GPCRs: Forschende „filmen“ die Aktivierung eines wichtigen Rezeptors4. April 2024 Rezeptor (violett) und G-Protein (gelb und blau) wurden zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Aktivierung eingefroren. Anhand der Standbilder konnten die molekularen Änderungen während der Aktivierung Schritt für Schritt nachvollzogen werden. Ausschnitt: Ein Teil des G-Proteins (gelb) klappt entlang eines Scharniers (roter Pfeil) mehr und mehr um, bis die Öffnung sich schließt.Illustration.©FAU/Stefan Löber Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, die Aktivierung eines wichtigen Rezeptors zu „filmen“. Dazu haben sie die beteiligten Moleküle zu verschiedenen Zeitpunkten eingefroren und unter dem Elektronenmikroskop fotografiert. Die so erhaltenen Standbilder konnten sie dann zu einer Sequenz zusammensetzen, die zeigt, welche räumlichen Änderungen der Rezeptor bei seiner Aktivierung durchläuft. Zellen kommunizieren über Signalmoleküle miteinander, die sie mit speziellen Rezeptoren wahrnehmen. Eine besonders wichtige Gruppe von Rezeptoren sind die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCRs). „Es gibt beim Menschen mehr als 800 GPCRs, von denen jeder auf die Wahrnehmung eines spezifischen Signals spezialisiert ist“, erklärt Prof. Peter Gmeiner vom Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). „Wir haben in unserer Studie einen ganz bestimmten davon untersucht – den b2-adrenergen Rezeptor. Er wird durch Adrenalin aktiviert. Zeitlich aufgelöste Kryo-Elektronenmikroskopie Dem internationalen Team unter Leitung von Georgios Skiniotis und Mitwirkung von Brian Kobilka, beide von der Stanford University, USA, Peter Hildebrand, Universität Leipzig und Charité Berlin, sowie Peter Gmeiner ist es gelungen, den Vorgang der Rezeptoraktivierung Schritt für Schritt nachzuvollziehen. Dazu nutzten die Forschenden eine spezielle Methode, die zeitlich aufgelöste Kryo-Elektronenmikroskopie. Dabei wird der Komplex aus Rezeptor und G-Protein kurz nach der Aktivierung bei -150 Grad „schockgefroren“. „Unter dem Mikroskop erhalten wir eine Reihe unterschiedlicher Standbilder“, erklärt Gmeiner. „Unterschiedlich deshalb, weil die Tausenden von Molekülen, die wir mikroskopieren, nie ganz synchron sind. Aufgrund ihrer natürlichen Beweglichkeit gibt es welche, die in einem etwas früheren Stadium der Aktivierung eingefroren wurden, und andere, die sich gerade in einem weiter fortgeschritten Zustand befinden.“ Diese „Schockfrostung“ lässt sich nun zu verschiedenen Zeiten nach der Aktivierung wiederholen. Aus den Fotos, die so entstehen, lässt sich Schritt für Schritt rekonstruieren, was bei diesem Vorgang genau geschieht – und zwar in atomarer Auflösung. „Wir konzentrieren uns in unserer Arbeit vor allem auf die Änderungen der räumlichen Struktur des G-Proteins, die nach Bindung des Wirkstoffs an den b2-adrenergen Rezeptor ausgelöst wird“, so Gmeiner. Dass das Ganze überhaupt funktioniert, ist vor allem einem wichtigen Beitrag seiner Arbeitsgruppe geschuldet: Ihr ist es nämlich kürzlich gelungen, eine Art „Super-Adrenalin“ herzustellen, das besonders gut an den b2-Rezeptor bindet. „Durch diese starke Bindung wird der Komplex aus Rezeptor und G-Protein stabilisiert“, sagt der FAU-Wissenschaftler. Normalerweise übernehmen sogenannte Adapter-Eiweiße diese Aufgabe. Sie wirken wie ein molekularer Kaugummi und halten den Komplex zusammen. „Das machen sie aber so gut, dass sich unter dem Kryo-Mikroskop gar keine Zwischenschritte der Aktivierung mehr beobachten lassen“, erörtert Gmeiner. Dank seines „Super-Adrenalins“ konnten die Forscher auf die Adapter-Eiweiße verzichten – der Rezeptor-G-Protein-Komplex ist auch ohne sie stabil genug. „Erst dadurch ließen sich die Bewegungsvorgänge sichtbar machen.“ Entwicklung neuer Arzneistoffe ermöglichen Die Ergebnisse können möglicherweise die Entwicklung neuer Arzneistoffe erleichtern – und zwar nicht nur solcher, die auf den b2-adrenergen Rezeptor wirken. Denn GPCRs gelten allgemein als zentral für die Bekämpfung von Krankheiten. Fast ein Drittel der heute zugelassenen Arzneistoffe beeinflussen die Funktion dieser Rezeptoren – etwa indem sie die Übertragung der Signale in die Zelle verstärken oder abschwächen. „Die zeitaufgelöste Kryo-Elektronenmikroskopie erleichtert es, besonders effektive, zielgenaue und damit nebenwirkungsarme Wirkstoffe zu entwickeln“, hofft Gmeiner. Ein genaues Verständnis der molekularen Arbeitsweise der Rezeptoren und ihrer G-Proteine ist dafür immens wichtig. Das dokumentiert auch der Nobelpreis, den Brian Kobilka – einer der Beteiligten der aktuellen Publikation in „Nature“ – vor einigen Jahren erhalten hat: Ihm war es erstmals gelungen, die dreidimensionale Struktur eines GPCRs mithilfe der Röntgenkristallographie aufzuklären – und zwar in drei unterschiedlichen Zuständen mit atomarer Auflösung. Auch dabei kam bereits ein von der Arbeitsgruppe von Gmeiner maßgeschneiderter Wirkstoff zum Einsatz.
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