Geruchssinn wird durch die anderen Sinne beeinflusst

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Wie eine aktuelle Studie zeigt, wird der Geruchssinn viel stärker durch Signale anderer Sinne beeinflusst als etwa das Gehör oder das Sehen.

Eine weit verbreitete Theorie zufolge besteht die Hauptfunktion des Gehirn darin vorherzusagen, was als Nächstes passieren wird. Demzufolge reagiert es hauptsächlich auf unerwartete Ereignisse. Die meisten Forschungen zu diesem Thema – die prädiktive Kodierung – haben sich hauptsächlich auf den Sehsinn konzentriert. Ob andere Sinne, beispielsweise der Geruchssinn, auf dieselbe Weise funktionieren, ist weniger gut erforscht.

Um mehr darüber herauszufinden, wie der Geruchssinn mit der Verarbeitung verschiedener Sinneseindrücke zusammenhängt, führten schwedische Forschende zwei Verhaltensexperimente und ein Experiment mit fMRT-Bildgebung durch. Neunundsechzig Teilnehmer schlossen das erste Verhaltensexperiment ab. Fünfzig Teilnehmer schlossen die zweite Verhaltensstudie ab. Für das fMRT-Experiment wurden zunächst die Daten von 15 Teilnehmern gesammelt und ausgewertet. Anschließend nahmen 32 gesunde Freiwillige an dem fMRT-Teil der Studie teil.

In allen drei Experimenten verwendeten die Forscher eine Reihe von vier vertrauten Reizen (Lavendel, Flieder, Zitrone und Birne), die wiederholt als Gerüche, Bilder oder gesprochene Worte präsentiert wurden, um hohe und vergleichbare Genauigkeitsraten und damit unverzerrte Bewertungen der Reaktionszeit zu erreichen.

„Das wichtigste Ergebnis ist, dass der Geruchssinn viel stärker von Vorhersagen abhängt als das Sehen. Das ist interessant, weil viele Menschen denken, dass der Geruchssinn primitiv und reaktiv ist, während unsere Forschung zeigt, dass er in Wirklichkeit ziemlich ausgeklügelt und proaktiv ist“, erläutert Stephen Pierzchajlo, Doktorand am Institut für Psychologie der Universität Stockholm und Hauptautor der Studie die Forschungsergebnisse.

Die Studie zeigt, wie wichtig es ist, dass unsere verschiedenen Sinne in der Lage sind, verschiedene Sinneseindrücke richtig zuzuordnen. „Wir alle haben die Erfahrung gemacht, dass wir reagieren, wenn ein unerwarteter Geruch auftaucht, zum Beispiel wenn wir die Wohnung von jemandem betreten und einen neuen Geruch wahrnehmen. Unsere Forschung zeigt, dass der Geruchssinn in hohem Maße von den Hinweisen anderer Sinne beeinflusst wird, während der Seh- und Hörsinn in viel geringerem Maße betroffen sind“, sagt Jonas Olofsson, Professor am Fachbereich Psychologie und Mitautor der Studie.

Die Forscher zeigen auch, dass sowohl das Riech- als auch das Sehhirn aktiviert werden, wenn das Gehirn versucht, Gerüche zu identifizieren, die es nicht erwartet hatte, obwohl es bei der Aufgabe keine visuellen Hinweise gibt. „Das Riechhirn hat also eine ganz eigene Art, Gerüche zu verarbeiten, und es geht darum, ob die Gerüche erwartet werden oder nicht. Der Geruchssinn warnt uns vor Gerüchen, die wir nicht erwartet haben, und schaltet das visuelle Gehirn ein, vielleicht um zu sehen, was es ist, das riecht. Das ist eine kluge Funktion, denn wir Menschen sind so schlecht darin, Gerüche zu erkennen, wenn wir keine Hinweise bekommen“, so Olofsson weiter.

In den Experimenten hörten die Teilnehmer gesprochene Worthinweise wie „Zitrone“ und erhielten dann ein Bild oder einen Geruch. Die Teilnehmer entschieden schnell, ob das Bild oder der Geruch mit dem Hinweis übereinstimmte, zum Beispiel mit einem Zitronenbild oder -geruch, oder nicht übereinstimmte, zum Beispiel mit einem Rosenbild oder -geruch.

„Wir stellten fest, dass die erwarteten Bilder und Gerüche insgesamt zu schnelleren Entscheidungen führten, was gut zur Theorie der prädiktiven Kodierung passt. Wir nutzten den Unterschied in der Reaktionsgeschwindigkeit, um die Sinne miteinander zu vergleichen – eine größere Verzögerung bei unerwarteten Reizen bedeutet, dass der Sinn mehr auf Vorhersagen angewiesen ist“, erläutert Pierzchajlo.

„Der menschliche Geruchssinn ist kein reaktiver, sondern ein proaktiver Sinn. Er nutzt eine einzigartige Strategie des Gehirns, um unerwartete Gerüche zu verarbeiten, um zu verstehen, um welche Gerüche es sich handelt“, so Pierzchajlo Fazit.