Gliom-OP: Resttumoren sicherer feststellen19. November 2024 Tumoroperation am Gehirn (Foto: © anantachat – stock.adobe.com) Forscher haben ein KI-gestütztes Modell entwickelt, das während einer Gliom-Operation innerhalb von zehn Sekunden mit hoher Sicherheit feststellen kann, ob noch Tumorreste im Gehirn sind. Wenn Neurochirurgen ein diffuses Gliom aus dem Gehirn eines Patienten entfernen, sind sie selten in der Lage, die gesamte Tumormasse zu entfernen, unter anderem deshalb, weil Tumorgewebe und Hirnsubstanz nur schwer voneinander zu unterscheiden sind. Um den Resttumor während eines Eingriffs zu lokalisieren, setzen neurochirurgische Teams daher verschiedene Methoden ein, darunter die Magnetresonanztomogrpahie oder fluoreszierende Marker. Für die nun in „Nature“ vorgestellte Technologie haben neurochirurgische Teams Basismodelle Künstlicher Intelligenz (KI) visuell mit frischen, unbearbeiteten Proben von 220 Patienten trainiert, die wegen eines niedrig- oder hochgradigen diffusen Glioms operiert worden waren. Dabei erkannte und berechnete die als „FastGlioma“ bezeichnete Technologie die verbleibende Tumormenge mit einer durchschnittlichen Genauigkeit von etwa 92 Prozent. Bei einem Vergleich von Operationen, die durch FastGlioma-Vorhersagen oder durch bild- und fluoreszenzgestützte Methoden geleitet wurden, übersah die KI-Technologie in nur 3,8 Prozent der Fälle einen hochriskanten Resttumor – im Vergleich zu einer Fehlerquote von fast 25 Prozent bei herkömmlichen Methoden. „Dieses Modell stellt eine innovative Abkehr von bestehenden chirurgischen Techniken dar, indem es die Tumorinfiltration mit mikroskopischer Auflösung unter Verwendung von KI schnell identifiziert und so das Risiko, einen Resttumor in dem Bereich zu übersehen, in dem ein Gliom reseziert wurde, erheblich reduziert“, erklärte Co-Autor Shawn Hervey-Jumper, Professor für Neurochirurgie an der University of California San Francisco und ehemaliger Assistenzarzt für Neurochirurgie an der University of Michigan (U-M), beides USA. Wie funktioniert es? Um zu beurteilen, was von einem Hirntumor übrigbleibt, kombiniert FastGlioma die mikroskopische optische Bildgebung mit KI- Basismodellen. Dabei handelt es sich um KI-Modelle wie GPT-4 und DALL-E 3, die auf umfangreichen, vielfältigen Datensätzen trainiert wurden und an ein breites Spektrum von Aufgaben angepasst werden können. Ein solches visuelles Basismodell haben die Forscher für die Entwicklung von FastGlioma mit mehr als 11.000 chirurgischen Präparaten und vier Millionen individuellen mikroskopischen Sichtfeldern trainiert. Die Tumorproben wurden mittels stimulierter Raman-Histologie abgebildet, einer an der U-M entwickelten Methode zur schnellen, hochauflösenden optischen Bildgebung. Dieselbe Technologie wurde für das Training von DeepGlioma verwendet, einem KI-basierten diagnostischen Screening-System, das die genetischen Mutationen eines Hirntumors in weniger als 90 Sekunden erkennt. „FastGlioma kann verbliebenes Tumorgewebe erkennen, ohne auf zeitaufwendige histologische Verfahren und große, beschriftete Datensätze in der medizinischen KI angewiesen zu sein, die rar sind“, erklärt Honglak Lee, Mitautor und Professor für Informatik und Ingenieurwesen an der U-M. Die Aufnahme von Bildern mit voller Auflösung dauert bei der stimulierten Raman-Histologie etwa 100 Sekunden, ein Bild mit geringerer Auflösung im „Schnellmodus“ benötigt nur zehn Sekunden. Die Forscher fanden heraus, dass das Modell mit voller Auflösung eine Genauigkeit von bis zu 92 Prozent erreichte, während die Genauigkeit des Schnellmodus mit etwa 90 Prozent etwas geringer war. „Das bedeutet, dass wir Tumorinfiltrationen innerhalb von Sekunden mit extrem hoher Genauigkeit erkennen können, was den Chirurgen darüber informieren könnte, ob während einer Operation eine weitere Resektion erforderlich ist“, erklärte Hollon. Die Zukunft der KI bei Krebs Den Autoren zufolge ist FastGlioma nicht nur ein zugängliches und erschwingliches Werkzeug für neurochirurgische Teams, die Gliome operieren, sondern kann den Resttumor auch bei verschiedenen Nicht-Gliomen genau erkennen, darunter pädiatrische Hirntumore wie Medulloblastom und Ependymom sowie Meningeome. Diese Ergebnisse zeigen den Vorteil von visuellen Grundmodellen wie FastGlioma für medizinische KI-Anwendungen und das Potenzial, auf andere menschliche Krebsarten zu verallgemeinern, ohne dass ein umfangreiches Neutraining oder eine Feinabstimmung des Modells erforderlich ist“, erklärte Co-Autor Aditya S. Pandey, M.D., Vorsitzender der Abteilung für Neurochirurgie an der U-M Health. „In zukünftigen Studien werden wir uns darauf konzentrieren, den FastGlioma-Workflow auf andere Krebsarten anzuwenden, darunter Lungen-, Prostata-, Brust- sowie Kopf- und Halskrebs.“ (ej)
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