Grundlagenforschung: Ursache und neue Therapie für Köhlmeier-Degos-Krankheit identifiziert

Interferon beta. Modell-Darstellung. © petarg-adobe.stock,com

Einem Forschungsteam aus Greifswald und Berlin ist es gelungen, die Ursache und eine Therapie für eine Patientin mit der seltenen und unheilbaren Köhlmeier-Degos-Krankheit zu finden.

Seltene Erkrankungen sind eine Herausforderung für Patienten, ihre Familien und die behandelnden Ärzte. Sie sind schwer zu diagnostizieren und verursachen zum Teil schwerwiegende körperliche und geistige Einschränkungen. Häufig gibt es keine Therapie. Mit wenigen hundert Fällen weltweit ist die Köhlmeier-Degos-Krankheit extrem selten. Die Betroffenen leiden unter einer Entzündung der Haut und der Gefäße, die auch innere Organe oder das Gehirn schädigen und damit lebensbedrohlich sein kann. Die Ursache für die Degos-Krankheit war bislang unbekannt und als Therapie stand nur die wenig erfolgreiche Behandlung mit Gerinnungshemmern zur Verfügung.

Die betroffene Patientin aus der Studie hatte bei der Einweisung in die Charité Universitätsmedizin Berlin schon einen Diagnosemarathon hinter sich und es ging ihr sehr schlecht. Vieles sprach für eine entgleiste Entzündungsreaktion mit Schäden an inneren Organen wie Herz- und Skelettmuskel, des peripheren Nervensystems und des Gehirns, sodass das Krankheitsbild als Köhlmeier-Degos-Erkrankung eingeordnet wurde.

Über einen speziellen diagnostischen Test stellte das Team um Prof. Elke Krüger, Direktorin des Institutes für Medinische Biochemie und Molekularbiologie der Universitätsmedizin Greifswald, eine überaktive Immunantwort mit dem Botenstoff Interferon fest. Interferon wird normalerweise in Antwort auf eine Virusinfektion ausgeschüttet und regt in Immunzellen über deren Interferon-Rezeptoren Signalkaskaden zur Bekämpfung des Virus an.

Eine genetische Analyse erhärtete den Verdacht. Eine bisher unbekannte Mutation im Interferon-Rezeptor verursachte diese ungebremste Entzündungsreaktion mit Organschäden. “Mechanistisch führt diese genetische Veränderung zu einem Anteil verkürzter Interferon-Rezeptoren, die nicht mehr an der Zelloberfläche von Immunzellen verankert sind und für deren Überaktivierung sorgen”, erklärt Privatdozent Dr. Frédéric Ebstein vom Institut für Medinische Biochemie und Molekularbiologie der Universitätsmedizin Greifswald, der zusammen mit Dr. Lena-Luise Becker von der Charité Universitätsmedizin Berlin Erstautor der Studie ist. Mit dem molekularen Verständnis konnte nun eine passende Therapie gesucht werden.

Ein Wirkstoff, der in den Interferonsignalweg eingreift und weiterleitende Enzyme der Signalkaskade hemmt, brachte bereits Behandlungserfolg. Dieser sogenannte Januskinase-Inhibitor konnte die überschießende Entzündungsreaktion teilweise unterdrücken. In der Fachliteratur war ein weiteres potenziell passendes, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugelassenes Medikament beschrieben, das direkt an den Interferon-Rezeptor bindet. Nach Rücksprache mit dem Hersteller konnte das Team um Prof. Angela Kaindl in Berlin die Patientin mit diesem monoklonalen Antikörper erfolgreich behandeln. Die Entzündungswerte gingen weitgehend zurück und ihr Zustand verbesserte sich.  

Die Greifswalder Forschenden konnten auch im Labor die veränderten Interferon-Rezeptoren der Patientin mit dem eingesetzten Medikament blockieren und die Überaktivität der Immunzellen wirksam unterdrücken. Damit ist auch der molekulare Wirkmechanismus in diesem speziellen Fall bestätigt.

Ob das Medikament auch anderen Patienten mit Degos-Krankheit helfen kann, ist eine Frage, die weiter erforscht werden muss.