Hindernisse auf der Rennstrecke des Lebens

RNA-Polymerase bei der Transkription von DNA in RNA. (Graphik: ©Juan Gärtner – stock.adobe.com)

Bei der Übersetzung von Erbinformation in Proteine übernimmt die messenger-RNA (mRNA) eine wichtige Rolle. Ihre Produktion ist ein heikler Prozess. Ein Forschungsteam der Uni Würzburg hat jetzt einen einflussreichen Akteur identifiziert.

Die Coronapandemie hat dafür gesorgt, dass der Begriff „mRNA“ inzwischen auch jenseits von Laboren und Hörsälen einer großen Öffentlichkeit geläufig ist. Das Molekül ist allerdings mehr als ein wichtiger Baustein eines erfolgreichen Impfstoffs gegen das SARS-CoV-2-Virus. „mRNAs sind zentraler Bestandteil aller Lebewesen auf unserem Planeten. Ohne sie würde das Leben in der Form, wie wir es kennen, nicht funktionieren“, sagt Elmar Wolf.

Wolf ist Professur für Tumorsystembiologie am Lehrstuhl für Biochemie und Molekularbiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Mit seiner Forschungsgruppe hat er jetzt neue Details der Entstehung von mRNA entschlüsselt, die etwas darüber verraten, wie ein fundamentaler Prozess im Zellinneren abläuft: die Transkription.

Aus Information wird Eiweiß

Der Übersetzungsprozess von der DNA zur mRNA hört sich vergleichsweise simpel an: „Man kann sich die Transkription wie ein Hindernisrennen vorstellen. Die RNA-Polymerase beginnt am Anfang des Gens mit dem Ableseprozess, bewegt sich dann durch das gesamte Gen, um am Ende die Ziell inie zu erreichen“, erklärt Wolf. Wenn die Polymerase es bis ins Ziel schafft, ist die mRNA produziert. Dass im Laufe dieses Rennens viel schiefgehen kann, ist der Wissenschaft seit Langem bekannt, immerhin handelt es sich bei vielen Genen um eine lange, hindernisreiche „Rennstrecke“.

An schwierigen Stellen scheitert die Polymerase

Um besser verstehen zu können, was auf molekularer Ebene während des Rennens passiert, haben Wolf und sein Team den Vorgang der Transkription genau unter die Lupe genommen. „Wir haben einen wichtigen Bestandteil der RNA-Polymerase untersucht: das Protein SPT6“, erklärt Wolf. Die Frage, der sie dabei nachgegangen sind, lautet: „Ist SPT6 wichtig für den Prozess der Transkription und – wenn ja – inwiefern?“

Um dies zu erfahren, entfernten die Forschenden das Protein aus den Zellen. Das Ergebnis war ziemlich eindeutig: „Interessanterweise fängt die RNA-Polymerase auch ohne SPT6 damit an, mRNA herzustellen“, schildert Wolf. Dann aber bleibe sie regelmäßig an schwierigen Stellen hängen.

Neues Bild von der Transkription

Dieses Scheitern hat zwei Folgen, die sich negativ auf die Zellfunktion auswirken: Zum Einen schafft es kaum eine RNA-Polymerase bis ins Ziel, weshalb kaum noch mRNA hergestellt wird. Zum Anderen wird aber auch das Gen selber in Mitleidenschaft gezogen. „Ohne SPT6 zerstört die Polymerase die Hindernisse und die Rennstrecke, weshalb dann auch funktionstüchtige RNA-Polymerasen den Weg nicht mehr finden“, sagt Wolf. Somit sei klar, dass das SPT6-Protein ein zentrales Element bei der Herstellung von mRNA in Zellen ist.

Diese Erkenntnisse tragen den Forschenden zufolge dazu bei, das Bild von der Transkription ein wenig zu schärfen: „Bislang war die Wissenschaft davon ausgegangen, dass für die mRNA-Produktion nur entscheidend ist, wie viele RNA-Polymerasen die Transkription beginnen“, sagt Wolf. Nun sei klar, dass längst nicht alle RNA-Polymerasen, die den Transkriptionsprozess beginnen, es tatsächlich auch bis zum Ende des Gens schaffen, und dass das Protein SPT6 von wesentlicher Bedeutung für das Ankommen ist.

Originalpublikation:
Narain A et al. Targeted protein degradation reveals a direct role of SPT6 in POL2 elongation and termination.  Molecular Cell, 6. Juli 2021