Immunzellen des Gehirns mit Licht steuern

Mikroglia in Zellkultur, die Amyloid-Beta-Proteinen ausgesetzt wurden. Man beachte die heterogene Form der Mikroglia, von denen einige längere, verschlungene Fortsätze aufweisen, während die anderen eher klecksförmig sind. (Bildquelle: E. Novakova und R. Sansevrino, DZNE/AG Milovanovic)

Ein internationales Team, das Forschende des DZNE, des Universitätsklinikums Bonn, aus den Niederlanden sowie den USA umfasst, hat vom „Human Frontier Science Program“ eine Förderung in Höhe von 1,3 Millionen US-Dollar erhalten, um Immunzellen des Gehirns zu untersuchen und per Lichteinstrahlung zu manipulieren. Dabei nutzen sie mRNAs als molekulare Vermittler. 

Das Gehirn beherbergt eine besondere Klasse von Immunzellen, die Mikroglia: Sie beseitigen Giftstoffe, entfernen zelluläre Rückstände, bekämpfen Krankheitserreger – und tragen so zur Gesundheit des Gehirns bei. „Diese Immunzellen wandern durch das Gewebe und überwachen die lokale Umgebung mit kleinen Fortsätzen. Wenn die Mikroglia eine Gefahr wahrnehmen, werden sie aktiviert, was mit Veränderungen ihrer Morphologie einhergeht. Zunächst verändern sich die Ausmaße und Verzweigungen ihrer Fortsätze und schließlich nehmen die Mikroglia eine klecksartige Form an“, sagt Dr. Dragomir Milovanovic, Biochemiker und Forschungsgruppenleiter am DZNE-Standort Berlin. „Diese Verwandlung ist essenziell für die immunologische Funktion der Mikroglia. Allerdings ist unklar, wie dieses dynamische Verhalten zustande kommt. Mit unseren Studien wollen wir mehr über die Mechanismen erfahren, die daran beteiligt sind. Es ist bekannt, dass die Mikroglia im Zuge einer Alzheimer-Erkrankung überaktiv werden und ihre anfangs positive Wirkung in chronischer Entzündungsreaktion ausartet. Ein besseres Verständnis der Mikroglia könnte daher helfen, neue Therapien zu entwickeln.“

Ein Schalter für das Verhalten von Mikroglia

Für dieses Vorhaben arbeitet Milovanovic mit drei Kolleginnen und Kollegen zusammen, darunter Prof. Kathrin Leppek vom Universitätsklinikum Bonn sowie Fachleuten von der Universität Utrecht in den Niederlanden und der University of California, Berkeley in den USA. „Wir sind ein interdisziplinäres Team, in das jedes Mitglied seine spezifische Expertise einbringt. Dazu gehören Zellbiologie, RNA- und Protein-Biochemie, synthetische Chemie und andere Bereiche“, erläutert der DZNE-Wissenschaftler. Unterstützt durch einen „Early Career Research Grant“ des Human Frontier Science Program (HFSP).

Proteinherstellung im Visier

Jüngste Studien deuten darauf hin, dass die morphologische Veränderung der Mikroglia durch Proteine reguliert wird, die im Randbereich der Zelle, einschließlich ihrer Fortsätze, hergestellt werden. Dies erfordert mRNAs sowie molekulare Maschinen, die mRNA-Moleküle in Proteine „übersetzen“. „Es scheint, und das wollen wir im Detail untersuchen, dass die mRNA-Moleküle, die für morphologische Veränderungen relevant sind, gemeinsam mit Proteinfabriken in Granula verpackt werden. Dies geschieht in der Nähe des Zellkerns. Von dort aus werden diese Granula, die wie winzige Tröpfchen in einer anderen Flüssigkeit schweben, an andere Orte transportiert“, erläutert Milovanovic.

„Unsere Zusammenarbeit zielt daher darauf ab, mRNAs zu identifizieren, die an den morphologischen Veränderungen beteiligt sind. Außerdem wollen wir lichtempfindliche chemische Verbindungen entwickeln, die sich an mRNAs anlagern können, um deren Transport und die Proteinherstellung an bestimmten Stellen in der Zelle zu regulieren. Dazu müssen wir Mikroglia-mRNAs identifizieren und charakterisieren, die wir mit durch Licht schaltbaren RNA-Werkzeugen gezielt ansprechen können“, sagt Leppek, RNA-Biochemikerin und Forschungsgruppenleiterin am Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie des Universitätsklinikums Bonn. „Mit diesem innovativen Ansatz wollen wir dazu beitragen, die Biologie der Mikroglia und ihre Rolle bei Erkrankungen besser zu verstehen. Unsere Untersuchungen könnten den Weg zu neuartigen Therapien bereiten.“

Ein wettbewerbsbasiertes Auswahlverfahren

Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren. Die Fördermittel waren hart umkämpft, denn die Erfolgsquote von Anträgen lag bei nur 6,5 Prozent. „Die Gewinner des diesjährigen HFSP Research Grant Program sind bemerkenswerte Forschende. Sie leisten Pionierarbeit in biowissenschaftlicher Forschung, die internationale Zusammenarbeit und Grundlagenforschung zu Fragestellungen erfordert, für die es bislang keine Studien gibt“, sagt Pavel Kabat, HFSP-Generalsekretär. „Ich war begeistert von den Vorschlägen, die wir erhalten haben, und freue mich auf die bahnbrechenden Entdeckungen, die die daraus entstehen werden.“