Gonorrhö: Partieller Schutz durch Meningokokken-B-Impfstoff17. April 2025 © designua – stock.adobe.com (Symbolbild) Die Zahlen sexuell übertragbarer Krankheiten steigen weiter an. Zum Schutz vor Gonorrhö könnte die Impfung mit einer Meningokokken-B-Vakzine für bestimmte Gruppen als zusätzliche Präventionsmaßname sinnvoll sein. Nach Angaben des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) nehmen sexuell übertragbare Infektionen (STI) in Europa drastisch zu. Die Zahl der gemeldeten Fälle im Vergleich zum Vorjahr stieg im Jahr 2022 deutlich an: Gonorrhö-Fälle um 48 Prozent, Syphilis-Fälle um 34 Prozent und die Chlamydien-Fälle um 16 Prozent. Die Gonorrhö (Tripper) ist eine der häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen weltweit. Im Jahr 2018 war die Gonorrhö mit über 100.000 Infektionen aus 28 Ländern die zweithäufigste gemeldete STI in der Europäischen Union. Für Deutschland gibt es noch keine landesweiten Daten – eine Meldepflicht für Gonokokken-Infektionen ist erst 2022 eingeführt worden. Aber Daten aus Sachsen (Labormeldepflicht) zeigen, dass sich dort die Gonorrhö-Diagnoserate in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat. Die Gründe für den Anstieg und die Verbreitung bei jungen, sexuell sehr aktiven Menschen und bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), sind vielfältig: „Sex ohne Kondom“ gehört dazu. „Gonorrhö wird nicht immer gleich erkannt, viele Infizierte haben keine Symptome, können den Erreger dann aber trotzdem weitergeben“, sagt Prof. Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen STI Gesellschaft (DSTIG) und Mitglied im Vorstand der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Zu den Komplikationen der Gonorrhö gehören Entzündungen des Hodens und Nebenhodens oder der Prostata sowie Harnwegsverengungen bei Männern, Entzündungen des weiblichen Genitaltrakts, Eileiterschwangerschaft und Unfruchtbarkeit bei Frauen. Abhängig von der Sexualpraktik kann die Gonorrhö auch im Mund- oder Rachenraum sowie im Analbereich (hier oft beschwerdefrei oder nur leichte Rötung und Reizung) auftreten. An einer Gonorrhö kann man mehrmals erkranken. Resistenzen nehmen zu Für die Behandlung der Gonorrhö gilt als Standardtherapie die Gabe des Antibiotikums Ceftriaxon, bei dem sich der Resistenzanteil in Deutschland in den letzten Jahren auf niedrigem Niveau jeweils unter 1 Prozent beläuft. In China liegt die Rate jedoch in einigen Regionen schon bei 25 Prozent. Anders sieht es bei dem bis vor einigen Jahren als First-Line-Antibiotikum eingestuften Azithromycin aus. Hier stieg die Resistenz von 3,5 Prozent im Jahr 2018 auf 24,6 Prozent im Jahr 2023. „Wenn die Zunahme der Fälle voranschreitet und zugleich die Wirksamkeit der eingesetzten Antibiotika schwindet, wird die Gonorrhö in naher Zukunft unbehandelbar“, mahnt Brockmeyer. Zum Thema antibiotische STI-Prophylaxe, die beim Schutz vor HIV- und Syphilis-Infektion (Doxy-PrEP) durchaus sinnvoll sein kann, sagt Brockmeyer: „In Deutschland sind aktuell unter 10 Prozent der Gonokokken empfindlich für Doxycyclin. Entsprechend ist auch keine Schutzwirkung gegen Gonorrhö zu erwarten.“ Wegen der hohen Krankheitslast der Gonorrhö und der besorgniserregenden Resistenzsituation wäre eine Impfung das Nonplusultra. „Leider waren die Versuche einer Gonorrhö-Impfung bislang nicht erfolgreich“, sagt Brockmeyer. Umso aufmerksamer wurden STI-Fachleute durch die Ergebnisse verschiedener Beobachtungsstudien, die auf eine Kreuzprotektion einer Meningokokken-B-Vakzine gegen Gonorrhö hinweisen. Meningokokken können eine gefährliche Hirnhautentzündung hervorrufen und sind mit den Gonokokken, den Erregern der Gonorrhoe, verwandt. Studiendaten zur Kreuzprotektion In den USA werteten Forschende Daten von Gesundheitsämtern der Städte New York und Philadelphia aus. Dabei verknüpften sie Daten von 167.706 Menschen im Alter von 16 bis 23 Jahren in den Jahren 2016–2018. Untersucht wurde das Verhältnis von Gonokokken- und Chlamydien-Infektionen und dem jeweiligen MenB-4C-Impfstatus zum Infektionszeitpunkt. Drei Gruppen wurden verglichen: vollständig Geimpfte (mindestens zwei Impfungen mit MenB-4C), unvollständig Geimpfte (nur eine MenB-4C Impfung) und Ungeimpfte. Es zeigte sich, dass in den ersten sechs Monaten nach der letzten Impfung in der Gruppe der unvollständig Geimpften 26 Prozent weniger Gonokokken-Infektionen auftraten. In der Gruppe der vollständig Geimpften betrug die Reduktion sogar 40 Prozent gegenüber der ungeimpften Gruppe. Eine zweite Untersuchung zu den New York- und Philadelphia-Daten zeigte, dass die Auswahl des MenB-Impfstoffs eine zentrale Rolle für den Schutz vor Gonorrhoe spielt. So wurde diese Schutzwirkung nur für den 4CMenB-, aber nicht den MenB-fHbp-Impfstoff gezeigt. Die DSTIG spricht sich dafür aus, Personen mit entsprechendem Bedarf – also Menschen mit einem sehr aktiven Sexualleben, mit kondomlosen Sexualkontakten und wechselnden Partnern – eine Impfung mit dem tetravalenten 4CMenB-Impfstoff als zusätzliche Präventionsmaßnahme anzubieten. „Anhand der aktuell vorliegenden klinischen Daten kann man nicht abschließend einschätzen, ob eine breit angelegte Impfung sinnvoll ist“, merkt Brockmeyer an. Darüber hinaus besteht ein zusätzlicher Benefit in der Verminderung des Risikos einer invasiven Meningokokken-B-Erkrankung, von der gerade MSM in der Vergangenheit durch Ausbrüche, zum Teil mit Todesfolge, betroffen waren. „Eine breite Aufklärung zu STI, die bereits im Kindes- und Jugendalter beginnt, ist die einzige mögliche Strategie“, merkt Prof. Julia Welzel, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Universitätsklinikum Augsburg, Medizincampus Süd, Tagungspräsidentin und Präsidentin der DDG an. Informationen zu STI und dem Schutz vor Infektionen z.B. durch den Gebrauch von Kondomen, die zumindest bis zu 60 Prozent vor sexuell übertragbaren Infektionen schützen, gehören auf den Lehrplan. „Ich wende mich aber auch an die dermatologische Kollegenschaft: Sprechen Sie alle Patientinnen und Patienten aktiv auf das Thema STI an und informieren Sie über Präventionsmöglichkeiten“, appelliert die DDG-Präsidentin.
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