Gute Versorgungssituation mit Verbesserungspotenzial

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Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen finden in Deutschland eine im internationalen Vergleich ingesamt gute Versorgungssituation. Allerdings fehlen Angebote für spezielle Gruppen wie Kleinkinder oder suchtkranke Kinder und Jugendliche. Dies zeigte ein Workshop der Aktion Psychisch Kranke e.V. (APK) Anfang April in Bonn.

Am 11.04.2018 fand in Bonn ein Workshop der Aktion Psychisch Kranke e.V. (APK) statt, in dessen Rahmen unter dem Titel „Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse: Priorisierung von Handlungsfeldern“ die Ergebnisse eines bislang einzigartigen Projekts vorgestellt wurden. Das durch das Bundesministerium für Gesundheit geförderte, von der APK durchgeführte Projekt „Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher in Deutschland – Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse”, untersuchte in den letzten Jahren die Situation von
Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen in Deutschland. Ziel des Projektes war eine Bestandsaufnahme der Versorgungsituation.

Die Projektergebnisse zeigen eindrücklich die in Deutschland bestehende, hochdifferenzierte Versorgungsstruktur für die Betroffenen und deren Familien. Eine Besonderheit in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen besteht auch darin, dass das relevante Lebensumfeld der Betroffenen regelhaft in die Behandlungsangebote mit einbezogen wird. Die Versorgung der psychisch kranken Kinder und Jugendlichen hat auch oft einen starken sozialen Aspekt.

Noch immer zeigen sich dabei aber auch deutliche regionale Unterschiede in den Angeboten mit sehr unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten. Inzwischen werden mehr Kinder und Jugendliche ambulant behandelt als stationär, auch mit komplexen Störungsbildern und psychosozialen Problemen. Dennoch ist weiterhin ein Anstieg der stationären Behandlungen zu verzeichnen – und dies, obwohl die Zahl der vollstationären
Behandlungsplätze in Deutschland abgenommen hat. Abgenommen hat auch die durchschnittliche Verweildauer in der Klinik. Deutlich zugenommen haben hingegen kurzfristige stationäre Aufenthalte aufgrund von Notfallsituationen und Krisen bei den Betroffenen.

Die erhobenen wissenschaftlichen Daten zur Versorgung mit Psychopharmaka machen deutlich, dass keinesfalls von einer Überversorgung auszugehen ist. Unbefriedigend ist oftmals die Zulassungssituation mit der Schwierigkeit, dass in Deutschland viele Medikamente oft nicht für Minderjährige zugelassen sind.

Die Bestandsanalyse zeigt aber auch Versorgungslücken auf. So fehlen insbesondere Angebote für spezielle Zielgruppen wie Kleinkinder, für suchtkranke Jugendliche, für Kinder und Jugendliche mit Intelligenzminderung oder für Kinder psychisch kranker Eltern, die nicht immer ohne weiteres in den Angeboten der Regelversorgung behandelt werden können.

In Bezug auf Prävention und Früherkennung zeigen die Projektergebnisse die wichtige Rolle der hausärztlichen Arztgruppen, insbesondere Kinder- und Jugendärzte, aber auch die deutliche Notwendigkeit der besseren systematischen Verzahnung mit spezialisierten Behandlungsangeboten.

Eine zentrale Herausforderung für die Versorgung der Kinder und Jugendlichen entsteht durch die in Deutschland bestehende starke Versäulung der Versorgungsangebote, sei es im Gesundheitssystem mit den bestehenden Sektorengrenzen oder in Bezug auf die verschiedenen Sozialgesetzbücher mit unzureichender Organisation der Schnittstellen zwischen den einzelnen Bereichen. Bestehende Versorgungsangebote könnten oft viel besser genutzt werden, wenn es gelänge, die Angebote besser zusammenzuführen und aufeinander
abzustimmen.

Die bestehende Differenzierung zwischen geistiger, körperlicher und seelischer Behinderung in Bezug auf die Zuordnung zu verschiedenen Hilfesystemen ist aus Sicht der Projektbeteiligten nicht sinnvoll und sollte überwunden werden. Und schließlich ist auch die Phase des Erwachsenwerdens mit dem Übergang aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie in die Erwachsenenpsychiatrie in den Blick zu nehmen.