AWMF: Gesundheits-Apps bekommen durch Leitlinienwissen verlässliche Qualität

Medizin-App. Illustration: © makc76 – Fotolia.com

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e. V. startet die Digitalisierung medizinischer Leitlinien. 

“Die über 100.000 Gesundheits-Apps, die derzeit im App-Store verfügbar sind, unterliegen keinerlei verbindlicher Qualitätskontrolle”, betont die AWMF. Bürger, Patienten und Mediziner erwarteten daher mehr Orientierung bei den digitalen Anwendungen, die zunehmend auf den Markt kämen und mit unterschiedlichem Erfolg genutzt würden. In den Leitlinien der AWMF hingegen sei der aktuelle Wissensstand der Evidenz-basierten Medizin festgehalten. Um Patienten, Medizinstudierenden und Ärzten dieses Leitlinienwissen auch über Apps noch besser zugänglich zu machen, habe die Arbeitsgemeinschaft daher ein Digitalisierungsprojekt gestartet.

“Die zunehmende Flut von Gesundheits-Apps macht es für Anwender schwierig, einen vollständigen Überblick zu bekommen. Noch schwieriger ist es, die Qualität von Apps in Bezug auf Relevanz, Objektivität, Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit einzuschätzen”, konstatiert die AWMF, denn bislang gebe es dafür keinen einheitlichen Bewertungsmaßstab.

„Das wird jedoch immer wichtiger, da diese digitalen Anwendungen mehr und mehr auch unmittelbaren Einfluss auf Therapien haben“, betont AWMF-Präsident Prof. Rolf Kreienberg. PD Urs-Vito Albrecht vom Peter L. Reichertz-Institut für medizinische Informatik der Medizinischen Hochschule Hannover habe daher die unter dem Dach der AWMF vereinten Fachgesellschaften während der jüngsten AWMF-Leitlinien-Konferenz aufgefordert, gemeinsam pragmatische Qualitätsanforderungen zu konsentieren und nicht nur fachspezifische Siegel zu entwickeln. Wichtig seien bei einer Qualitätsinitiative, die auf dem von internationalen Unternehmen bestimmten Markt der Apps greifen solle, “hohe Sichtbarkeit und Interdisziplinarität”. Um die Qualität einer App bewerten zu können, müsste man beispielsweise auf ihre Zweckmäßigkeit, ihr Risikopotenzial, ihre ethische Unbedenklichkeit und auf ihre inhaltliche Validität achten.

Digital erstellt, verwaltet, implementiert und evaluiert
“Für die inhaltliche Validität stehen die Leitlinien der Fachgesellschaften in der AWMF als verlässliche Grundlage zur Verfügung. Sie dienen Ärzten in Klinik und Praxis dazu, aktuelle, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zum Wohl ihrer Patienten anzuwenden. Patientenversionen der Leitlinien helfen Betroffenen und ihren Angehörigen, sich wissenschaftlich fundiert zu informieren. Um den Zugriff auf Leitlinien und ihre Nutzung, aber auch Transparenz über ihre Entstehung, Aktualisierung und Bewertung zu verbessern, sollen diese künftig digital erstellt, verwaltet, implementiert und evaluiert werden”, teilt die Arbeitsgemeinschaft weiter mit. Dafür bedürfe es einer klaren Struktur für alle Leitlinien. Dazu müssten ein Datenmodell entwickelt, Terminologien und Schnittstellen definiert werden.

„Dies wird Leitlinienautoren spürbare Arbeitserleichterungen schaffen, indem sie bereits existierende digitale Anwendungen nutzen können – beispielsweise für die Bewertung der Evidenz und die Konsensfindung über alle beteiligten Fachdisziplinen“, betont Prof. Ina B. Kopp, Leiterin des AWMF-Instituts für Medizinisches Wissensmanagement (AWMF-IMWi). Es helfe aber auch dabei, einzelne Aspekte in Leitlinien schneller zu aktualisieren oder Aussagen über mehrere Leitlinien hinweg durchsuchbar zu machen.

Über Systemgrenzen hinweg nutzbar machen
Einen besonders großen Nutzen erwartet die AWMF bei der Implementierung des Leitlinienwissens. Ziel des Digitalisierungsprojektes sei es auch, Leitlinien oder Leitlinienkomponenten über Systemgrenzen hinweg nutzbar zu machen. Leitlinienwissen ließe sich dann unmittelbar in digitalen Informationsangeboten wie Arztinformationssystemen oder einrichtungsinternen Behandlungspfaden, Lernplattformen für die Ausbildung von Medizinstudierenden und Informationsportalen für Patienten und Bürger einbinden. Es wäre außerdem optimal für Apps zu nutzen. „So könnten wir ermöglichen, dass in den vielen auf dem Markt befindlichen Gesundheits-Apps verlässliches medizinisches Wissen enthalten ist“, prognostiziert Prof. Claudia Spies, Vorsitzende der Ständigen Kommission Leitlinien der AWMF.

Bis zum Jahr 2022 soll laut AWMF-Plan die Digitalisierung von Leitlinien umgesetzt sein. Dann könnten Leitlinien noch besser dazu beitragen, verlässliches Wissen in der medizinischen Ausbildung und Versorgung zu verankern sowie durch entsprechende Informationsangebote die Autonomie und das Selbstmanagement von Patienten und Bürgern zu stärken. 

Quelle:
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e. V.