Gesundheitsbericht Diabetes 2022: Nur die Hälfte der Betroffenen geht zum Augen-Screening

Proliferative diabetische Retinopathie. Foto: © BVA

Regelmäßige Augenuntersuchungen sind für Menschen mit Diabetes mellitus wichtig. Folgeerkrankungen am Auge können somit früh erkannt und Sehminderungen verhindert werden. Doch bis zu 50 Prozent der Menschen mit Diabetes erhalten bisher kein Screening wie aus Untersuchungen der Krankenkassen hervorgeht.

Der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA) und die Initiativgruppe zur Früherkennung diabetischer Augenerkrankungen (IFDA) fordern verstärkte Anstrengungen zur Aufklärung und Schulung der Betroffenen.

Die Zahlen im Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2022 (1), so der BVA, sind ernüchternd: Nach der Neufeststellung eines Typ-2-Diabetes wird nur ein Drittel der Betroffenen umgehend augenärztlich untersucht. Zwei Jahren nach der Diabetes-Diagnose sind es immer noch 50 Prozent der Erkrankten, die dem Screening entgehen. Dabei empfehlen Experten in der S3-Leitlinie zur diabetischen Retinopathie und Makulopathie regelmäßige Augenuntersuchungen. Die frühen Stadien der durch Diabetes verursachten Schäden am Auge rufen nämlich keine Symptome hervor. Bei Augenuntersuchungen lassen sich Veränderungen dagegen schon erkennen – und dann auch behandeln – bevor eine Sehverschlechterung eintritt.

Zu hohe Blutzuckerwerte schädigen die kleinen Blutgefäße, auch in der Netzhaut des Auges. Diese Schädigung kann zu Blutungen führen oder es kann zu Gefäßwucherungen kommen, die die Netzhaut schädigen. Die Symptome treten oft erst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien auf. Weshalb es umso wichtiger ist, Veränderungen frühzeitig zu erkennen und angemessen zu behandeln. Diabetes-bedingte Netzhauterkrankungen sind für Menschen im berufstätigen Alter eine der häufigsten Ursachen für Sehbehinderung oder gar Blindheit. Nach Angaben der Gutenberg-Gesundheitsstudie liegt der Anteil der Menschen mit Diabetischer Retinopathie in Deutschland bei 1,53 Prozent der Gesamtbevölkerung – das sind 1.270.000 Betroffene – und bei 21,7 Prozent der Personen mit bekanntem Diabetes (2).

Eine Erblindung durch diabetische Retinopathie lässt sich aber heutzutage vermeiden, betont Prof. Focke Ziemssen, Vorsitzender der IFDA: „Mit einer Kombination guter Risikofaktoreinstellung, regelmäßiger Augenuntersuchungen und gegebenenfalls einer frühzeitigen augenärztlichen Behandlung kann das Sehvermögen erhalten werden.“

Es gibt verschiedene Gründe, weshalb so viele Menschen mit Diabetes nicht zum augenärztlichen Screening gehen. Zum einen ist es die unzureichende Aufklärung sowie die fehlende Schulung. Den Betroffenen ist gar nicht bewusst, welche Gefahr der Diabetes für ihr Sehvermögen darstellt. Andererseits sind es lange Wartezeiten und der mit der Untersuchung verbundene Aufwand, die manche abschrecken, einen Termin zu vereinbaren.

Neben der Prüfung der Sehschärfe und der Untersuchung des vorderen Augenabschnitts ist die gründliche Untersuchung des Augenhintergrunds ein wichtiger Bestandteil des Screenings. Dafür wird die Pupille mit Augentropfen weit gestellt. Danach sieht man für einige Stunden unscharf, weshalb man zu dieser Untersuchung nicht selbst mit dem Auto fahren darf. Prof. Ziemssen betont aber, dass sich der Aufwand lohnt: „Die augenärztliche Untersuchung sollten Menschen mit Diabetes auf keinen Fall auf die lange Bank schieben. Rechtzeitige und regelmäßige Untersuchungen beim Augenarzt sind der beste Schutz der Augen.“

Referenzen:
1. https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/user_upload/Gesundheitsbericht_2022_final.pdf
2. https://www.woche-des-sehens.de/infothek/zahlen-und-fakten/augenkrankheiten-zahlen-fuer-deutschland

Weiterführende Informationen zur IFDA:
Die Initiativgruppe zur Früherkennung diabetischer Augenerkrankungen wurde im September 1990 gegründet und ist als gemeinnütziger Verein beim Amtsgericht Münster eingetragen sowie vom Finanzamt München anerkannt. Spenden an die Initiativgruppe können demnach steuerlich abgesetzt werden. Das zentrale Anliegen der Initiativgruppe ist es, die diabetischen Augenerkrankungen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen und die vom Diabetes direkt Betroffenen sowie deren Angehörige über die von diesem Leiden ausgehenden Gefahren für das Sehvermögen aufzuklären. Darüber hinaus sollen die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Allgemeinärzten, Internisten und Kinderärzten mit den Augenärzten gefördert und das Wissen der einzelnen Fachgruppen auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Mitglied in der Initiativgruppe Früherkennung diabetischer Augenerkrankungen kann jeder werden, der sich ihrer Zielsetzung verbunden fühlt.

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Quellen Berufsverband der Augenärzte Deutschlands und Initiativgruppe „Früherkennung diabetischer Augenerkrankungen“, 27.04.2022