HAE: Herausforderungen bei der Versorgung junger Patienten

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Wie stark das Hereditäre Angioödem (HAE) Alltag und emotionales Wohlbefinden beeinträchtigt oder welche Erfahrungen gerade junge Patienten und ihre Angehörigen in Notaufnahmen machen, zeigen zwei aktuelle Studien.

Beide Arbeiten wurden auf der Jahrestagung 2025 des American College of Allergy, Asthma and Immunology (ACAAI) in Orlando (USA) vorgestellt. Die Ergebnisse beider Studien unterstreichen, dass die Behandlung des HAE bei Kindern und Jugendlichen mehr als nur medizinische Interventionen erfordert: Wie die ACAAI betont, sollten psychische Gesundheit, Familiendynamik und Qualität der Behandlungserfahrungen berücksichtigt werden.

Die erste Studie hatte die psychosozialen Auswirkungen des HAE auf junge Patienten und ihre Angehörigen im Fokus. Für ihre Analyse führte das Team um Hauptautor Dr. Raffi Tachdjian Interviews und Online-Diskussionen mit 31 Kindern (2–11 Jahre) zusammen mit ihren Bezugspersonen, 19 Jugendlichen (12–17 Jahre) sowie 85 medizinischen Fachkräften durch. Demnach kann das Leben mit HAE für junge Patienten und ihre Eltern beziehungsweise betreuende Personen eine erhebliche emotionale und soziale Belastung darstellen.

Sorge vor zukünftigen Attacken

Ein Ergebnis der Studie: Jugendliche nehmen die Auswirkungen von HAE auf ihr Leben insgesamt stärker wahr als die Personen, die jüngere Kinder betreuten. Die Teilnehmenden beschrieben, dass HAE den Schulbesuch, Sport und soziale Aktivitäten beeinträchtigt. Selbst zwischen den Attacken äußerten viele Kinder anhaltende Angst vor der nächsten Episode.

„Zwar gaben 16 von 23 Kindern an, sich in symptomfreien Phasen glücklich zu fühlen – doch fast 40 Prozent sagten, sie machten sich weiterhin Sorgen um zukünftige Attacken“, erläuterte Tachdjian. „Die meisten medizinischen Fachkräfte berichteten, dass HAE sowohl bei Kindern als auch bei den sie betreuenden Personen emotionalen Stress verursacht. Zudem führt HAE häufig zu Angstzuständen, Depressionen und sozialer Isolation. Viele merkten außerdem an, dass die Erkrankung zu Schwierigkeiten in der Schule und verpassten Entwicklungschancen beitragen kann.“

Erkrankung beeinträchtig weit mehr als die körperliche Gesundheit

Neun von zehn medizinischen Fachkräften berichteten davon, dass die HAE-Attacken Kinder und ihre Bezugspersonen beeinträchtigen, deren tägliche Routinen unterbrachen und die Lebensqualität der jungen Patienten leidet. Aus Sicht der medizinischen Fachkräfte sind Angst und Depressionen die primären psychosozialen Folgen der Erkrankung. Diese könnten aber auch durch weitere Auswirkungen – etwa soziale Isolation oder schlechtere schulische Leistungen – begleitet werden, so die Angaben medinischer Fachkräfte im Rahmen von Interviews und Online-Diskussionen.

Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass HAE weit mehr als nur die körperliche Gesundheit beeinträchtigt: Es beeinflusst, wie Kinder sich selbst sehen, mit anderen interagieren und ihren Alltag gestalten. Die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und die Lebensqualität zu berücksichtigen, sei für eine umfassende Versorgung unerlässlich, betonen die Autoren.

Notaufnahme wegen HAE? Mindestens einmal vor dem zwölften Lebensjahr

Eine zweite Studie untersuchte die Erfahrungen junger HAE-Patienten in Notaufnahmen und Krankenhäusern. Dabei wurden die Aussagen von 19 Jugendlichen, 31 Bezugspersonen und über 100 medizinischen Fachkräften ausgewertet. Etwa die Hälfte der Jugendlichen und ihrer Bezugspersonen berichtete von mindestens einem Besuch in der Notaufnahme oder im Krankenhaus vor dem zwölften Lebensjahr.

Einige schildern positive Erfahrungen: etwa schnelle Behandlung und Linderung der Symptome. Allerdings berichteten die meisten von erheblichen Schwierigkeiten. Zu den häufigsten Problemen zählten Verzögerungen bei der Behandlung, mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten und die Unkenntnis medizinischer Fachkräfte über HAE. Diese Faktoren trugen zu Angst und Stress bei Patienten und ihren Familien bei.

Notfallbesuche oft unvermeidbar aber traumatisch

„Drei von vier medizinischen Fachkräften äußerten Bedenken hinsichtlich einer unzureichenden Versorgung ihrer Patienten und der Möglichkeit langfristiger Traumata infolge negativer Krankenhausaufenthalte“, so die Allergologin Dr. Patricia Stewart, Hauptautorin der Studie. „Viele stellten fest, dass diese Erfahrungen in der Notaufnahme dazu führen können, dass medizinische Versorgung vermieden wird – selbst in Notfällen.

Die Autoren der zweiten Studie kommen zu dem Schluss, dass Notfallbesuche für Kinder mit HAE zwar oft unvermeidbar sind, aber beängstigend und traumatisierend sein können. Eine verbesserte Sensibilisierung und Vorbereitung des medizinischen Fachpersonals könnte für Familien von Kindern mit HAE einen entscheidenden Unterschied machen, so ihre Empfehlung. (ja/BIERMANN)