Geplantes Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin: Fachwelt plädiert für dringende Korrektur

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Für die Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) und Deutsche Gesellschaft für Public Health (DGPH) klingt das geplante Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) „nicht nach einem großen Wurf“. Die Fachgesellschaften fordern Korrekturen.

Mit dem BIPAM – angekündigt von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in der Pressekonferenz vom 4.10.2023 – soll Prävention einen deutlich höheren Stellenwert bekommen. „Wir begrüßen das sehr“, betonten DGPH und DGSMP in einer gemeinsamen Mitteilung. Der Name des Instituts vermittle allerdings eine Beschränkung auf den Bereich der Medizin mit einer engen Fokussierung auf Aufklärung. Wenn dies so umgesetzt würde, dann werde sich an den wesentlichen Ursachen von Krankheit und Tod nichts ändern, heißt es weiter. „Viele Ursachen für Krankheit und Tod liegen nicht im unmittelbaren Einflussbereich des medizinischen Versorgungssystems, sondern in gesundheitsschädlichen Umwelt- und Lebensbedingungen, die auch das Gesundheitsverhalten wesentlich bestimmen“, betonten die beiden Fachgesellschaften.

Weitere wichtige Einflussfaktoren seien das in Deutschland besonders ausgeprägte soziale Gefälle und die – nicht zuletzt auch psychosozialen – Arbeitsbedingungen. Aufklärung ziele auf Verhaltensänderung – eine wirksame Prävention und Gesundheitsförderung müsse aber insbesondere die Lebensverhältnisse und deren sozial ungleiche Verteilung verbessern, heben DGPH und DGSMP in ihrer Mitteilung hervor. Sie illustrieren das mit einem Beispiel: So stelle zu hoher Zuckerkonsum im Kindesalter die Weichen für viele, letztlich die Lebenserwartung senkende Erkrankungen im späteren Leben. Dazu sagte Prof. Andreas Seidler, Präsident der DGSMP: „Aufklärung ist hier nur sehr begrenzt wirksam. Zu einem wirksamen Maßnahmenpaket gehört auch eine Zuckersteuer, gehören auch Werbeverbote für zuckerreiche Lebensmittel“. Das Institut solle also über die vorgeschlagenen Aufgaben hinausgehen, verhältnispräventive Maßnahmen erforschen und den diesbezüglichen Praxistransfer befördern.

Die beiden Fachgesellschaften weisen darauf hin, dass die Klimakrise und deren enorme gesundheitliche Folgen in der Presseerklärung des Bundesministeriums nicht erwähnt werden. Ebenso sollte sich die Ausrichtung des Instituts bei psychischen Erkrankungen nicht auf Demenz und bei körperlichen Krankheiten nicht auf Krebs und Herz-Kreislauf-Krankheiten begrenzen. Es fehle ein umfassender Blick auf Gesundheit – die Thematik der Gesundheitsförderung und die Stärkung von Schutzfaktoren finden keine nennenswerte Beachtung, bemängeln DGPH und DGSMP.

Deutschland gehört zu den Ländern mit den höchsten Gesundheitsausgaben pro Kopf. Gleichzeitig hat Deutschland die geringste Lebenserwartung aller nord-, süd- und westeuropäischen Länder. Auch vor diesem Hintergrund wurde das im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP verabredete Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit, in dem die „Aktivitäten im Public-Health Bereich, die Vernetzung des ÖGD und die Gesundheitskommunikation des Bundes“ gebündelt werden sollten, von der Fachwelt begrüßt.

Prof. Ansgar Gerhardus, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH) kritisiert: „Der Koalitionsvertrag hat einen großen Sprung nach vorne versprochen. Mit dem jetzigen Konzept besteht dagegen die Gefahr eines Rückschritts.“ Um die öffentliche Gesundheit wirksam zu stärken, brauche das neue Bundesinstitut auch einen starken, ressortübergreifenden Fokus auf die gesellschaftlichen Verhältnisse.

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Quellen Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) und Deutsche Gesellschaft für Public Health (DGPH), 10.10.2023