Gutachten präsentiert großes Potenzial ambulant durchführbarer Eingriffe5. April 2022 „Das Gutachten stellt eine wertvolle Vorarbeit für die Erweiterung des AOP-Katalogs dar“, sagt Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband. Foto: GKV-Spitzenverband Ein Gutachten des IGES-Instituts zeigt, dass wesentlich mehr Behandlungen, die bisher im Krankenhaus erbracht wurden, auch ambulant möglich wären. Beauftragt wurde das umfangreiche Gutachten über das Ambulante Operieren im Krankenhaus (AOP) durch den GKV-Spitzenverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Bereits heute erfolgen Leistungen aus dem sogenannten AOP-Katalog, sowohl ambulant als auch stationär. Nach Aussagen der Gutachter könnten die aktuellen Leistungen des AOP-Katalogs um fast 90 Prozent erweitert werden. „Die aktuell möglichen ambulanten Operationen könnten um fast 2500 verschiedene Leistungen ausgeweitet werden. Das entspräche 90 Prozent des bisherigen Leistungsumfangs. Damit belegt das IGES-Gutachten, wie groß und dringend der Ambulantisierungsbedarf in Deutschland ist. Das Gutachten stellt eine wertvolle Vorarbeit für die Erweiterung des AOP-Katalogs dar. Nur so können unnötige stationäre Krankenhausaufenthalte und die damit verbundenen Risiken für die Patientinnen und Patienten vermieden werden. Auch die Krankenhäuser, die Ärzteschaft und das Pflegepersonal werden dadurch entlastet“, sagte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband. „Der GKV-Spitzenverband wird sich in den Beratungen mit der KBV und DKG für eine substanzielle Erweiterung des AOP-Katalogs einsetzen. Wir wollen, dass die Ambulantisierung in Deutschland Fahrt aufnimmt. Das ist ein wichtiges Signal an die Politik“, so Stoff-Ahnis. Die Gutachtenergebnisse werden nun von DKG, KBV und dem GKV-Spitzenverband beraten. Erst nach der inhaltlichen Prüfung kann entschieden werden, welche Leistungen wann und unter welchen Voraussetzungen in den AOP-Katalog aufgenommen werden können. Kernergebnisse des Gutachtens Die Gutachter schlagen 2476 Leistungen im Bereich der ambulanten Operationen und stationsersetzenden Eingriffe auf Basis des Katalogs der verschiedenen Operations- und Prozedurenschlüssel, den sogenannten OPS-Codes, vor. Mit diesen fast 2500 zusätzlichen Leistungen würde der AOP-Katalog (Stand 2019) mit einem Schlag um 86 Prozent erweitert. Neu geschaffen wurde der Bereich der stationsersetzenden (z. B. konservativen) Behandlungen. Hier empfiehlt das Gutachten, 65 Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRGs) in den AOP-Katalog aufzunehmen. Dazu gehören u. a. strahlentherapeutische DRGs und solche im Bereich der nichtkomplexen konservativen Tumorbehandlungen. Für 108 OPS-Kodes aus dem bestehenden Katalog wird empfohlen, gezielt eine Herausnahme aus dem AOP-Katalog zu prüfen. Die Empfehlungen basieren auf einer Potenzialanalyse von stationsersetzenden Leistungen der Krankenhäuser, die grundsätzlich in einem ambulanten Versorgungssetting durchgeführt werden können. Ergänzt werden die Vorschläge mit einem System fallindividueller Kontextprüfungen. Eine solche Kontextprüfung soll regelhaft auf Basis routinemäßig erhobener Daten umgesetzt werden und das Streitpotenzial in der Abrechnungsprüfung reduzieren. Die vorgeschlagenen Kontextfaktoren berücksichtigen sowohl patientenbezogene Merkmale, z. B. Nebendiagnosen, Pflegegrad und Behinderungsgrad, als auch leistungsbezogene Merkmale, z. B. Beatmung, OP-Komplexität und stationärer Behandlungskontext. Zum einen schlägt das Gutachten vor, dass die Merkmale eine stationäre Durchführung von Leistungen rechtfertigen können. Zum anderen können die Merkmale aus Sicht des Gutachtens teilweise als Grundlage für eine Schweregraddifferenzierung in der Vergütung herangezogen werden. AOK mit weitergehenden Forderungen Dem AOK-Bundesverband gehen indes die Bemühungen für mehr ambulante Behandlungen nicht weit genug. Zwar gesteht die Vorstandsvorsitzende Dr. Carola Reimann anlässlich des veröffentlichten IGES-Gutachtens zu: “Die Ambulantisierung von bisher stationär erbrachten Leistungen ist eines der wesentlichen Vorhaben auf dem Weg zu einer besseren und effizienteren Gesundheitsversorgung in Deutschland und gleichzeitig ein wichtiger erster Schritt zu einer sektorenübergreifenden Versorgung. Angesichts der angespannten Finanzsituation der Gesetzlichen Krankenversicherung und des wachsenden Fachkräftemangels in der medizinischen Versorgung sollte Deutschland die positiven Erfahrungen anderer europäischer Länder aufgreifen und seine Versorgungsangebote entsprechend modernisieren. Das Gutachten ist hierfür ein Anfang.” Jedoch sei derzeit sei lediglich vorgesehen, dass sich Vertragsärzte, Krankenhäuser und Kassen auf Bundesebene über einen Katalog und ein Vergütungssystem verständigen. Auf der regionalen Ebene können Krankenhäuser und Vertragsärzte dann entscheiden, ob sie diese ambulanten Leistungen anbieten. “Das bisherige Ambulantisierungsdefizit soll bisher allein über finanzielle Anreize beseitigt werden. Ein ‘Wer kann, der darf’-Ansatz trägt aber nicht zu effizienten regionalen Versorgungsangeboten bei und führt auf Dauer zu deutlich überteuerten Honoraren. Dabei sollte die Ambulantisierung der erste Anwendungsfall einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung sein, die im Koalitionsvertrag vorgesehen ist”, kritisiert Reimann. Zum Hintergrund Mit Inkrafttreten des MDK-Reformgesetzes (2020) erhielten der GKV-Spitzenverband, die DKG und die KBV den Auftrag, den AOP-Katalog substanziell zu erweitern sowie eine einheitliche Vergütung für Krankenhäuser und Vertragsärzte zu vereinbaren. Grundlage der Katalogerweiterung war ein gemeinsames Gutachten, ausgehend vom aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse. Der Auftrag wurde am 9. Dezember 2020 an das IGES Institut vergeben. In dem nun vorliegenden Gutachten sind ambulant durchführbare Operationen, stationsersetzende Eingriffe und stationsersetzende Behandlungen konkret benannt sowie Maßnahmen zur Fall-Differenzierung nach dem Schweregrad analysiert. (GKV-Spitzenverband, AOK-Bundesverband / ms)
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