Gentransfer ins Innenohr

Symbolbild: Jennifer – stock.adobe.com

US-Amerikanischer Forschende konnten mittels eines synthetischen viralen Vektors und einer neuen chirurgischen Technik genetisches Material in das Innenohr von Primaten bringen. Die Ergebnisse liefern einen neuen Ansatz zur Therapie von Schwerhörigkeit und vestibulärer Fehlfunktionen.

Bereits in früheren Studien hatte das Team des Massachusetts Eye and Ear, USA, bei Mäusen erfolgreich Genmaterial in das Innenohr der Tiere eingeschleust und konnten einen therapeutischen Effekt nachweisen. Im Rahmen ihrer aktuellen Arbeit ist dies bei nichtmenschlichen Primaten gelungen: Das Team konnte zeigen, dass eine Adenovirus-assoziierter viraler (AAV) Vektor (Anc80L65) mit einem neuen chirurgischen Ansatz kombiniert werden kann. Dieser nutzt eine transmastoidale posteriore Tympanotomie, um genetisches Material ins Innenohr zu bringen. Für die Autoren ein vielversprechender Ansatz, um ihre Forschungsergebnisse auf den Menschen zu übertragen.

„Hörprobleme betreffen Millionen von Menschen und beeinträchtigen ihre Kommunikationsfähigkeit, trotzdem gibt es fast keine medikamentöse Therapie“, sagt Co-Autor Luk Vandenberghe, PhD, Direktor des Grousbeck Gene Therapy Center am Massachusetts Eye and Ear. „Dabei ist der Transfer in die Cochlea die größte Herausforderung. In unserer Studie zeigen wir das Potenzial eines einmaligen operativen Eingriffes für eine haltbare Genbasierte Plattform für Arzneistoffe, um möglicherweise den Status quo für unsere Patienten zu ändern.“

Die häufigste Form der Schwerhörigkeit ist er sensorineurale Hörverlust, der typischerweise Schädigung des Innenohrs und der Haarsinneszellen zurückgeht. Mehr als die Hälfte der Fälle von Gehörlosigkeit im Kindesalter sind genetische bedingt, verursacht durch Mutationen in mehr als 120 verschiedenen Genen, was nach Ansicht der Autoren den Bedarf für eine Gentherapie zeigt. Auch vestibuläre Defizite können vom Innenohr ausgehen und könnten mit einem solchen Ansatz therapiert werden.

Um das Innenohr zu erreichen haben die Mediziner eine Operationsmethode entwickelt, um Zugang zur Rundfenstermebran zu gewinnen und eine Gentherapie über einen viralen Vektor zu applizieren. Entwickelt wurde die Methode von Konstantina Stankovic, MD, PhD und Micheal McKenna, MD. Der AAV-Vektor Anc80L65 wurde in Vandenberghes Labor entwickelt und hatte sich in früheren Studien als geeigneter Gen-Transfer-Vektor für verschiedene Organe gezeigt.

Effizienter und machbarer Gentransfer ins Innenohr

Der verwendete chirurgische Ansatz mit dem AAV-Vektor ist vergleichbar mit experimentellen Gentherapien, die am Mass Eye and Ear bereits für retinale Erkrankungen eingesetzt werden. Im Rahmen der aktuellen Studie testeten die Autoren wie wirksam zwei verschiedene AAV-Technologien sind: AAV1, ein etablierter Vektor zum Einsatz in der Cochlea und den synthetischen Anc80L65. Zielstuktur waren die Haarsinneszellen. Die chirurgischen und molekularen Aspekte des Eingriffes erwiesen sich als sicher und wurden gut toleriert – was nach Ansicht der Autoren in Zukunft die Anwendung beim Menschen möglich machen könnte. Anc80L65 konnte bei zwei Tieren erfolgreich bis zu 90 Prozent der Haarsinneszellen transformieren, während AAV1 deutliche weniger effizient bei gleicher Dosis war. AAV neutralisierende Antikörper konnten nach der Injektion bei allen Tieren im Serum aber nicht im Liquor nachgewiesen werden, was laut Studie darauf hindeutet, dass die Gentherapie das anvisierte Ziel erreicht hat.

Ihre Ergebnisse zeigten die Machbarkeit eines genetischen und chirurgischen Ansatzes, um spezifische Zellen im Innenohr von Primaten ins Visier zu nehmen, so Stankovic. „Wenn es gelingt, diesen Ansatz erfolgreich in Therapien für den Menschen zu übertragen, wird das enorme Auswirkungen haben.“

Zurzeit laufen Studien an Tiermodellen um den chirurgischen Zugang und den AVV-Vektor, um Gentherapien für bestimmte Gene, die zu Hörverlust führen zu testen – mit der Hoffnung diese Therapien in Zukunft beim Menschen anwenden zu können. Dabei geht es nicht nur darum zusätzliche Gene in Haarsinneszellen zu transferieren, sondern auch darum bestimmte Gene auszuschalten. (ja)