Herzinfarkt bei Hitze: Welche Rolle spielen Herz-Kreislauf-Medikamente?4. August 2022 Foto: ©Lena Ivanova/stock.adobe.com Eine Analyse der Daten des Herzinfarktregisters Augsburg deutet darauf hin, dass Menschen, die Thrombozytenaggregationshemmer bzw. Betablocker einnehmen, bei hohen Temperaturen ein erhöhtes Herzinfarktrisiko aufweisen. Die Autoren vermuten, dass die Medikamente die Thermoregulation des Körpers beeinflussen. Für Menschen mit koronarer Herzkrankheit können Betablocker zwar die Lebensqualität verbessern und Thrombozytenaggregationshemmer das Risiko eines Herzinfarkts senken. Allerdings deuten die Ergebnisse einer neuen Studie im Fachjournal „Nature Cardiovascular Research“ darauf hin, dass diese Schutzmaßnahmen an besonders heißen Tagen auch eine gegenteilige Wirkung haben können. Bekannt ist, dass Umweltfaktoren, wie Luftverschmutzung und niedrige Außentemperaturen, Herzinfarkte auslösen können. Darüber hinaus zeigt sich immer deutlicher, dass ein akuter Herzinfarkt auch durch Hitze ausgelöst werden kann. In wie weit bestimmte Herz-Kreislauf-Medikamente dieses Risiko beeinflussen, untersuchte ein Forscherteam um Dr. Alexandra Schneider, Forschungsgruppenleiterin Environmental Risks vom Helmholtz Munich Institut für Epidemiologie und Kai Chen, PhD vom Yale Institute for Global Health. Für ihre Analysen zogen sie Daten des Herzinfarktregisters Augsburg der Jahre 2001 bis 2014 heran. Insgesamt konnten 2494 Fällen während der Monate Mai bis September betrachtet werden. Anstieg des Herzinfarktrisikos um mehr als 60 Prozent Es zeigte sich an heißen Tagen im Vergleich zu kühleren Kontrolltagen ein signifikant erhöhtes Risiko für nichttödliche Herzinfarkte bei Patientinnen und Patienten, die Thrombozytenaggregationshemmer bzw. Betablocker einnahmen im Vergleich zu jenen, die diese Medikamente nicht einnahmen. Die Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern war mit einem Anstieg des Risikos um 63 Prozent und die Einnahme von Betablockern mit einem Anstieg des Risikos um 65 Prozent verbunden. Personen, die beide Medikamente einnahmen, hatten ein um 75 Prozent höheres Risiko. Bei Nichtanwendern dieser Medikamente war die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts an heißen Tagen nicht erhöht. Interessant ist auch, dass der Effekt der Medikamenteneinnahme in der jüngeren Altersgruppe (25–59 Jahre) stärker ausgeprägt war als bei Älteren (60–74 Jahre), obwohl letztere häufiger bereits zugrunde liegende koronare Herzerkrankungen aufwiesen. Mögliche Gründe für das erhöhte Risiko Die Forschungsergebnisse beweisen nicht, dass diese Medikamente bei Hitze die Herzinfarkte verursacht haben. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler spekulieren jedoch aufgrund dieser Daten, dass die Einnahme der Medikamente die Thermoregulation im Körper, also die Anpassung an hohe Temperaturen, erschwert. Somit könnten die mit diesen Medikamenten behandelten Personen tatsächlich empfindlicher gegenüber Hitzeexposition sein. Denkbar sei allerdings auch, dass die zugrunde liegende schwere Herzerkrankung sowohl die Verschreibung der genannten Medikamente erklärt, als auch die höhere Empfindlichkeit dieser Patientinnen und Patienten gegenüber Hitze. Gegen letztere Hypothese spricht, wie die Forschenden erläutern, dass zum einen der beobachtete Risikoanstieg durch die Medikamenteneinnahme besonders stark in der an sich gesünderen und jüngeren Patientengruppe auftrat. Darüber hinaus konnte bei keinem weiteren Medikament, das häufig von Herzkranken eingenommen wird, eine Risikoerhöhung bzgl. das Auftretens von Herzinfarkten bei Hitze beobachtet werden (mit Ausnahme bei der Einnahme von Statinen). Besondere Vorsicht bei Hitzewellen „Die Ergebnisse legen nahe, dass Herzinfarkte mit fortschreitendem Klimawandel und damit verbundenen häufigeren heißen und sehr heißen Tagen zu einer größeren Gefahr für Patientinnen und Patienten mit bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden können“, erklärt Letztautorin Schneider. Besonders während Hitzewellen sei es für Betroffene daher ratsam, vorsichtig zu sein und sich im Kühlen aufzuhalten. „Welche Untergruppen der Bevölkerung am anfälligsten für diese Umweltextreme sind und damit am meisten von einem auf sie zugeschnittenen gesundheitlichen Hitzeschutz profitieren würden, ist aber noch unklar und bedarf weiterer Forschung“, so die Wissenschaftlerin. Vor allem die Wirkung der Medikamente auf die Thermoregulation, die veränderte Wirksamkeit der Medikamente bei Hitze sowie das Zusammenspiel von Medikamenten mit gesundheitlichen Hitzefolgen wie Dehydrierung, müsse noch besser erforscht werden. „Nur dann können Hausärzte auf angekündigte heiße Tage und Hitzewellen reagieren und die Medikation ihrer Patientinnen und Patienten kurzfristig entsprechend anpassen“ erläutert die Forscherin.
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