Gewebespende: Harzklinikum kooperiert mit Rostocker Gesellschaft für Transplantationsmedizin

Präparation einer Hornhaut in der Gewebebank Rostock. Foto.© Joachim Kloock/GTM-V

Die Rostocker Gesellschaft für Transplantationsmedizin Mecklenburg-Vorpommern gGmbH (GTM-V) und das Harzklinikum Dorothea Christiane Erxleben kooperieren beim Thema Gewebespende.

„Wir tun das, weil es medizinisch dringend notwendig ist und weil es zugleich ein zutiefst menschliches Thema ist: Gemeinsam möchten wir den vielen zehntausend Patientinnen und Patienten helfen, die bundesweit auf eine Gewebespende warten“, bekräftigt Dr. Matthias Voth, Ärztlicher Direktor des kommunalen Harzklinikums.

Die 2015 in Rostock gegründete gemeinnützige Gesellschaft GTM-V wird von erfahrenen Medizinern aus dem Bereich der Organ- und Gewebespende geleitet. Die GTM-V ist im gesamten Spektrum der postmortalen Spende tätig, also der Entnahme von Augenhornhäuten, Knochen, Sehnen, Haut, Herzklappen und Blutgefäßen nach dem Tod. Nach Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen ist Sachsen-Anhalt jetzt das vierte Bundesland, in dem das Rostocker Unternehmen aktiv ist.

„Die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit hochwertigen Gewebetransplantaten ist auch 16 Jahre nach Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes äußerst unbefriedigend“, muss Dr. Frank-Peter Nitschke als Geschäftsführender Arzt der GTM-V einschätzen. Das Warten beispielsweise auf den Ersatz einer Augenhornhaut oder Herzklappe dauert mehr als drei Monate. „Daher müssen noch immer Gewebetransplantate aus dem Ausland importiert werden. Im Notfall kann das Fehlen von geeignetem Spendergewebe tödlich enden oder zu einer dauerhaften Verschlechterung der Lebensqualität führen“, erklärt der Rostocker Mediziner.

Gewebespende-Situation nachhaltig verbessern

Mit ihrer Kooperation möchten beide Partner diese Situation nachhaltig verbessern. Wie geschieht das ganz konkret? Verstirbt im Harzklinikum ein Patient, werden darüber die Angehörigen informiert. Parallel dazu werden den Rostocker Gewebespezialisten das Geschlecht, Alter und der Todestag als anonymisierte Daten übermittelt – so, wie es im Transplantationsgesetz vorgesehen ist. Gibt es für eine mögliche Gewebeentnahme keine ablehnenden Gründe, führen qualifizierte Mitarbeiter der GTM-V das Gespräch mit den Angehörigen. Darin klären sie über die Sinnhaftigkeit einer Gewebeentnahme auf, informieren über das Vorgehen und beantworten alle in diesem Zusammenhang aufkommenden Fragen, beispielsweise zum Umgang mit menschlichen Gewebespenden, die Absprache mit dem Bestattungsunternehmen.

„Dabei gilt selbstverständlich das Prinzip der Freiwilligkeit, niemand wird bedrängt oder gar überredet“, erklärt Voth. Ebenso selbstverständlich ist, dass die Verstorbenen nach der Gewebeentnahme wieder so hergerichtet werden, dass für die Angehörigen ein würdevoller Abschied gewährleistet ist. In diesem Zusammenhang ist dem Ärztlichen Direktor wichtig zu betonen, dass solche Spenden nach dem Tod frei von wirtschaftlichen Interessen sein müssen.

Die Akzeptanz für Gewebespenden ist laut Gesellschaft für Transplantationsmedizin grundsätzlich hoch, wenn man sich zu Lebzeiten mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Hierbei steht dann das Argument „noch etwas Gutes tun – anderen Menschen helfen“ im Vordergrund. Leider wird das Thema immer noch zu oft mit dem Argument verdrängt „ich bin zu alt und zu krank“, so Nitschke.

Im hat die GTM-V fast 5.700 Spendermeldungen aus 20 Krankenhäusern in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen entgegengenommen. Nach medizinischen und anderen erforderlichen Überprüfungen haben die Mitarbeiter der GTM-V bei knapp 3000 möglichen Spendern Gespräche mit den Angehörigen geführt. In 40 Prozent dieser Gespräche hat es von den Familienmitgliedern die Zustimmung zur Gewebeentnahme gegeben. Von circa 1000 Spendern sind dabei mehr als 5900 Gewebepräparate entnommen worden. Der jüngste Spender war 31 Jahre, der älteste 91; das Durchschnittsalter der Spender betrug 75 Jahre, so die GTM-V.

Durchschnittlich wurden pro Spende sechs Gewebe entnommen. Der größte Teil dieser Entnahmen betrifft rund 2000 Augenhornhäute sowie Präparate wie Knochen, Sehnen, Haut und Faszien. Somit konnten die Rostocker Gewebeexperten in den vergangenen acht Jahren gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern dazu beitragen, dass mehr als 8000 Patienten in Deutschland das Sehvermögen wiederhergestellt wurde.

Nitschke: „Auf eine Gewebespende plötzlich angewiesen zu sein, kann jeden von uns jeden Tag treffen. Daher ist es unser Ziel, den Bedarf an Gewebespenden zu decken, so dass jede Patientin, jeder Patient auch sofort die Hilfe bekommt, die er benötigt.“ Die Kooperation der GTM-V mit dem Harzklinikum ist daher ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin.

Hintergrund Gewebemedizin

Die Gewebemedizin bleibt ein sich rasant entwickelnder Bereich der Transplantationsmedizin. In Deutschland liegt die Zahl der transplantierten Gewebe jährlich bei mehr als 55.000 (3. Bericht der Bundesregierung 2018*). Neben der Transplantation von Knochenmaterial gehört der Austausch von Augenhornhäuten mit mehr als 8000 Transplantationen pro Jahr zu den häufigsten Operationen in Deutschland. Obwohl sich die Versorgungslage verbessert hat, warten circa 10.000 Patienten in Deutschland auf ein Gewebetransplantat.

*3. Bericht der Bundesregierung über die Situation der Versorgung der Bevölkerung mit Gewebe und Gewebezubereitungen https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/056/1905675.pdf