Good Vibrations in Bielefeld: bpt-Intensiv bringt Licht ins Dunkel der Atemwege

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Unter dem Motto „Der schweratmige Patient“ beseitigte die diesjährige bpt-INTENSIV Kleintierfortbildung vom 20. bis 23. Februar in Bielefeld die gravierendsten Fragen zum Thema Atemwege und erzeugte ein Gemeinschaftsgefühl wie in alten Tagen.

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Mehr als 1200 Tierärztinnen und Tierärzte, einige inklusive vierbeiniger Begleitung, 259 Tiermedizinische Fachangestellte (TFAs) und 51 Referenten, Moderatoren und Seminarleiter schlugen zum gemeinsamen Lernen und Feiern in Nordrhein-Westfalen’s achtgrößter Stadt auf. Die charismatische Bielefelder Stadthalle wurde kurzzeitig zum tierärztlichen Wohnzimmer umfunktioniert. Mit 89 Ausstellerfirmen war die Fachmesse gut aufgestellt und regte neben den Vorträgen zum kollegialen Austausch an. Auch in diesem Jahr waren viele altbekannte Gesichter vor Ort, was ein ganz besonderes Gefühl von Zugehörigkeit und Gemeinschaft evozierte. So sagte bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder dann auch: „Der direkte persönliche Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen, die hochqualifizierte fachliche Fortbildung und natürlich der Spaß, den wir auch beim Get Together hatten, bereichern den Berufsalltag und sorgen für enorm viel Motivation.“

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Der Streik der TFAs, den der Bundesverband medizinischer Fachberufe (vmf) für den Kongressfreitag angesetzt hatte, beeinträchtigte den erfolgreichen Verlauf der Fortbildung nicht. Bereits tags zuvor hatte der bpt-Bundesvorstand als die große Tarifkommission des bpt, bei seiner Sitzung noch einmal festgelegt, dass sich der bpt um eine Fortsetzung der Gespräche mit dem vmf bemühen will. Moder dazu: „Die TFAs sind ein überaus wichtiger Teil der Tierarztbranche. Im Spannungsfeld zwischen dem, was Tierbesitzer bereit, oder in der Lage sind, künftig zu bezahlen und dem, was die TFAs an Forderungen vortragen, ist es aktuell sehr schwierig gangbare Kompromisse zu finden, die deutschlandweit tragbar sind.“

Am Freitag arbeitete sich der Vortragszyklus von den Basics am frühen Vormittag, den PD Dr. Eva Eberspächer-Schweda, Wien, einleitete, über Dr. Esther Haßdenteufel und PD Dr. Kerstin von Pückler, beide JLU Gießen, hin zu Dr. Kathleen Höhns, Leipzig. Von Pückler gab in zwei Vorträgen einen röntgenologischen Überblick über die Lunge und ihre Krankheitsbilder, Kathleen Höhns sprach zu Management und Therapie bei durch das Brachyzephalen Syndrom (BZS) bedingter Schweratmigkeit. Höhns Vortrag, den sie zusammen mit Roxana Gherghina vorbereitet hatte, gab einen tiefen Einblick in das Leid, dem die anatomisch sprichwörtlich zu kurz gekommenen Brachyzephalen Rassen im Extremfall ausgesetzt sind. Bei der „Akuten Brachyzephalie“, kommt es zu einer plötzlichen Dekompensation angeborener Pathologien. Höhns wies darauf hin, dass die Besitzer die Probleme laut einer Studie nachweislich falsch einschätzten (Packer et al., 2012). Außerdem seien bereits junge Tiere betroffen und es sei manchmal schwierig, den Hundebesitzern klarzumachen, dass „sich da nichts verwächst“, im Gegenteil, die Symptome nähmen in der Regel mit dem Alter zu. Zu den Hauptbefunden im Rassevergleich zählt unter zahlreichen anderen Beeinträchtigungen die Naresstenose, die gleichermaßen häufig bei Mops und Französischer Bulldogge auftritt. Laryngozelen und Kollaps des Kehlkopfknorpels treten hingegen gehäuft bei Möpsen auf, während normozephale Hunde im Vergleich dazu keine Pathologien des oberen Atmungstraktes aufweisen. Bei hochgradig betroffenen Tieren bestehe manchmal die einzige Option in der Multilevelchirurgie. Als negativ prognostisch sei die Kombination junges Alter und Vorliegen schwerer Symptome anzusehen, ebenso Adipositas und eine extreme Körperkonstitution, sowie viele weitere Befunde. An operativen Möglichkeiten stehen heutzutage unter anderem neben der modernen Nareskorrektur, auch die „kalte“ Staphylektomie, die in einer Kürzung und Volumenreduktion des Gaumensegels besteht, die Tonsill-, sowie die Laryngoektomie, die laserassistierte Turbinektomie (LATE) und die Extraktion aberrant wachsender Konchen zur Verfügung. Um die Schritte eines operativen Eingriffes optimal abwägen zu können, bedarf es neben Anamneseerhebung und klinischem Bild auch computertomographischer und endoskopischer Befunde. Die Narkose ist kurz möglichst zu wählen, eine Kombination mit anderen Eingriffen (z. B. Kastration) ist zu vermeiden, ebenso darf keine Kombination von Turbinektomie und umfassender Larynx-Chrirugie vorgenommen werden, sowie keine Elektrochirurgie zum Einsatz kommen, außer zur Blutstillung. Das OP-Team muss auf postanästhetische und -operative Komplikationen vorbereitet sein. Im äußersten Notfall sei bei einem Laryngospasmus etwa eine Tracheotomie resp. Tracheostoma angezeigt, was jedoch eine unbefriedigende Lösung mit hoher Komplikationsrate darstelle. Eine andere Option erläuterte Höhns in ihrer Falldarstellung am Samstag, in der sie das Setzen eines retropharyngealen Tubus als absolute Notfallmaßnahme beschrieb, sowie die transmylohyoide orotracheale Intubation (TOI), deren Vorteil unter anderem in der Schonung sensibler Bereiche wie Vena jugularis, Speicheldrüsen und Lymphknoten liegt.

Lia, Balou und ihre zweibeinigen Begleiterinnen, die Tierärztinnen Tanja Krüger und Christina Klöpping, hatten eine gute Zeit in Bielefeld. Foto: © SG

Natürlich kam auch dieses Jahr die Berufspolitik nicht zu kurz. Neben den Sitzungen von Präsidium und Vorstand des bpt und der Mitgliederversammlung der bpt-Fachgruppe Kleintierpraxis stellte sich das neugewählte Präsidium vor und präsentierte seine Aufgabenverteilung in der Wahlperiode 2024 – 2029 in der Berufspolitischen Veranstaltung. Im Austausch mit dem Publikum wurde diskutiert, welche Schwerpunkte der bpt setzen soll und welche Forderungen an die Politik besonders dringlich sind. Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes, Förderung der Selbständigkeit, Unterstützung für selbständige Mütter im Mutterschutz, Bürokratieabbau, regelmäßige Anpassung der GOT, mentale Gesundheit und vieles mehr wurden besprochen und kurz skizziert, wohin die Reise gehen soll und welche Forderungen der bpt an die neugewählte Regierung stellen wird.

Die Tierärztinnen, Tanja Krüger und Christina Klöpping, beide in der Tierarztpraxis Tanja Krüger, Bad Salzuflen, tätig, haben gemeinsam mit den Hunden Lia, acht Jahre und Balou, anderthalb Jahre, zwei gute Tage in Bielefeld verbracht. „Der Samstag mit den Falldarstellungen war aufgrund des praktischen Bezuges der interessantere Teil“, so Dr. Klöpping. Damit fällt ihr Urteil genauso aus wie bei den anderen befragten Kolleginnen und Kollegen. Die Fallvorstellungen erfreuten sich auch in diesem Jahr regen Zuspruchs.

So sah das auch Dr. Marlis Bartusch, Tierärztliche Gemeinschaftspraxis Bartusch & Oesterreich in Hannover. Ihr hat die Fallvorstellung von Dr. Jennifer von Luckner besonders gut gefallen. „Wie so oft hat Frau Dr. von Luckner alles inklusive geliefert: Ausgezeichnete Arbeitsunterlagen, einen praxisrelevanten Fall und ausgesprochen hilfreiche Hinweise zu Diagnostik und Therapie. Ihre Vorträge sind immer auf den Punkt, ein echter Zugewinn an Wissen.“

Von Luckner, Ahlen, hatte von einem Fall von Pure Red Cell Aplasia (PRCA), einer Immun-Reaktion gegen Erythrozyten-Vorläufer, bei einer zweijährigen EKH, wk, namens „Sazette“ berichtet. Das trotz massiv reduziertem Allgemeinbefinden noch immer wehrhafte Tier war mit weißen Schleimhäuten, Maulatmung und einer Herzfrequenz von 230/min. vorgestellt worden. Mittels Präoxygenierung in einem Sauerstoffkäfig konnte bei Sazette unter Sedation und Intubation ein Venenzugang für eine sofortige Bluttransfusion gelegt werden. Von Luckner betonte, dass in solch kritischen Fällen, die Hauptdifferenzialdiagnosen vorab eingegrenzt werden müssen, um nur die essenziellen, zur Diagnose unabkömmlichen Untersuchungen am Tier durchzuführen. Auch sei in die diagnostischen Überlegungen mit einzubeziehen, dass bei einem derart anämischen Patienten nicht viel Blut zu gewinnen sein dürfte – und sollte. Sazette’s Hämatokrit lag bei 7,4 %. In gewohnt strukturierter Weise führte sie das Auditorium durch die Anamnese, die sie als eigenständiges Diagnostikum ansieht, gefolgt von weitreichenden diagnostischen Überlegungen. Zunächst müsse entschieden werden, ob ein Schockgeschehen oder eine Anämie vorläge. Im Falle der Anämie, die aufgrund anamnestischer Hinweise und klinischer Symptome im zeitlichen Verlauf die wahrscheinlichere Alternative sei, müsse zwischen regenerativer Anämie und nicht-regenerativer unterschieden werden. Auch räumte sie die Möglichkeit eines prä-regenerativen Zeitfensters ein, also falls es sich zwar um eine regenerative Anämie handele, aber schlicht zu früh im zeitlichen Verlauf für eine sichtbare Regeneration sei. Die Erläuterungen schlossen sowohl einen Exkurs zur Autoagglutination ein, als auch einen über die Tücken einer Xenotransfusion bei der Katze. Letztere kann im Notfall, wenn keine Spenderkatze aufzutreiben ist, bei der Katze zwar angewendet werden – jedoch nur ein einziges Mal.

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Von Luckner betonte, dass, selbst wenn es theoretisch drei Tage dauere bis Antikörper gebildet würden, von einer zweiten Xenotransfusion bei der Katze dringend abzuraten sei, egal zu welchem Zeitpunkt. So war eine Katzenpatientin in einem anderen Fall an einer zweiten Xenotransfusion, die mangels Alternativen 24 Stunden nach der ersten vorgenommen worden war, verstorben. In puncto Immunsuppression sagte von Luckner gebe sie sehr schnell Ciclosporin zum Prednisolon dazu, auch wenn sie weiß, dass das nicht jede oder jeder so praktiziere. Sie habe gute Erfahrungen mit Ciclosporin bei der Katze gemacht. Prednisolon auf lange Zeit sei mit zu vielen Nebenwirkungen verbunden, wie etwa der Entwicklung eines Diabetes mellitus. Generell sei von einer Therapie auf Lebenszeit auszugehen und hier sei es besser, die Dosis zu reduzieren, als die Medikation ganz abzusetzen. Denn nach Absetzen des Immunsuppressivums sei mit Rezidiven zu rechnen, die schwieriger in den Griff zu kriegen seien als das Erstauftreten von PRCA. Sazette jedenfalls hat es geschafft und zeigte sich mit zunehmender Genesung äußerst wehrhaft. Die komplette Rückkehr des Kampfgeistes als Zeichen der Lebensbereitschaft. Der Sonderbonus beim Patient Katze.

Die “Konkurrenz” 😉 schläft nicht – auf vielen Fortbildungen anzutreffen – und so auch in Bielefeld – ist Tierarzt Tim Gröber vom Kleintierzentrum Asterlagen in Duisburg mit Chihuahua Freitag. Foto: © SG

Dr. Jan-Gerd Kresken von der Tierärztlichen Klinik am Kaiserberg in Duisburg, der auch maßgeblich an der Planung der diesjährigen bpt-Fortbildung mitgewirkt hat, referierte am Freitag über Erkrankungen des linken Herzens. Am Samstag präsentierte er den Fall einer siebeneinhalb Monate alten Katze der Rasse British Kurzhaar (BKH), die wegen Inappetenz, beschleunigter Atmung und erhöhter Herzfrequenz in der TK vorgestellt wurde. Das Tier war drei Tage zuvor vom Haustierarzt kastriert worden. Seit der Kastration war die Katze auffallend schlapp. Am dritten Tag post-OP hatte sich der Zustand etwas verschlechtert, sodass sich die Besitzer entschlossen, die Klinik aufzusuchen. Sie taten dies am späten Abend. Die in der Nacht angefertigten Röntgenbilder führten zur Arbeitsdiagnose Lungenödem und leichter Thoraxerguss unklarer Genese. Ein bei Aufnahme durchgeführter FAST Scan ergab eine HF von 140/min., was normal bis langsam erschien beim Vorliegen einer Dyspnoe. Der linke Vorhof präsentierte sich normal groß, während das Myokard verdickt erschien. Die Untersuchung auf B-Lines in der Lungensonographie bestätigte das Vorliegen eines Lungenödems, ein Perikard- oder Thoraxerguss war hingegen nicht vorhanden. Die Katze wurde stationär aufgenommen. Sie wurde in eine Sauerstoffbox verbracht und mittels Furosemid-Dauertropf therapiert. Am Vormittag nahm ein Kardiologe einen Herzultraschall vor, der keinen Hinweis auf ein kardial bedingtes Lungenödem erbrachte. Unterdes wurde die Furosemidtherapie fortgesetzt. Auf Wunsch der Besitzer erfolgte am Nachmittag die vorzeitige Entlassung der Katze. Drei Tage nach Erstaufnahme wurde sie jedoch wieder vorgestellt mit erneuter Atemsymptomatik, da die Besitzer die Medikamente am Vortag nicht verabreichen konnten. Die Katze erhielt erneut einen Furosemid-Dauertropf und konnte nach unauffälliger Echokontrolle am Folgetag entlassen werden. Nach der Fallvorstellung bat Jan-Gerd Kresken um Handzeichen, wer von den anwesenden Tierärzten bereits Erfahrungen mit einem postoperativen Lungenödem bei der Katze gemacht hatte.

Das bei dieser Katzenpatientin als Auslöser des kongestiven Herzversagens (CHF) vermutete „Phänomen“, als transiente myokardiale Verdickung (transient myocardial thickening, TMT) bekannt, das klinisch durch ein Lungenödem in Erscheinung trat resp. auffällig wurde, stellt eine wichtige Differenzialdiagnose zur Hypertrophen Kardiomyopathie bei der Katze dar. Bei der TMT kann sich das Herz im Unterschied zur HCM jedoch wieder erholen.

Die Prognose bei Katzen mit CHF, die mit einer TMT assoziiert ist, ist deutlich besser als bei HCM, wie eine Studie (Novo Matos J et al., 2018, s. unten) zeigen konnte.

Kresken gab als wichtigste Differenzierungskriterien zur HCM der Katze folgende Punkte, die in der Studie erhoben wurden, an: nach ca. drei Monaten ist eine Erholung des Herzens bei TMT feststellbar, der linke Vorhof stellt sich im Herzultraschall kleiner dar als bei der HCM, das Myokard des linken Ventrikels ist bei TMT im Vergleich zu Katzen mit HCM dünner und bei der Langzeitkontrolle der TMT-Patienten erweist es sich als noch dünner, d. h. makroskopisch ist eine Regression nachweisbar. Außerdem sei das Troponin I median höher bei Katzen mit TMT. Zudem führte er vorausgehende Ereignisse auf, die zur Diskussion stünden, eine TMT mit Lungenödem zur Folge haben zu können, wie etwa eine Vollnarkose, ein Autounfall, Bissverletzungen, Fieber und Pneumonie etc. Als auslösende Medikamente stünden Antibiotika, NSAID, Opiate, DTI, Kortikosteroide, Bronchodilatatoren, sowie Antacida im Raum. Basierend auf einer Studie von Novo Matos et al., 2017, gingen Überlegungen dahin, dass „bei der vorliegenden Katzenpatientin ätiologisch an die im Rahmen der Anästhesie verabreichten Sedativa und Narkotika ob flüssig oder gasförmig zu denken sei“ und dass „die Entstehung des akuten Lungenödems auf Zellmembranschäden in Herz und Lunge basiere, also einer Kombination von TMT und einem akuten Atemnotsyndrom (ARDS)“. Daher seien beim Auftreten von TMT anamnestisch die Medikamente zu erfassen und auch spezielle Kombinationen von Medikamenten. Das Ziel weiterer Untersuchungen läge in der Erfassung einer möglichen Phamakovigilanz und in der Prävention von Rezidiven bei erneut notwendiger Anästhesie eines Patienten, der von TMT betroffen war. Eine spannende Aufgabe.

Im kommenden Jahr widmet sich die bpt-INTENSIV Kleintierfortbildung vom 26. Februar bis 01. März 2026 in Bielefeld dem Thema „Gastroenterologie“.

Floris und seine Tierärztin werden sicher auch wieder da sein. Foto: © SG