Herz ergänzt Lunge: Fraunhofer ITEM startet mit neuen Forschungsthemen ins fünfte Jahrzehnt

Podiumsdiskussion „Herz ergänzt Lunge – Gesundheitsforschung in Niedersachsen“ am 13. Juni 2021 im Fraunhofer ITEM. Foto: Ralf Mohr/Fraunhofer ITEM

Das Fraunhofer ITEM startet mit einem neuen großen Forschungsfeld in das fünfte Jahrzehnt seines Bestehens – der kardiovaskulären Forschung und der Entwicklung von RNA-basierten Diagnostika und Therapieansätzen.

Welches Potenzial die Verknüpfung der beiden Forschungszweige Atemwegs- und kardiovaskuläre Forschung hat, was das für die Stadt Hannover und das Land Niedersachsen als Wissenschaftsstandort bedeutet und wie Menschen von der Forschung profitieren werden, war Gegenstand eines Podiumsgesprächs am 13. Juli 2021 im Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM) in Hannover. Zu diesem hatten die beiden Institutsleiter, Prof. Norbert Krug und Prof. Thomas Thum, anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des Instituts geladen.

Gemeinsam mit Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler, Prof. Michael Manns, Präsident der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), und Prof. Ulrike Köhl, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig, diskutierten sie, wie die bisherige Ausrichtung des Instituts auf die Atemwegsforschung und das zukünftige Forschungsfeld kardiovaskuläre Forschung zusammenfinden, was das für die Stadt Hannover und das Land Niedersachsen als Wissenschaftsstandort bedeutet und wie Menschen von der Forschung profitieren werden.

Fraunhofer vs. Corona

Die Aerosolforschung, die Toxikologie und die translationale Medizin mit dem Zielorgan Lunge standen in den vergangenen 40 Jahren im Zentrum der Fraunhofer-Forschung in Hannover. „Unsere Forschung könnte kaum relevanter sein als in der aktuellen Zeit. Das Fraunhofer ITEM leistet einen wichtigen Beitrag in der Pandemiebekämpfung: von der Charakterisierung luftgetragener Aerosole, der Entwicklung von Luftreinigungstechnologien, intelligenten Virenfiltern oder nichtinvasiven Beatmungsgeräten über Drug-Repurposing, also Innovationen auf der Basis bewährter Wirkstoffe, bis hin zur beschleunigten Herstellung von Medikamenten gegen COVID-19“, sagt Krug, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer ITEM.

Herz ergänzt Lunge

Seit Anfang 2021 ist mit Eintritt des Kardiologen und Biowissenschaftlers Thum die kardiovaskuläre Forschung hinzugekommen. Die enge Verbindung der beiden Forschungsgebiete zeigte sich bereits bei der Coronavirus-Forschung. Infektionen mit SARS-CoV-2 bedeuten nicht nur eine Belastung für die Lunge – die Erkrankung COVID-19 auch das Herz-Kreislauf-System. Einen möglichen Ansatzpunkt für eine COVID-19-Therapie basierend auf der RNA-Technologie hat Thum, der auch Direktor des MHH-Instituts für Molekulare und Translationale Therapiestrategien ist, mit seinem Team gefunden. „Die neue Verknüpfung von kardiovaskulärer Forschung und dem bisherigen Schwerpunkt Lunge und Atemwege am Fraunhofer ITEM bietet nicht nur für die Pandemiebekämpfung, sondern insgesamt enormes Potenzial für die Translationsforschung made in Niedersachsen“, erklärt Thum.

Transfer und Translation in Niedersachsen

Die Transferkompetenz ist laut ITEM-Angaben wesentlicher Bestandteil der anwendungsorientierten Forschung von Fraunhofer. So sei das Fraunhofer ITEM als Partner eng eingebunden in die biomedizinische Translationsallianz in Niedersachsen TRAIN. „Der Transfer von Gesundheitsforschung in die Wirtschaft sowie die Translation in die Anwendung für den Menschen manifestieren sich in Niedersachsen auf einzigartige Art und Weise in der Forschungsarbeit des Fraunhofer ITEM und seiner Partner“, sagt Wissenschaftsminister Thümler. Niedersachsen stehe für innovative und international führende Forschung in den Lebenswissenschaften.

Kooperationen in Hannover weiter stärken

Die Allianz außeruniversitärer Forschungseinrichtungen und einer Hochschulklinik, die auch durch Brückenprofessuren zwischen MHH und Fraunhofer gestärkt wird, ermögliche eine maximal enge Verzahnung von Forschung und Klinik – was letztlich dem Patienten zugutekomme. Als Beispiel nennt das Fraunhofer ITEM das klinische Forschungszentrum CRC Hannover, in dem das Institut mit frühen klinischen Studien, die MHH ebenfalls mit Studien und der Hannover Unified Biobank sowie das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung mit dem Studienzentrum der NAKO Gesundheitsstudie vertreten sind. Die bereits bestehenden Kooperationen sollen weiter ausgebaut werden. MHH-Präsident Manns sagt dazu: „Die geografische Nähe und enge Verzahnung universitärer und außeruniversitärer Forschung in direkter Nachbarschaft zu einer der größten Universitätskliniken, wie wir sie in Hannover auf unserem biomedizinischen Wissenschaftscampus haben, birgt enorme Vorteile für die medizinische Grundlagenforschung und deren Anwendung am Patienten, die sogenannte Translation. Somit kommen wir meiner Vision eines Hannover Health Science Campus einen wesentlichen Schritt näher. Umso mehr freut es mich, dass wir durch den Eintritt des MHH-Professors Thomas Thum in die Institutsleitung des Fraunhofer ITEM unsere Zusammenarbeit weiter stärken.“

Gesundheitsforschung bei Fraunhofer

Die Gesundheitsforschung bei Fraunhofer habe ein entscheidendes Alleinstellungsmerkmal, heißt es vom ITEM: die direkte Nähe zu komplementären Kompetenzen von Forschung und Entwicklung aus beispielsweise der Ingenieurs- und Materialwissenschaft, Automatisierung, künstlichen Intelligenz, Informatik oder Robotik. „Die Kombination dieser Forschungskompetenzen mit der medizinischen Forschung hat großes Potenzial und wird schon heute intensiv in großen Kooperationsprojekten, auch mit weiteren universitären oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Partnern aus der Industrie, genutzt und vorangetrieben“, sagt Köhl, Institutsleiterin des Fraunhofer IZI. Abschließend betont Krug: „Nicht nur der wissenschaftliche Erfolg, auch die Transferkompetenz ist ein zentrales Erfolgskriterium für ein Fraunhofer-Institut. Die Weiterentwicklung des Instituts ist ein wichtiger Schritt, um unsere Vision – Wegbereiter für nachhaltige Gesundheit zu sein – zu verwirklichen.“