Prof. Peter Loskill erhält Herbert-Stiller-Preis für tierversuchsfreie Forschung für Brustkrebs-on-Chip13. Oktober 2023 Professor Dr. Peter Loskill. Foto: © NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut in Reutlingen Alle zwei Jahre vergibt der Verein Ärzte gegen Tierversuche e.V. den Herbert-Stiller-Preis für innovative Arbeiten, die sich mithilfe von tierversuchsfreien humanbasierten Methoden mit der Erforschung und Therapie menschlicher Erkrankungen beschäftigen. Der Namensgeber des Preises, Dr. Herbert Stiller, war Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, und Mitgründer des Vereins Ärzte gegen Tierversuche e.V.. Der Verein, dessen Motto „Medizinischer Fortschritt ist wichtig – Tierversuche sind der falsche Weg!“ lautet, setzt sich seit 1979 für eine tierversuchsfreie Forschung ein und rief 1990 den Herbert-Stiller-Preis ins Leben. Der mit 20.000 Euro dotierte Preis wird an Wissenschaftler verliehen, welche sich der tierversuchsfreien Forschung im Bereich der Medizin/ Biomedizin widmen. Die Einreichungskriterien für die Förderung geplanter Forschungsarbeiten dürfen weder Tierversuche enthalten, noch darf tierisches Material verwendet werden. Das Projekt sollte ein neues, innovatives Thema aufgreifen oder einen neuen methodischen Ansatz verfolgen. Ziel der Vergabe des Preises ist es, moderne Forschungsmethoden, wie zum Beispiel Ursachenforschung und Vorbeugung von Krankheiten mit neuartigen Technologien wie Organ-on-Chip (OoC)-Systemen voranzutreiben. Studium an der Universität des Saarlandes und PostDoc in Berkeley Prof. Peter Loskill promovierte 2012 an der Universität des Saarlandes in Physik und forschte anschließend als PostDoc an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Im Jahr 2015 wurde er vom Technology Review als einer der „Innovators under 35 Germany“ ausgezeichnet und wurde für das Fraunhofer ATTRACT-Förderprogramm ausgewählt. 2016 gründete er das „µOrgano-Lab”, dessen interdisziplinäre Forschung Ansätze aus dem Ingenieurwesen, der Biologie, der Physik und der Medizin kombiniert, um neuartige mikrophysiologische Gewebemodelle zu entwickeln, die die komplexe menschliche Biologie In vitro rekapitulieren und u. a. für die Beantwortung biomedizinischer, toxikologischer oder pharmazeutischer Fragestellungen angewandt werden können. Im Mai 2021 wurde er zum Brückenprofessor für OoC-Systeme zwischen dem NMI Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institut an der Universität Tübingen in Reutlingen und der Medizinischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen berufen und trat zeitgleich die Leitung des 3R-Centers Tübingen an. Auch auf internationaler Ebene setzt sich Loskill für die Weiterentwicklung und Adaptierung von Tierersatzmethoden sowie die Nachwuchsförderung in diesem Bereich ein. Dafür initiierte und koordinierte er beispielsweise von 2018 bis 2023 das Marie Skłodowska-Curie Interdisziplinäre Ausbildungsnetzwerk für die Weiterentwicklung der Organ-on-a-Chip-Technologie in Europa (MSCA-ITN-EUROoC). 2018 gründete er die European-Organ-on-Chip-Society (EUROoCS), deren Vorsitz er von 2021 bis 2023 übernahm. Dieses Jahr wurde er Mitglied des Vorstands der Internationalen MPS Society (iMPSS) und fungierte als Gastgeber des MPS World Summit 2023 in Berlin mit mehr als 1300 Teilnehmern. Was ist eigentlich ein Organ-on-Chip? Auf den Punkt gebracht ist ein Organ-on-Chip (OoC) eine Nachbildung funktioneller Einheiten eines Organs, welcher ermöglicht humane Biologie und Krankheiten außerhalb des menschlichen Körpers zu untersuchen. Durch Kombination von Ansätzen der Mikrosystemtechnik, der Materialwissenschaft, des Tissue Engineering und der Zellbiologie, wird humanen Zellen eine Mikro-Umgebung geschaffen, in der sie sich wie im Gewebeverbund im Körper zuhause fühlen. In den letzten Jahren haben sich OoC-Systeme zu einer vielversprechenden Alternative zu Tierversuchen und herkömmlichen Zell-Assays entwickelt. Das 3R-Center, dessen Gründung durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus sowie das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg gefördert wird, ist eines der vier Kompetenzzentren des NMI. Ziel des 3R-Centers ist es, Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen hinsichtlich der Ausbildung, Weiterbildung und Training, der öffentlichen Wahrnehmung sowie infrastrukturell voranzutreiben. So soll Forschenden ermöglicht werden, ihre wissenschaftlichen Fragestellungen mittels moderner In vitro Modelle zu beantworten, ohne dabei auf den Einsatz von Tieren zurückgreifen zu müssen. „Wenn wir Tierversuche effizient und langfristig ersetzen wollen, müssen wir unseren KollegInnen auf humanem Gewebe basierende Modelle zur Verfügung stellen, die die menschliche Physiologie besser nachbilden und auf den Menschen übertragbare Resultate liefern,“ sagt Loskill. Im Forschungszweig des 3R-Centers, dem µOrgano Lab, arbeitet ein internationales Team von IngenieurInnen, PhysikerInnen, BiologInnen, PharmazeutInnen und MedizinerInnen an der Entwicklung von OoC-Systemen und Enabling Technologien. Der Fokus ist hierbei, die Anwendung von OoC-Modellen in der Grundlagenforschung, Arzneimittelentwicklung und pharmakologischer Forschung, der personalisierten Medizin, dem Verbraucherschutz und der Toxikologie. Worum geht es im prämierten Projekt? Im eingereichten Projekt geht es um Modelle für die Entwicklung neuer therapeutischer Optionen für die Krebsbehandlung. Diese stützt sich immer noch hauptsächlich auf Tiermodelle oder auf populationsbasierte Studien. Neuartige In vitro Modelle, wie zum Beispiel Tumor-Organoide, versprechen hier signifikante Fortschritte; Organoid-Kulturen beruhen allerdings noch immer größtenteils auf der Verwendung von von Tieren stammenden extrazellulären Matrizen. Das Ziel des eingereichten interdisziplinären Projekts ist die Generierung und Charakterisierung eines völlig tierfreien mikrophysiologischen Brustkrebs-on-Chip-Modells, das humane Tumor-Organoide in einer physiologischen Mikroumgebung integriert. „Die Arbeiten von Herrn Professor Loskill erweitern nicht nur den derzeitigen Stand der Forschung und Technik auf dem Gebiet des Tissue Engineerings und hier vor allem der human-basierten In vitro Testsysteme. Professor Loskill und sein Team tragen auch wesentlich dazu bei, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in standardisierbare Methoden zu übersetzen, die dann durch Anwender, beispielsweise in der Industrie, direkt aufgegriffen werden können, um den Einsatz von Tiermodellen zu verringern oder zu ersetzen“, äußert sich die Direktorin des NMI, Prof. Katja Schenke-Layland. Über das NMI Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut in Reutlingen Das NMI Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut in Reutlingen ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung und betreibt anwendungsorientierte Forschung an der Schnittstelle von Bio- und Materialwissenschaften. Es verfügt über ein einmaliges, interdisziplinäres Kompetenzspektrum für F&E- sowie Dienstleistungsangebote für regional und international tätige Unternehmen. Dabei richtet sich das Institut gleichermaßen an die Gesundheitswirtschaft sowie Industriebranchen mit werkstofftechnischen und qualitätsorientierten Fragestellungen wie Fahrzeug-, Maschinen- und Werkzeugbau. Das Forschungsinstitut gliedert sich in zwei Geschäftsbereiche, die durch ein gemeinsames Leitbild miteinander verbunden sind: Die Suche nach technischen Lösungen erfolgt stets nach höchsten wissenschaftlichen Standards. Im Geschäftsfeld Pharma und Biotech unterstützt das NMI die Entwicklung neuer Medikamente mit biochemischen, molekular- und zellbiologischen Methoden. Der Bereich Biomedizin und Materialwissenschaften erforscht und entwickelt Zukunftstechnologien wie die personalisierte Medizin und Mikromedizin für neue diagnostische und therapeutische Ansätze. Im Fokus des Dienstleistungsangebotes steht für Kunden die Strukturierung und Funktionalisierung von Werkstoffen und deren Oberflächen. Über die Landesgrenzen hinaus ist das NMI für sein Inkubatorkonzept für Existenzgründer mit bio- und materialwissenschaftlichem Hintergrund bekannt. Das NMI wird vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg unterstützt und ist Mitglied der Innovationsallianz Baden-Württemberg, einem Zusammenschluss von 12 außeruniversitären und wirtschaftsnahen Forschungsinstituten.
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