huntington-Patient, der wieder arbeiten kann.“

Über die Behandlung

Bei AMT-130 wird dauerhaft neue funktionelle DNA in die Zellen einer Person eingeführt. Die Therapie besteht aus Partikeln eines harmlosen, leeren Virus sowie einer Reihe von DNA-Abschnitten, die mithilfe stereotaktischer Chirurgie direkt in das Striatum injiziert werden. Im Gehirn angekommen, dringen die Viruspartikel in die Neuronen ein und setzen die DNA-Fracht frei.

Dem Unternehmen zufolge wird AMT-130-DNA wird zu einem dauerhaften Bestandteil des Neurons. Sie enthält eine Reihe von Anweisungen zur Herstellung eines RNA-Moleküls, das so konzipiert ist, dass es sich an die RNA bindet, die bei der Produktion des Huntingtin-Proteins in einer Zelle entsteht. Wenn sich die AMT-130-RNA an die zelleigene Huntingtin-RNA bindet, ruft sie ein Enzym herbei, das diese zerstört. Dadurch wird die Huntingtin-RNA gelöscht und es wird dauerhaft weniger Protein gebildet.

Der Hersteller geht davon aus, dass eine einzige Dosis AMT-130 für das gesamte Leben einer Person ausreicht. Eigenen Angaben zufolge plant uniQure, den Zulassungsantrag für AMT-130 im ersten Quartal 2026 bei der FDA einzureichen.