Glaukom-Diagnose: Neues KI-basiertes Screeningsystem entwickelt

Vereinfachte Darstellung, wie ein Fundusbild mit Hilfe des AI-GS in eine Diagnose umgewandelt werden kann. Foto.©Sharma et al.

Stellen Sie sich vor, Sie gehen in einen Supermarkt, einen Bahnhof oder ein Einkaufszentrum und lassen Ihre Augen innerhalb von Sekunden auf Glaukom untersuchen – ohne Termin. Mit dem KI-basierten Glaukom-Screening-Netzwerk (AI-GS) könnte diese Vision bald Wirklichkeit werden.

Eine frühzeitige Erkennung ist beim Glaukom von entscheidender Bedeutung. Die Krankheit schreitet oft unbemerkt fort und schränkt das periphere Sichtfeld langsam ein. Häufig bemerken die Patienten diesen Sehverlust zunächst nicht. Das kann dazu führen, dass umfangreiche und irreversible Schäden auftreten, bevor ein Patient überhaupt daran denkt, einen Arzt aufzusuchen. Infolgedessen bleiben viele Fälle unerkannt, insbesondere in Regionen mit begrenzten Ressourcen. „Aus diesem Grund haben wir eine neue, schnelle und tragbare Testmethode entwickelt. Sie analysiert mehrere Schlüsselindikatoren für ein Glaukom, integriert die Ergebnisse und bestimmt das Vorhandensein der Krankheit mit bisher unerreichter Präzision“, erklärt Prof. Toru Nakazawa von der Tohoku University, Sendai, Japan.

KI-GS-Netzwerk identifiziert Glaukom auch im Frühstadium

Das AI-GS wurde von einem Forschungsteam unter der Leitung von Nakazawa und Prof. Parmanand Sharma an der Graduate School of Medicine der Tohoku University entwickelt. Getestet wurde das KI-GS-Netzwerk an einem Datensatz von 8000 Fundusbildern des Augenhintergrunds. Den Wissenschaftlern zufolge erreichte es dabei eine Sensitivität von 93,52 Prozent bei 95 Prozent Spezifität. Dieser Wert sei mit dem von erfahrenen Augenärzten vergleichbar. Das System zeichne sich zusätzlich dadurch aus, dass es auch Glaukome im Frühstadium identifiziere, selbst in Fällen, in denen Fundusanomalien subtil und schwer zu erkennen sind, so die Entwickler.

Transparentes System festigt Vertrauen

Eine große Herausforderung bei KI-gesteuerten Gesundheitsversorgungen ist die mangelnde Interpretierbarkeit – das „Blackbox“-Problem. Bei diesem ist unklar, welche Schritte die KI unternommen hat, um zu einer Schlussfolgerung zu gelangen. Auch dafür haben die Forscher eine Lösung: Das AI-GS gibt für jedes diagnostische Merkmal numerische Werte an. Diese ermöglichen es den Augenärzten, den Entscheidungsprozess zu verstehen und zu überprüfen. Diese Transparenz stärke das Vertrauen und erleichtere die nahtlose Integration in die klinische Praxis.

Glaukom-Screening für die Hosentasche

Die Wissenschaftler weisen auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin, der die einfache praktische Umsetzung betrifft: die Größe des AI-GS-Netzwerkes. Mit einer Größe von nur 110 MB sei es auf Portabilität und Effizienz ausgelegt. Es benötigt, nach Angaben der Forscher, nur eine minimale Rechenleistung und liefert Diagnoseergebnisse in weniger als einer Sekunde. „AI-GS bringt das Glaukom-Screening auf Expertenniveau in die Hosentasche und ergänzt damit die Untersuchungen der Fachärzte“, betont Sharma „Es kann auf einem mobilen Gerät laufen und aufgrund seiner Mobilität an allen möglichen öffentlichen Orten eingesetzt werden. Man kann Screenings an Bahnhöfen oder sogar in abgelegenen Regionen durchführen, die sonst nur begrenzt Zugang zu Augenärzten haben.“

„Diese KI-Technologie schließt eine kritische Lücke in der Glaukom-Erkennung, indem sie Diagnosen auf Facharztniveau für unterversorgte Gemeinden zugänglich macht“, bemerkt Nakazawa. „Indem wir Früherkennung in großem Maßstab ermöglichen, haben wir das Potenzial, die Erblindung von Millionen Menschen weltweit zu verhindern.“

Glaukom-Screening in den Alltag bringen

Mit seiner hohen Genauigkeit, seiner KI-Erklärbarkeit und seinem leichtgewichtigen Design könnte das KI-GS-Netzwerk den Entwicklern zufolge einen bedeutenden Durchbruch in der KI-gesteuerten Augenheilkunde darstellen, der das Glaukom-Screening aus den Krankenhäusern in den Alltag bringt. Eine groß angelegte Implementierung dieses Systems könnte die Glaukomversorgung revolutionieren und sicherstellen, dass kein Patient mehr aufgrund mangelnden Zugangs zu Spezialisten ohne Diagnose bleibt, fügen sie abschließend hinzu.