Gezielter Wirkstofftransport: Mikroschwimmer speichert Licht wie eine Solar-Batterie

Ein Mikroschwimmer bewegt sich durch eine Flüssigkeit und funktioniert dabei ähnlich wie eine Solarbatterie. Illustration: e-conversion (Vera Hiendl)

Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern der beiden Stuttgarter Max-Planck-Institute (MPI) für Intelligente Systeme und für Festkörperforschung entwickelt biokompatible Mikroschwimmer auf Basis eines Kohlenstoffnitrids, die mit Licht vorwärtsbewegt werden können. 

Einer winzigen Solarzelle mit integrierter Batterie ähnelnd, kann der Schwimmer Lichtenergie speichern und sich damit auch dann noch vorwärtsbewegen, wenn das Licht ausgeht. “30 Sekunden Beleuchtung reichen, und der Schwimmer hat etwa eine halbe Stunde lang Power”, berichten die Institute.

Mit externer Energie angetriebene Mikroschwimmer bieten nach Einschätzung der Forscher zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, so zum Beispiel im Bereich der Biomedizin oder Umwelttechnik. Eine Zukunftsvision sei, dass sie Medikamente an schwer zugängliche Stellen des Körpers transportieren. Solche Mikroschwimmer würden jedoch eine kontinuierliche Energiezufuhr benötigen, andernfalls sei der Antrieb schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Ein Mikroschwimmer, der externe Energie speichern kann, wäre daher ideal in Situationen, in denen Energie nur für eine begrenzte Zeit zur Verfügung gestellt werden könne oder in denen der Mikroschwimmer tief im Inneren eines Körpers aktiv werden solle.

Lichtenergie für einen späteren Zeitpunkt speichern
In den vergangenen Jahren gab es laut MPI zahlreiche Publikationen, die verschiedene Versionen lichtbetriebener Mikroschwimmer – sogenannte Fotoschwimmer – vorstellten. “Licht ist eine praktische Energiequelle, da sie reichlich verfügbar und gut kontrollierbar ist. Ein Manko aber gibt es: Wenn das Licht ausgeht, stehen bisherige fotokatalytische Schwimmer still”, erklären die Wissenschaftler.
Ein interdisziplinäres Team des MPI für Intelligente Systeme und des MPI für Festkörperforschung in Stuttgart entwickelte nun aus einem 2-D-Kohlenstoffnitrid einen Typ von Mikroschwimmern, der kurz beleuchtet wird, diese Energie speichert und während des Betriebs im Dunkeln aus der gespeicherten Energie schöpfen kann – ähnlich einer Solarzelle, die Energie für einen späteren Zeitpunkt speichert.
Das Team, so heißt es weiter, habe gezeigt, dass es das Teilchen in einer Flüssigkeit sowohl mit sichtbarem als auch mit ultraviolettem (UV) Licht vorwärtsbewegen kann, auch wenn das Licht ausgegangen sei. 30 Sekunden Beleuchtung hätten gereicht und der Schwimmer habe etwa eine halbe Stunde lang von der Energie zehren und weiter vorwärtskommen können.

Erstmalige Zusammenarbeit
Das Projekt war nach Angaben des MPI eine erstmalige Zusammenarbeit zwischen der Abteilung für Physische Intelligenz am MPI für Intelligente Systeme unter der Leitung von Prof. Metin Sitti und der Abteilung für Nanochemie am MPI für Festkörperforschung unter der Leitung von Prof. Bettina Lotsch.
Sitti und sein Team erforschen neue Fortbewegungs-, Herstellungs- und Steuerungsmethoden vieler verschiedener freibeweglicher Mikromaschinen mit dem Ziel, diese eines Tages im menschlichen Körper zur gezielten Medikamentenabgabe einsetzen zu können. Lotsch und ihr Team sind auf die Entwicklung neuer Materiallösungen und Konzepte für die Umwandlung und Speicherung von Sonnenenergie spezialisiert. Der Schwerpunkt liegt auf den Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie und der daraus resultierenden chemischen Reaktivität.
„Die Zusammenarbeit unserer beiden Teams ermöglichte uns neue Einsichten in die zugrunde liegenden Mechanismen jenseits der bisher bekannten lichtbetriebenen Mikroschwimmer. Wir möchten zusammen untersuchen, wie man solche Mikromaschinen für zukünftige medizinische Anwendungen und für den Bereich Umwelttechnik entwerfen und realisieren kann“, sagen Lotsch und Sitti.

Originalpublikation:
https://www.pnas.org/content/early/2020/09/16/2007362117