Große Studie untersucht Zusammenhang zwischen verkehrsbedingter Luftverschmutzung und kindlichem Asthma18. April 2019 Foto: © gustavofrazao/Fotolia Die ersten weltweiten Zahlen dieser Art, so berichten die Autoren einer neuen Studie, deuteten darauf hin, dass mehr als einer von zehn Fällen kindlichen Asthmas jedes Jahr mit verkehrsbedingter Luftverschmutzung in Zusammenhang stehen könnte. Das hätten die Auswertungen von Daten zu Kindern aus 194 Ländern und 125 Großstädten weltweit ergeben, wie es in der Studie heißt, die gerade in „The Lancet Planetary Health“ veröffentlicht wurde. Da sich 92 Prozent dieser Asthmafälle in Regionen entwickelten, in denen die Werte für verkehrsbedingte Luftverschmutzung unterhalb den von der Weltgesundheitsorganisation WHO herausgegebenen Richtlinien liegen, fordern die Studienautoren, dass die Grenzwerte erneut überprüft werden müssen. “Die Stickstoffdioxidbelastung scheint ein wesentlicher Risikofaktor für das Auftreten von Asthma bei Kindern in entwickelten und in Entwicklungsländern zu sein, insbesondere in städtischen Gebieten”, sagt Seniorautorin Dr. Susan Anenberg von der George Washington University. “Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Richtlinie der WHO für die durchschnittlichen NO2-Konzentrationen möglicherweise überarbeitet werden muss und dass die Verkehrsemissionen ein Ziel zur Minderung der Exposition sein sollten.” Hauptautor Ploy Achakulwisut, ebenfalls von der George Washington University, fügt hinzu: “Unsere Studie zeigt, dass politische Initiativen zur Verringerung der verkehrsbedingten Luftverschmutzung die Gesundheit von Kindern verbessern und auch die Treibhausgasemissionen reduzieren können. Zu den jüngsten Beispielen zählt die Elektrifizierung der gesamten Busflotte in Shenzhen und die City-Maut in Londons Ultra Low Emission Zone.” Weltweit ist Asthma die häufigste nicht übertragbare Krankheit bei Kindern, und laut WHO ist die Prävalenz seit den 1950er-Jahren dramatisch angestiegen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die verkehrsbedingte Luftverschmutzung kann zur Entwicklung von Asthma führen, da Schadstoffe die Atemwege schädigen und zu Entzündungen führen können, die bei genetisch entsprechend veranlagten Kindern Asthma auslösen. Obwohl noch nicht klar ist, welcher spezifische Schadstoff im verkehrsbedingten Luftverschmutzungsgemisch die Ursache für die Entwicklung von Asthma ist, deuten Untersuchungen der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency) und von Health Canada darauf hin, dass wahrscheinlich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer langfristigen Exposition gegenüber NO2 und der Entwicklung von Asthma bei Kindern besteht. In der neuen Studie verwendeten die Autoren NO2 als Surrogat für das verkehrsbedingte Luftverschmutzungsgemisch, um sich speziell darauf zu konzentrieren, welche Auswirkungen dies auf die Entstehung von Asthma bei Kindern hat. NO2 ist ein Schadstoff, der hauptsächlich durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe gebildet wird, und Verkehrsemissionen können in Städten bis zu 80 Prozent des NO2 in der Umwelt ausmachen. NO2 ist nur eine Komponente der Luftverschmutzung, die aus vielen Schadstoffen (einschließlich Feinstaub, Ozon, Kohlenmonoxid) besteht, von denen bekannt ist, dass sie zahlreiche negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Die Autoren kombinierten einen globalen Datensatz von NO2 in der Umwelt (abgebildet in den Daten aus Stationen auf Bodenniveau, Satellitendaten und Variablen der Landnutzung wie Straßennetze) mit Informationen zur Bevölkerungsverteilung und zum Auftreten von Asthma, um die Anzahl der neuen Fälle von Asthma unter Kindern im Alter zwischen einem und 18 Jahren im Zusammenhang mit verkehrsbedingter Luftverschmutzung zu berechnen. Weltweit gesehen deuten die Schätzungen darauf hin, dass jedes Jahr 170 neue Fälle eines verkehrsbedingten Asthmas pro 100.000 Kinder auftreten. 13 Prozent der jährlich diagnostizierten Fälle von Asthma bei Kindern seien mit verkehrsbedingter Luftverschmutzung verbunden. Das Land mit der höchsten Rate an kindlichem Asthma, bei dem von einem Zusammenhang mit verkehrsbedingter Luftverschmutzung ausgegangen wird, war Kuwait (550 Fälle pro 100.000 Kinder pro Jahr), gefolgt von den Vereinigten Arabischen Emiraten (460 pro 100.000) und Kanada (450 pro 100.000). In den 125 untersuchten Städten gab es große Unterschiede in der geschätzten Rate von kindlichem Asthma mit einer Assoziation zu verkehrsbedingter Luftverschmutzung: Die Anteile reichten von 83 Fällen pro 100.000 Kinder pro Jahr in Orlu (Nigeria) bis zu 690 Fällen pro 100.000 Kindern in Lima (Peru). Diese Raten verkehrsbedingten Asthmas werden beeinflusst durch die Asthmaraten insgesamt und durch das Ausmaß der Luftverschmutzung. Die Studienautoren glauben, dass die Zahlen für viele Länder mit geringem und mittlerem Einkommen zu niedrig geschätzt sein könnten, weil Asthmaerkrankungen in diesen Regionen nicht selten undiagnostiziert bleiben. Die größte Anzahl von Fällen von durch verkehrsbedingter Luftverschmutzung bedingtem Asthma wurde für China festgestellt (760.000 Fälle), was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass China die zweitgrößte Population von Kindern und die dritthöchste NO2-Konzentration aufweist. Obwohl Indien weniger als halb so ist wie China, trat hier aufgrund der hohen Zahl von Kindern die nächstgrößte Anzahl von Fällen auf (350.000). Die USA (240.000), Indonesien (160.000) und Brasilien (140.000) zeigten die nächstgrößten Belastungen, wobei die USA von diesen drei Ländern die höchsten Verschmutzungsgrade aufwiesen, während in Indonesien die höchsten zugrunde liegenden Asthmaraten beobachtet wurden. Das Land mit dem höchsten Prozentsatz kindlichen Asthmas, dass auf verkehrsbedingte Luftverschmutzung zurückzuführen ist, war Südkorea (31%), gefolgt von Kuwait (30%), Katar (30%), den Vereinigten Arabischen Emiraten (30%) und Bahrain (26%). Großbritannien lag auf Rang 24 von 194 Ländern, die USA auf Platz 25, China auf 19 und Indien auf 58. Die Autoren erklären, dass Indien bei dieser Berechnung hinter den anderen Ländern liegt, weil die Menge anderer Schadstoffe (insbesondere PM2,5) in Indien zwar zu den höchsten der Welt zählt, die NO2-Werte in den indischen Städten im Zeitraum 2010-2012 aber offenbar unter den in europäischen und US-amerikanischen Städten lagen oder damit vergleichbar waren. Zwei Drittel der Asthma-Fälle im Zusammenhang mit verkehrsbedingter Luftverschmutzung traten weltweit in Stadtzentren auf; wurden die Vororte mit eingeschlossen, stieg dieser Anteil auf 90 Prozent der Fälle. Der Prozentsatz neuer Asthmafälle, die auf die verkehrsbedingte Luftverschmutzung in der Stadt zurückzuführen sind, reichte von 6% in Orlu (Nigeria) bis 48% in Shanghai (China) und spiegelte weitgehend die Schwankungen der NO2-Exposition in jeder Region wider. Von den zehn Städten mit dem höchsten Anteil an Asthmafällen im Zusammenhang mit verkehrsbedingter Luftverschmutzung befanden sich acht in China (Shanghai, Tianjin, Peking, Shenyang, Xi’an, Taiyuan, Zhengzhou und Harbin) neben Moskau (Russland) und Seoul (Südkorea) – in all diesen Städten waren die NO2-Konzentrationen hoch. Paris lag an 21. Stelle (33%), New York an auf Platz 29 (32%), London auf Platz 35 (29%) und Neu Delhi auf Platz 38 (28%). Die Autoren stellen einige Einschränkungen fest, unter anderem, dass Studien, die eine verkehrsbedingte Luftverschmutzung mit Asthma verbinden sowie Daten zur NO2-Überwachung zum größten Teil aus Nordamerika, Europa und Ostasien stammen. Zudem stünden die bodennahen NO2-Mess-Stationen vor allem in Städten, wodurch die Belastung in ländlichen Gegenden wohl überschätzt werde. Aufgrund der begrenzten Datenverfügbarkeit bezogen sich die Informationen zu NO2 in dieser Studie auf die Jahre 2010 bis 2012, während die Bevölkerungsdaten und die Asthma-Inzidenzraten sich auf das Jahr 2015 beziehen. Vor dem Hintergrund aktueller globaler Veränderungen in Bezug auf die NO2-Belastung (Abnahmen in US-amerikanischen und europäischen Städten, Zunahmen in Asien) seien die Berechnungen möglicherweise ungenau, erklären die Wissenschaftler. In einem die Veröffentlichung begleitenden Leitartikel schreibt Prof. Rajen N. Naidoo von der University of KwaZulu-Natal (Südafrika): „Ein wichtiges Ergebnis dieser Studie ist die weitere Evidenz dafür, dass die bestehenden WHO-Standards keinen Schutz vor kindlichem Asthma bieten. Achakulwisut und Kollegen schätzten, dass etwa 92 Prozent der Inzidenz kindlichen Asthmas, das auf eine NO2-Exposition zurückzuführen ist, in Gegenden auftritt, in denen die NO2-Belastung unter den von der WHO vorgegebenen Jahresdurchschnittswerten liegen. Dies stützt die Auffassung, dass diese globalen Standards nach unten korrigiert und die nationale Politik in Ländern ohne Standards für die Luftqualität stärker eingreifen muss. Zudem unterstützen diese Ergebnisse nicht nur den Zusammenhang einer NO2-Exposition mit der Inzidenz kindlichen Asthmas, sondern unterstreicht auch – weil diese Belastung hier als Stellvertreter für die allgemeine verkehrsbedingte Luftverschmutzung dient – dass dringend gehandelt werden muss, um die Gesundheit der am stärksten gefährdeten Personen in der Gesellschaft zu schützen: Die der Kinder, insbesondere derjenigen mit einer bereits bestehenden Atemwegserkrankung.“
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