Gestationsdiabetes: DDG rät zu früheren Diagnosen

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Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) rät in einem aktuellen Schreiben dazu, Risikopatientinnen für Gestationsdiabetes (GDM) schneller zu identifizieren, um Spätfolgen bei Mutter und Kind zu vermeiden.

In einer aktuellen Lancet-Serie zu GDM betonen die Autoren die Bedeutung einer früheren Diagnose sowie eines lebenslangen Monitorings, informiert die DDG.1 Dies würde insbesondere auch Frauen zugutekommen, die GDM in der zweiten oder sogar in beiden Schwangerschaften entwickeln. Denn laut einer Studie haben sie ein höheres Risiko für einen späteren manifesten Diabetes2, heißt es weiter.

Neue Lancet-Serie zu GDM

Eine im Sommer 2024 veröffentlichte Lancet-Serie zu GDM bietet eine Analyse der aktuellen Erkenntnisse zu Pathophysiologie, Screening, Management, Prävention und Langzeitkomplikationen für Mütter und ihre Babys, informiert die DDG. „Die drei Übersichtsartikel zeigen eindrucksvoll, dass GDM nicht zu einem isolierten Zeitpunkt untersucht und behandelt werden sollte. Vielmehr wäre es sinnvoll, vom bisherigen alleinigen Fokus auf Spätschwangerschaft abzurücken – zugunsten eines personalisierten, integrierten Lebensverlaufsansatzes von der Präkonzeption bis zur Wochenbettzeit und darüber hinaus“, so Dr. Katharina Laubner, AG Sprecherin Innere Medizin und Diabetologie der DDG Arbeitsgruppe „Diabetes und Schwangerschaft“ aus Freiburg.

Die Autoren der Lancet-Serie fordern ein Screening auf eine Glukosetoleranzstörung bereits im ersten Drittel der Schwangerschaft. Nach den aktuellen Empfehlungen der S3-Leitlinie GDM sollen alle Schwangeren erst zwischen der 24. und der 28. Schwangerschaftswoche ein Screening auf eine Glukoseintoleranz erhalten. Fraglich sei bisher noch, wie und ob Glukosetoleranzstörungen, die noch nicht die Diagnosekriterien eines vorbestehenden Diabetes mellitus erfüllen, auch bereits in der Frühschwangerschaft behandelt werden sollen, erklärt die DDG.

Eine aktuelle Studie zeige, dass die Kinder von einer frühen Behandlung, also einer unmittelbaren Einstellung der Schwangeren auf Blutzuckerzielwerte im Bereich der für den GDM empfohlenen Range, profitieren.2 „Je früher wir diagnostizieren, desto eher können schwerwiegende Komplikationen verhindert werden“, bestätigt Laubner die Autoren. Ein flächendeckendes frühe Screening auf einen frühen GDM sei jedoch weniger sinnvoll. Stattdessen sollten Risikogruppen gezielt identifiziert und überwacht werden, wie auch in der Lancet-Serie gefordert. „Hier haben wir in Deutschland noch Nachholbedarf“, sagt Laubner und fügt hinzu: „Im Rahmen der aktuellen Überarbeitung der Leitlinie werden wir dazu Stellung beziehen.“

GDM in der zweiten Schwangerschaft folgenreicher

Eine ebenfalls aktuelle Untersuchung in JAMA3 zeige, dass für die Risikoabschätzung von Folgeerkrankungen des GDM nicht nur dessen Diagnose aussagekräftig ist, sondern auch, wann und wie häufig die Diagnose gestellt wird, so die DDG. „Die Autoren konnten veranschaulichen, dass Frauen, die in ihrer zweiten Schwangerschaft an GDM erkrankten, ein über siebenfach erhöhtes Risiko hatten, später an Typ-2-Diabetes zu leiden. Besonders häufig erkrankten Frauen an einem manifesten Diabetes, wenn sie in beiden Schwangerschaften einen GDM entwickelten. Für diese Frauen ist das Risiko sogar fast 16-fach höher im Vergleich zu Frauen, die nie einen GDM hatten“, fasst Prof. Tanja Groten aus Jena, Sprecherin Gynäkologie und Geburtshilfe der DDG Arbeitsgruppe „Diabetes und Schwangerschaft“, die Studienergebnisse zusammen. Das Risiko, erneut einen GDM oder in Folge einen Diabetes Typ 2 zu entwickeln ist geringer, wenn Frauen ihr Ausgangsgewicht wieder erreichen, lange Stillen oder sogar abnehmen, weil sie zum Beispiel die in der Schwangerschaft erlernten Essens- und Bewegungsgewohnheiten beibehalten, heißt es weiter. „Das zeigt deutlich, dass die Frauen von der intensiven Beratung und Betreuung, die sie mit der Diagnose GDM in der Schwangerschaft erhalten, lebenslang profitieren“, sagt Groten abschließend.

Ganzheitliche, interdisziplinäre Sicht auf GDM gefordert

„Die aktuellen Studienergebnisse zu GDM zeigen, dass ein Lebensverlaufsansatz zur Betreuung der betroffenen Mütter und Kinder notwendig ist, um ein lebenslanges Risiko für schwere gesundheitliche Probleme zu reduzieren“, so DDG Präsident Prof. Andreas Fritsche aus Tübingen. Gleichzeitig nehmen aber auch etwa 60 Prozent der Frauen ihre Nachsorgetermine gar nicht wahr. Die DDG rät daher dazu, die perinatale Betreuung zu verbessern und regelmäßige Nachfolge-Untersuchungen bei GDM-Patientinnen anzubieten. Ebenfalls sei es wichtig, die Kinder in der weiteren pädiatrischen Versorgung im Blick zu behalten.