Gesunde Netzhaut: Perivaskuläre Neuronen steuern Aufbau der dreidimensionalen Gefäßstruktur

Neuronen in der Netzhaut (grün) steuern, dass die Blutgefäße beim Wachsen ein komplexes, dreidimensionales Gitter aufbauen. Foto.© Kenichi Toma/ University of California – San Francisco

Wissenschaftler wissen seit Jahren, dass ein Gitter aus Blutgefäßen die Zellen in der Netzhaut nährt – aber es ist ein Rätsel, wie diese komplizierte Struktur entsteht. Jetzt haben Forscher der University of California, San Francisco, USA, einen neuen Neuronentyp gefunden, der die Bildung dieser Gitterstruktur steuert.

Diese Entdeckung könnte eines Tages zu neuen Therapien für Krankheiten wie Diabetische Retinopathie und Schlaganfall führen – Krankheiten, die mit einer gestörten Durchblutung der Augen und des Gehirns zusammenhängen. Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachjournal „Cell“ publiziert.

„Dies ist das erste Mal, dass jemand gesehen hat, dass Netzhautneuronen den direkten Kontakt mit Blutgefäßen nutzen, um sie bei der Bildung dieser präzisen 3D-Gitter anzuleiten“, erörterte Xin Duan, außerordentlicher Professor für Augenheilkunde und leitender Autor der Studie. „Das bringt uns der Möglichkeit näher, sie zu reparieren, wenn sie beschädigt sind, oder sie umzuleiten, wenn sie nicht richtig gebaut wurden.“

Ein Protein erkennt die Anwesenheit benachbarter Zellen

Die Forscher arbeiteten mit neugeborenen Mäusen, deren Augen noch mehrere Wochen brauchen, um sich vollständig zu entwickeln. Kenichi Toma, PhD, markierte die Netzhautneuronen, die den Blutgefäßen am nächsten liegen, mit einem Protein. Dieses leuchtet unter ultraviolettem Licht grün. So konnte der Wissenschaftler die Gitterbildung beobachten.

Das Team identifizierte bei ihren Untersuchungen eine Untergruppe von Neuronen, sogenannte perivaskuläre Neuronen. Diese kontaktieren wachsende Blutgefäße und umgeben diese. So sind diese Neuronen in der Lage die Blutgefäße anzuweisen, Gitter zu bilden. Diese perivaskulären Neuronen produzieren ein Protein namens PIEZO2, das es ihnen ermöglicht, zu erkennen, wenn sie eine andere Zelle berühren. Perivaskuläre Neuronen in Mäusen, die nicht in der Lage waren, PIEZO2 zu produzieren, konnten den Kontakt mit Blutgefäßen nicht aufrechterhalten. Sie wuchsen in einer verworrenen, unorganisierten Weise, die den Blutfluss störte. Durch den Mangel an Sauerstoff wurden die umliegenden Nervenzellen abgebaut und die mutierten Mäuse waren anfälliger für schlaganfallähnliche Verletzungen.

Duan fand heraus, dass diese Neuronen die Bildung eines ähnlichen Netzwerks von Blutgefäßen im Kleinhirn steuern. Dieser Teil des Gehirns ist an der Koordination, Sprache und Sinneswahrnehmung beteiligt. „Die Tatsache, dass sich dasselbe Muster im Gehirn wiederholt, bedeutet, dass eine Schädigung dieses Gitters bei mehreren neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle spielen könnte“, beonte Toma.

In Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsbiologen Dr. Arnold Kriegstein konnte das Forscherteam bestätigen, dass perivaskuläre Netzhautneuronen auch beim Menschen existieren.

3D-Ansicht zeigt, wie sich das Gitter bildet

Duan und Toma profitierten von einer neuen Technik, welche Multiphotonenmikroskopie nutzte. Entwickelt wurde diese von Dr. Tyson Kim, Assistenzprofessor für Augenheilkunde, um 3D-Bilder von Netzhautblutnetzwerken zu erstellen, ohne das Auge zu stören. Kim half Toma dabei, Drehfilme zu erstellen, die das Gitter aus jedem Blickwinkel einfingen und zeigte, wie es in Abwesenheit von PIEZO2 zusammenbrach. „Wir wollten schon seit einiger Zeit zusammenarbeiten, und das war die perfekte Gelegenheit“, erzählte Kim. „Es war wirklich ein Zusammenfluss unserer Leidenschaften.“

Eine neue Art, Neuronen zu schützen

Die Entdeckungen könnten neue Wege zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen anregen, indem sie sicherstellen, dass Neuronen, die viel Energie benötigen, eine gesunde Blutversorgung aufrechterhalten. „Viele Menschen versuchen zu verstehen, wie wir Neuronen wachsen lassen können“, sagte Duan. „Aber wie um alles in der Welt können wir die komplexen Netzwerke von Blutgefäßen aufbauen, die zu ihrer Unterstützung erforderlich sind? Das ist die Frage, die wir zu beantworten versuchen.“