Gesundheitskompetenz steigt leicht – soziale Kluft bleibt groß

Doris Schaeffer leitete die dritte bundesweite Studie zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland. (Bild: Universität Bielefeld/Ralf E. Ulrich)

Mehr Menschen in Deutschland können besser mit Gesundheitsinformationen umgehen, doch die Kluft zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen wächst. Das zeigt eine neue repräsentative Studie eines Forschungsteams der Universität Bielefeld, der Hertie School Berlin und der Charité.

Laut den Ergebnissen verfügen 44 Prozent der Befragten ab 18 Jahren über eine hohe Gesundheitskompetenz – drei Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren, vermeldet die Universität Bielefeld. And dieser forscht die Studienleiterin Prof. Doris Schaeffer, die in dem Ergebnis „einen vorsichtigen Grund zur Hoffnung“ sieht. Sie erklärt: „Die Steigerung mag klein erscheinen. Angesichts von Pandemie, Kriegs- und Klimakrise sowie wirtschaftlicher Unsicherheit ist es bemerkenswert, dass sich die Gesundheitskompetenz verbessert hat.“

Dennoch, meh als die Hälfte der Bevölkerung (56 Prozent) hat weiterhin eine geringe Gesundheitskompetenz und teilweise erhebliche Schwierigkeiten, gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu verstehen oder für sich zu nutzen. Deshalb fordert Schaeffer, dem Thema mehr Beachtung zu schenken.

„Gesundheitskompetenz ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe“

In der repräsentativen Befragung mit persönlichen Interviews, die zum dritten Mal durchgeführt wurde und methodisch mit der Erhebung von 2020 vergleichbar ist, gaben 2650 Personen Auskunft über ihre Gesundheitskompetenz. Die Stichprobe gilt hinsichtlich Geschlecht, Haushaltsgröße, Alter, Bildungsstand und Bundesland als repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.

Neben Schaeffer wirkten Prof. Michael Ewers von der Charité und Prof. Klaus Hurrelmann von der Hertie School mit. Gefördert wurde die Untersuchung vom Bosch Health Campus. „Aktuelle Daten zur Gesundheitskompetenz sind unverzichtbar, um Gesundheitsinformationen für alle zugänglich zu machen“, sagt Susanne Melin vom Robert Bosch Centrum für Innovationen im Gesundheitswesen am Bosch Health Campus. „Gesundheitskompetenz ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe – deswegen engagieren wir uns seit Jahren dafür, sie zu stärken.“

Digitale Gesundheitskompetenz im Aufwind

Besonders deutlich zeige sich der Fortschritt im digitalen Bereich: Die Kompetenz mit digital verfügbaren Gesundheitsinformationen umzugehen, stieg der Studie zufolge um 4,7 Prozentpunkte, was auch auf einen Lernprozess durch die verstärkte Nutzung digitaler Informationsmöglichkeiten zurückzuführen sein könnte, vermuten die Forschenden. Rund 83 Prozent der Befragten nutzten inzwischen Internetseiten, um sich über Gesundheitsthemen zu informieren – 18 Prozentpunkte mehr als 2020. Damit einhergehend habe sich die Nutzung von Gesundheits-Apps verdoppelt, sie werden von 44 Prozent der Befragten verwendet. 17 Prozent greifen bereits auf KI-basierte Anwendungen zurück.

Hürden im Gesundheitssystem

Unverändert groß bleiben dagegen die Schwierigkeiten bei der Orientierung und Navigation im Gesundheitssystem. 82 Prozent der Befragten finden es schwer, sich im Gesundheitssystem und den dazu notwendigen Informationen zurechtzufinden – etwa sich über die eigenen Patient*innenrechte zu informieren oder zu verstehen, wie das Gesundheitssystem funktioniert. „Das ist ein alarmierender Befund“, sagt Schaeffer.

Auch beim Umgang mit Informationen, die dem Selbstschutz bei Krisen und Katastrophen dienen, zeige die Bevölkerung deutliche Defizite – offenbar, weil es hier vielfach an leicht verständlichen und zugänglichen Informationen fehlt, vermuten die Studienverantwortlichen.

Soziale Unterschiede verschärfen sich

Während Menschen mit höherem Sozialstatus und besserer finanzieller Ausstattung ihre Gesundheitskompetenz verbessern konnten, stagnieren die Werte bei sozial benachteiligten Gruppen, lautet ein weiteres Studienergebnis. „Wer bereits gut aufgestellt ist, profitiert vom positiven Trend. Wer dagegen ohnehin Schwierigkeiten hat, macht keine Fortschritte“, so die Forschenden. Sie warnen: Für diese Gruppen bleibe das Risiko eines ungesunden Verhaltens hoch.

Das Forschungsteam plädiert deshalb für gezielte Fördermaßnahmen in allen Bereichen, um die Gesundheitskompetenz zu stärken, soziale Ungleichheit abzubauen und allen Menschen den Zugang zu verständlichen und zuverlässigen Gesundheitsinformationen zu ermöglichen – das sei gerade angesichts der enormen Zunahme von Desinformationen dringend geboten.