Hämophilie: Gentherapie jetzt in Hannover möglich

Viel Verantwortung: Eine Mitarbeiterin der MHH-Apotheke bei der Arbeit im Reinraum. Foto: Anna Junge/medjunge.de

Das Hämophilie-Zentrum der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist eines der ersten in Deutschland, die diese Gentherapie bei Hämophilie A und B durchführen dürfen.

Dabei wird es zukünftig nicht nur eigene Patienten behandeln, sondern auch die Betroffenen anderer Hämophilie-Zentren in Niedersachsen. Geplant ist eine besondere Zusammenarbeit der Zentren – die Gentherapie in Form einer Infusion erhalten die Patienten in der MHH, die Vor- und Nachsorge sowie die langfristige Betreuung erfolgt gemeinsam in engem Austausch.

Im Hämophilie-Zentrum der MHH werden rund 150 Patientinnen und Patienten mit schweren Gerinnungsstörungen dauerhaft betreut. Bisher müssen die Betroffenen mehrmals pro Woche die fehlenden Gerinnungsfaktor-Eiweiße selbst spritzen. Durch die Medikamentengabe kann der Gerinnungsfaktor im Blut aber nicht auf einem gleichmäßigen Level gehalten werden, denn die Halbwertzeit ist kurz.

Die Gentherapie stellt den Betroffenen nun eine Verbesserung in Aussicht. Das Therapeutikum wird einmalig intravenös gespritzt. Das Gen für Gerinnungsfaktor VIII beziehungsweise IX gelangt dann mittels einer Virus-Fähre in die Leberzellen. Es bleibt als Episom – das ist ein kleiner DNA-Ring – im Zellkern und produziert dort das fehlende Eiweiß.

Der Erfolg bei den Patienten ist unterschiedlich groß. „In den Studien erreichten viele Patienten nahezu eine Normalisierung der Gerinnung und konnten die vorherige Therapie beenden. Man kann einem einzelnen Patienten aber noch nicht gut vorhersagen, welches Faktorlevel erreichet wird und wie lange der Erfolg im Einzelfall anhält“, erläutert Andreas Tiede, Professor für Hämostaseologie und Leiter des Hämophilie-Zentrums..

Er räumt ein, dass die Gentherapie sich nicht für alle Betroffenen eigne. „Einige haben Antikörper gegen das Virus, das als Fähre eingesetzt wird. Dann können wir die Therapie leider nicht anbieten.“ Bei Menschen mit Lebererkrankungen wird individuell in Zusammenarbeit mit der MHH-Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie geprüft, ob der Patient geeignet ist.

Trotz der Einschränkungen hält Tiede die Gentherapie für einen großen Schritt: „Wir können die Wirkung der Therapie anhand des Blutes zu jeder Zeit mit einfachen Labormethoden messen und so den Patienten beraten. Das sind sehr gute Voraussetzungen für die individuelle Betreuung und auch für die Weiterentwicklung der Gentherapie.“

Zertifikat nach ATMP-Richtlinien


Die Gentherapie bei Hämophilie fällt unter die Richtlinien der Advanced Therapy Medical Products (ATMP). Mit diesen Richtlinien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Qualitätsanforderungen bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachsorge von Gentherapien. Nur Einrichtungen, die diese Anforderungen erfüllen, dürfen Leistungen im Rahmen einer ATMP-Therapie erbringen, damit eine sachgerechte, sichere und hochwertige Versorgung gewährleistet ist. Das Hämophilie-Zentrum der MHH und seine Partner-Zentren wurden vom G-BA für die Gentherapie bei Hämophilie zertifiziert.