Geschlechtsangleichende Hormontherapie: Auswirkungen auf Pharmakokinetik und Krebstherapie

Eine geschlechtsangleichende Hormontherapie beeinflusst viele physiologische Faktoren, die eine entscheidende Rolle für die Pharmakokinetik und Dosierung von Medikamenten spielen. Bildquelle: Carollo et al., 2025

Transgender-Personen weisen unter einer geschlechtsangleichenden Hormontherapie eine veränderte Pharmakokinetik auf. Besonders im onkologischen Kontext sollten deshalb wichtige Faktoren beachtet und individuelle Entscheidungen getroffen werden.

Die geschlechtsangleichende Hormontherapie (GAHT) ist ein elementarer Bestandteil der Versorgung von Transgender-Patienten und -Patientinnen. Sie induziert tiefgreifende physiologische Veränderungen, die sich nicht nur in äußerlichen Merkmalen widerspiegeln. Neueste Studienergebnisse aus Australien zeigen beispielsweise, dass sich auch die Proteinexpression während einer GAHT maßgeblich ändert und der Geschlechtsidentität anpasst. Diese Daten legen nahe, dass sich somit auch die Risiken für bestimmte Erkrankungen ändern, die klassischerweise mit Männern oder Frauen assoziiert sind.

Darüber hinaus unterstützen die Ergebnisse die Annahme, dass durch eine GAHT auch die Pharmakokinetik von Transpersonen erheblich beeinflusst wird. Das wiederum könnte Auswirkungen auf die Dosierung von Medikamenten haben. Mit einem narrativen Review möchten Wissenschaftler aus Italien deshalb auf aktuelle Erkenntnisse und potenzielle Wissenslücken aufmerksam machen. Ein besonderes Augenmerk setzen die Autoren hierbei auf Nierenfunktionsparameter, Biomarker und Herausforderungen im Kontext von Krebserkrankungen.

Sexualhormone beeinflussen die Nierenphysiologie

Bisherigen Studien zufolge, verändert die GAHT die Körperzusammensetzung, die Muskelmasse und den Serumkreatinin-Spiegel. Das kann zu Schwankungen der Standardberechnungen der Kreatinin-Clearance (CrCl) und der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) führen. Auf diesen Parametern basierende, standardisierte Dosierungsformeln sind für Transgender-Populationen bislang nicht validiert. Nach Ansicht der Autoren sollten die Schätzungen auf Grundlage der Geschlechtsidentität erfolgen, die Ergebnisse jedoch mit Vorsicht interpretiert und individuell beurteilt werden.

Aus aktuelleren Studien geht hervor, dass eine mögliche Lösung in neuartigen Biomarkern wie Cystatin C liegt. Sie erlauben eine Beurteilung der Nierenfunktion, die weniger abhängig vom Körpergewicht ist – was vor allem bei Transgender-Patient:innen ein Vorteil sein könnte. Allerdings sollten auch die direkten Effekte exogener Hormone auf die Nierenphysiologie angemessen mit einbezogen werden, wenn es um die Genauigkeit von Dosierungsalgorithmen unter GAHT geht.

Besondere Herausforderungen in der Onkologie

Die richtige Dosierung von Medikament ist in der Onkologie besonders relevant. Eine falsche Einschätzung der entsprechenden Parameter kann demnach zu einer Unter- oder Überdosierung von antineoplastischen Arzneimitteln führen. Das gilt insbesondere für renal eliminierte Medikamente oder solche, die einen engen therapeutischen Index aufweisen.

Neben den Auswirkungen der GAHT auf die Nierenphysiologie, könnte es außerdem Unterschiede geben, je nachdem auf welchem zellulären Wirkmechanismus das Medikament beruht. Sexualhormone beeinflussen die intrazelluläre Aktivierung und/oder den Transport in Zielzellen unterschiedlich. Und auch die Art der Anwendung der GAHT (oral oder transdermal) spielt bei manchen Szenarien eine Rolle. Eine besondere Herausforderung liege in der Behandlung von Transgender-Patient:innen mit hormonabhängigen Neoplasien, so die Autoren. Der Fortschritt der personalisierten Medizin spiele deshalb für Transgender-Patient:innen eine entscheidende Rolle.

(mkl/BIERMANN)