Gutachten zu Hygienemaßnahmen: Effizienter Ressourceneinsatz in Praxen

Viele Vorgaben im Hygienebereich sind auf Krankenhäuser ausgerichtet und können so im ambulanten Bereich den Ressourcenverbrauch erhöhen. Illustration: © MQ-Illustrations – stock.adobe.com

Rund fünf Prozent des gesamten Rohstoffkonsums entfallen in Deutschland auf den Gesundheitssektor. Im ambulanten Bereich stellt sich die Frage nach einer effizienteren Ressourcenverwendung unter anderem mit Blick auf die Hygienemaßnahmen. Dies geht aus einem von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Auftrag gegebenen Gutachten hervor.

Ein neues Gutachten des Fraunhofer-Institutes für System- und Innovationsforschung (ISI) untersucht, wie sich in deutschen Arztpraxen der Ressourceneinsatz im Hygienebereich minimieren lässt. Im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) wurden unter anderem bestehende Hygieneanforderungen der Bundesländer analysiert und ambulant tätige Ärzte und medizinisches Fachpersonal befragt. „Das Gutachten zeigt: Viele Vorgaben sind auf Krankenhäuser ausgerichtet und für den ambulanten Bereich weniger geeignet, was den Ressourcenverbrauch erhöhen kann. Empfehlungen im Rahmen des Gutachtens unterstreichen, wie sich Hygienevorgaben anpassen und nachhaltiger gestalten lassen – ohne Abstriche bei Patientensicherheit oder Arbeitsschutz“, resümiert das ISI. Ein weiteres zentrales Ergebnis laute: „Die Hygieneanforderungen sind für den ambulanten Sektor oft zu weitreichend und beanspruchen übermäßig personelle und natürliche Ressourcen, insbesondere in konservativ tätigen Praxen wie zum Beispiel im hausärztlichen Bereich. Während Hygieneanforderungen etwa für Praxen, die ambulant operieren, oder Dialyseeinrichtungen in den Medizinhygieneverordnungen der Bundesländer geregelt sind, fehlen dort explizite Vorgaben für konservativ tätige Arztpraxen.“

Hofmeister: Besonderheiten der Praxen berücksichtigen

„Das Thema Hygiene wird immer wichtiger – auch in Arztpraxen“, erklärt Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV. Herausforderungen wie die Corona-Pandemie und resistente Keime, aber auch das ambulante Operieren führen dazu, dass die Anforderungen an Hygienemaßnahmen zunehmen. „Denen kommen die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen selbstverständlich nach. Gleichzeitig werden sie aber auch mit Vorgaben konfrontiert, die für die Krankenhäuser gelten und nicht 1:1 auf die Gegebenheiten in den Arztpraxen übertragen werden können. Es ist für den effizienten Einsatz von Ressourcen von entscheidender Bedeutung, dass die Besonderheiten der Praxen berücksichtigt werden. Nur so können die Niedergelassenen bei dem wichtigen Thema Hygiene auch ressourcenschonend arbeiten.“

Klar ist, so Hofmeister, dass der Ressourcenverbrauch gesenkt werden müsse. Im Rahmen der derzeitigen Verordnungen seien Einsparungen durchaus möglich. Doch das zunehmend enger geschnürte Regelkorsett sorge dafür, dass die Niedergelassenen in ihren Arztpraxen „enorm viel Müll produzieren müssen.“ Hier würden dringend pragmatische Vorgehensweisen gebraucht, um die enorme Ressourcenverschwendung in den Griff zu bekommen.
Auch die föderale Vielfalt und die Unübersichtlichkeit der zahlreichen Vorgaben der Hygienegesetzgebung erschwere den Niedergelassenen ihre Arbeit zusätzlich, hier bestehe ein erheblicher Anpassungsbedarf, sagt Hofmeister. „Generell gilt: Ständig neue Anforderungen und praxisferne Bestimmungen rauben den Niedergelassenen wichtige Zeit für ihre Patientinnen und Patienten.“ Auch beim Thema Hygiene müssten dringend die Rahmenbedingungen für die Ärzte verbessert und Bürokratie abgebaut werden.

Online-Befragung

Die KBV teilt mit, sie habe das ISI im Sommer 2024 mit einem Gutachten beauftragt. Das ISI sei dabei der Frage nachgegangen, ob aus Sicht von ärztlichem und nichtärztlichem Praxispersonal in Bezug auf die geltenden Hygieneanforderungen der Länder und der Kommission für Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen und in Einrichtungen und Unternehmen der Pflege und Eingliederungshilfe (KRINKO) Spielräume für Anpassungen bestehen, wie Praxen notwendigen Hygieneanforderungen weiter gerecht werden und zugleich Ressourcen effizienter einsetzen und verbrauchen könnten. Zu diesem Zweck hätten die Experten nicht nur die einzelnen Medizinhygieneverordnungen (MedHygVO) der Länder analysiert, sondern unter anderem eine Online-Befragung durchgeführt. „Dabei konnten Ärzte sowie medizinische Fachangestellte ihre Einschätzung über die Angemessenheit der MedHygVO in Bezug auf die eigene Praxis teilen“, erklärt die KBV. „Abgefragt wurde zudem die Verständlichkeit der jeweiligen Hygieneverordnung und anderer genutzter Informationsquellen. Eine fachliche Beratung erfolgte durch das Gesundheitsamt Karlsruhe. Das Projekt lief von Juli bis Dezember 2024.“

Das Gutachten basiert laut ISI auf einem multimethodischen Ansatz, der Dokumentenanalysen, qualitative Inhaltsanalysen, Literaturrecherchen sowie eine Online-Befragung von 666 Ärzten und medizinischen Fachangestellten umfasst. Ergänzt wurden die Ergebnisse durch Fokusgruppeninterviews und die Entwicklung praxisnaher Handlungsempfehlungen unter Einbezug von Experten.

Link zum Gutachten: https://www.kbv.de/media/sp/schlussbericht_hygiene_in_der_arztpraxis.pdf