Hausbesuchsprogramme: Langfristige Verbesserung der Kindes- und Muttergesundheit5. Februar 2025 Foto: © fizkes/stock.adobe.com Eine neue Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift „JAMA Pediatrics“ veröffentlicht wurde, zeigt: Hausbesuchsprogramme können sowohl die Gesundheit von Kindern als auch das Wohlbefinden von Müttern langfristig verbessern. Junge Mütter, die sich in schwierigen sozialen und finanziellen Lebenslagen befinden, stehen oft unter enormem Druck. Ohne ausreichende Unterstützung können psychosoziale Belastungen schnell zur Überforderung führen – mit gravierenden Folgen für Mutter und Kind. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass diese Belastungen das Risiko für Vernachlässigung, Kindesmisshandlung und psychische Probleme sowohl bei den Müttern als auch bei den Kindern erhöhen können. Vor diesem Hintergrund gewinnen präventive Programme, die Familien in belasteten Situationen frühzeitig unterstützen, zunehmend an Bedeutung. Die größte randomisierte Studie in Deutschland Die Studie „Pro-Kind Follow-Up“ ist die größte randomisierte kontrollierte Untersuchung in Deutschland, die die langfristigen Effekte eines Hausbesuchsprogramms für benachteiligte Familien evaluiert hat. Zwischen 2006 und 2009 wurden 755 erstgebärende Frauen mit geringem Einkommen und psychosozialen Belastungen in drei Gruppen aufgeteilt: Zwei Interventionsgruppen erhielten regelmäßige Hausbesuche durch Hebammen oder durch ein Tandem-Team aus Hebammen und Sozialarbeiterinnen. Die Kontrollgruppe hatte Zugriff auf die üblichen sozialstaatlichen Leistungen. Ziel war es, die Wirksamkeit der unterschiedlichen Modelle zu vergleichen. Nach sieben Jahren wurden die teilnehmenden Familien erneut untersucht. Die Ergebnisse sind deutlich: Kinder aus Familien, die von Hebammen begleitet wurden, zeigten seltener Verhaltensprobleme wie Angststörungen oder depressive Symptome. Auch die Häufigkeit von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung war geringer. Gleichzeitig berichteten Mütter dieser Gruppe von weniger Erziehungsstress und einer verbesserten mentalen Gesundheit. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass frühe Interventionen nicht nur kurzfristig helfen, sondern auch Jahre nach Abschluss der Programme nachhaltige positive Effekte haben“, erklärt PD Dr. Tilman Brand, Leiter der Fachgruppe Sozialepidemiologie am BIPS. Besonders interessant: Die Interventionsgruppe, die ausschließlich von Hebammen betreut wurde, schnitt besser ab als die Gruppe, in der ein Tandem-Team aus Hebammen und Sozialarbeiterinnen zum Einsatz kam. „Wir hätten erwartet, dass die Kombination beider Berufsgruppen einen zusätzlichen Mehrwert bietet. Doch offenbar ist die langjährige Beziehung zu einer einzelnen Bezugsperson entscheidend“, so Brand weiter. Die Studie konnte ungewöhnlich deutliche Effekte aufzeigen: Verglichen mit der Gruppe ohne spezielle Intervention sank in der Gruppe mit Familienbegleitung die Rate von Verhaltensproblemen um 13 Prozentpunkte, depressive Symptome der Mütter wurden um 7 Prozentpunkte gesenkt – was einer relativen Risikoreduktion von etwa 50 Prozent entspricht. „Diese Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, Hebammen frühzeitig in die Begleitung von benachteiligten Familien einzubinden“, betont Brand. Ein Modell für die Zukunft? Trotz der positiven Ergebnisse wird das Hausbesuchsprogramm aktuell nur in wenigen Regionen umgesetzt. Bremen und Braunschweig haben das Modell übernommen, in anderen Ländern wurde das Programm bisher nicht eingeführt. Dabei zeigen die Studienautoren klar: „Ein bundesweites Programm könnte dazu beitragen, soziale Ungleichheit nachhaltig abzubauen und die Gesundheit von Kindern und Eltern zu verbessern“, betont Brand. Das Paper, das von einem Team aus Wissenschaftlern aus Deutschland und Großbritannien geschrieben wurde, liefert wichtige Impulse für die Gesundheits- und Sozialpolitik. Das Team hofft, dass die Ergebnisse dazu beitragen, frühe Unterstützungsangebote für Familien in schwierigen Lebenslagen in Deutschland auszubauen und langfristig zu sichern. Die Veröffentlichung ist als Zusammenarbeit zwischen der Ernst-Abbe-Hochschule Jena, der Technische Hochschule Nürnberg, dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und dem University College London und dem Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS entstanden. Es wurde gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
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