Herzoperation bei Kindern mit Ein-Kammer-Herz: Wie wirkt sich die OP im Erwachsenenalter aus?3. Januar 2024 Thibault Schaeffer, Herzchirurg an der Klinik für Chirurgie angeborener Herzfehler und Kinderherzchirurgie am Deutschen Herzzentrum München. (Foto: © DHM) Um mehr über Langzeitfolgen der komplizierten Fontan-Operation zu erfahren, untersuchen Kinderherzchirurgen am Deutschen Herzzentrum München die Auswirkungen auf die körperliche und psychosoziale Verfassung Erwachsener. Jedes 100. Kind kommt mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Etwa ein Prozent dieser Kinder werden mit einem univentrikulären Herzen geboren. Für Kinder mit Ein-Kammer-Herz ist zwar eine vollständige Heilung nicht möglich, doch dank der medizinischen Entwicklung und einer speziellen mehrstufigen Operationstechnik in den ersten Lebensjahren ist das Überleben und Wachstum dieser Kinder möglich. „Mithilfe der aus zwei bis drei chirurgischen Eingriffen bestehenden Fontan-Operation lässt sich die Herz-Kreislauf-Funktion verbessern“, erklärt der Herzchirurg und Forscher Dr. Thibault Schaeffer von der Klinik für Chirurgie angeborener Herzfehler und Kinderherzchirurgie am Deutschen Herzzentrum München (DHM). Bei der Fontan-Zirkulation pumpt die vorhandene Herzkammer das sauerstoffreiche arterielle Blut aktiv durch den Körperkreislauf. Sie ermöglicht das Überleben des Kindes mit nur einer Herzkammer. Viele der Patienten nach Fontan-Operation können sich auf eine fast normale Zukunft freuen. „Allerdings wissen wir in der Medizin noch wenig über die Entwicklung der Patienten mit einem Fontan-Herzen im Erwachsenenalter“, konstatiert Schaeffer. Zwei funktionierende Herzkammern sind auch durch die beste Fontan-Zirkulation nicht zu ersetzen. Langfristig können Probleme mit dem Herzen und anderen Organen auftreten. Sorge bereitet heute zum Beispiel die Eiweiß-Verlust-Krankheit als eine Langzeitfolge der Kreislauftrennung nach dem Fontan-Prinzip. Mehr Erkenntnisse über die Lebensqualität der operierten Patienten Mehr Erkenntnisse über die physische und psychische Lebensqualität sowie die soziale Integration von Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EMAH) nach Fontan- oder Fontan-ähnlicher Operation solle eine Studie zutage fördern, für die der Herzchirurg und Facharzt am DHM von der Deutschen Herzstiftung Forschungsförderung in Höhe von 10.000 Euro erhält. Die Herzstiftung fördert Schaeffers Vorhaben mit dem Titel „Long-term patient-reported outcomes in adults after Fontan or Fontan-like procedure“ im Rahmen der Sonderforschungsförderung „Angeborene Herzfehler“ (Gesamtvolumen: 500.000 Euro). Insgesamt neun Projekte aus dem gesamten Bundesgebiet erhielten Fördermittel. „Noch immer gibt es bei Patienten mit Fontan-Herz viele Fragen, die es zu beantworten gilt, um die Lebensqualität der kleinen und auch erwachsenen Patienten dauerhaft zu verbessern. Ein wichtiger Baustein sind hierbei die Untersuchungen von Dr. Schaeffer und seinem Team“, betont Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Fontan-OP: Viele Patienten bereits im Säuglingsalter operiert Ziel der Studie ist es, die Auswirkungen des univentrikulären Herzens beziehungsweise der chirurgischen Eingriffe im Säuglings- und Kleinkindalter auf die Lebensqualität im Erwachsenenalter zu evaluieren. Denn die Fontan-Operation ist komplex und für die noch sehr kleinen Patienten sehr belastend. Der Eingriff erfolgt über drei Operationsschritte in den ersten drei Lebensjahren des Kindes und hat den Zweck, die einzelne Herzkammer in ihrer Pumpfunktion zu entlasten. Die eine Kammer soll nur den größeren Körperkreislauf versorgen, während die Durchblutung der Lunge langfristig passiv ohne direkte Pumpfunktion seitens des Herzens gewährleistet wird. Daher werden Lungen- und Körperkreislauf voneinander getrennt. Der erste OP-Schritt erfolgt direkt nach der Geburt in der ersten Lebenswoche, der zweite mit vier bis sechs Monaten und der dritte im Alter von zwei bis drei Jahren. „In diesen drei Stadien der Operation, die mit einer deutlichen Erkrankungshäufigkeit und Sterblichkeit verbunden sind, ist den Patienten mit Ein-Kammer-Herz kein normales Leben garantiert“, berichtet Schaeffer. Eine Fontan-Operation verbessert und lindert die Situation des Patienten, man spricht von Palliation. Eine Heilung des Herzfehlers ist nicht möglich. Langzeitfolgen: Wie wirkt sich die Fontan-OP auf Körper und Psyche aus? Im Fokus ihrer Untersuchungen haben die Forschenden um Schaeffer die physisch und psychisch empfundene Lebensqualität und die soziale Integration dieser Patienten im Erwachsenenalter. „Diese wichtigen Morbiditätsparameter wurden bisher kaum oder nur über kurze Zeit untersucht“, erklärt Schaeffer. Aus den Ergebnissen ihrer Umfrage auf Basis einer Online-Plattform, erhoffen sich er und sein Team Rückschlüsse darauf, wie sich die chirurgische Therapie des Ein-Kammer-Herzens auf die langfristige psychosoziale Entwicklung des Patienten auswirkt. Mit dem Einsatz der Online-Plattform („HeartBeat-Plattform“) konnten die Münchener Forscher bereits in einem anderen Projekt Erfahrungen an 200 EMAH-Patienten sammeln, deren psycho- und biometrische Werte noch ausgewertet werden. Für das aktuelle Projekt wird eine Plattform verwendet, die vom Prinzip und vom Inhalt her der „Heartbeat-Plattform“ ähnlich ist. „Ziel unserer Studie ist es, die Lebensqualität dieser Patienten im Erwachsenenalter umfassend zu beurteilen und die Auswirkungen der Fontan oder Fontan-ähnlichen Operation des Ein-Kammer-Herzens auf die Patienten im Erwachsenenalter besser zu erfassen“, so Schaeffer. Von den Studienergebnissen, es handelt sich um eine monozentrische Querschnittstudie, erhoffen sich die Münchener Forscher u. a. ein besseres Verständnis der langfristigen Entwicklung der Fontan-Patienten, um die Familie und die Patienten früh im Leben besser beraten zu können. Auch könnte die Studie medizinische Probleme und Bedürfnisse dieses komplexen Patientenkollektivs zutage fördern. Umfrage an EMAH mit Fontan- oder Fontan-ähnlicher OP im Kindesalter Zu diesem Zweck führt die kinderherzchirurgische Forschergruppe eine Umfrage unter EMAH-Patienten durch, die im Kindesalter am DHM einer Fontan- oder Fontan-ähnlichen Operation unterzogen wurden. Die Evaluation umfasst (als primäre Endpunkte) den Gesundheitszustand, das physische und psychische Gesundheits- und Krankheitsempfinden („Lebensqualität“) sowie die soziale Teilnahme der EMAH-Patienten. Sekundäre Endpunkte der Studie sind patientenberichtetes Gesundheitsverhalten, Komorbiditäten und fontanspezifische Komplikationen. Konkret erfasst die Umfrage neben der allgemeinen Lebenszufriedenheit der EMAH-Patienten auch den Gesundheitszustand über Aspekte wie allgemeines Befinden, Mobilität, physische Aktivität und Einschränkung, Schmerz sowie Angst und Depression. Auch erfassen die Studienautoren Angaben zum Gesundheitsverhalten zum Beispiel in der Zahnhygiene oder beim Substanzkonsum, zur sozialen Lebenssituation (Zivilstand, Kinder, Ausbildungszustand, Berufstätigkeit, Führerschein). Die per E-Mail kontaktierten EMAH-Patienten erhalten Fragen aus standardisierten Fragebögen. Die Antworten werden mithilfe einer für jedes Formular spezifischen Skala in eine Punktzahl umgewandelt. „Dadurch können wir die Lebensqualität und Morbidität objektiv beurteilen und auch mit anderen Patientengruppen, beispielsweise nicht fontan-operierten EMAH vergleichen“, erklärt Schaeffer. In die Studie eingeschlossen werden derzeit volljährige Patienten, bei denen in der Kindheit eine Fontan-Operation am Deutschen Herzzentrum München durchgeführt worden ist. Bisher erhielten rund 790 Patienten eine Fontan- oder Fontan-ähnliche OP am DHM. Von diesen kämen circa 280 EMAH-Patienten infage, die vor 2005 geboren wurden und die Einschlusskriterien für die Studie erfüllen.
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