Hochdurchsatz-Imaging von Proteinen mit Nanobodies auf der Nanoskala

Modell (keine Messung) aller Proteine in einem Zellbereich. Quelle: Silvio Rizzoli

Prof. Silvio Rizzoli koordiniert das internationales Projekt „IMAGEOMICS“ zur Entwicklung einer neuartigen molekularen Bildgebung. Ziel ist es, das Proteom auf der Nanoskala abzubilden.

Proteine bestimmen und messen zu können, ist für die biologische und medizinische Forschung von großer Bedeutung. Molekulare Bildgebung eröffnet Einblicke in subzelluläre Vorgänge, die auf der Zusammenarbeit von mehreren tausend Proteinen beruhen. Doch mit konventioneller molekularer Bildgebung lassen sich bisher nur einzelne Proteine zeitgleich darstellen, nicht aber sämtliche Proteine (das Proteom) einer Probe.

Mit einer Kombination von neuartigen (Affinitäts-)Sonden und nanoskaliger Bild-gebung will der Göttinger Wissenschaftler Prof. Silvio Rizzoli, Direktor des Instituts für Neuro- und Sinnesphysiologie und Sprecher des Center for Biostructural Imaging and Neurodegeneration (BIN) der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), mit einem internationalen Team den Durchsatz bei der molekularen Bildgebung zum Sichtbarmachen von Proteinen deutlich erhöhen.

Die IMAGEOMICS-Strategie soll idealerweise in einem Bildgebungsvorgang Informationen über das gesamte Proteom von Zellen, Geweben oder einer Probe liefern und so unter anderem den Weg für eine verbesserte Diagnostik verschiedener Krankheiten ebnen. Das Forschungsvorhaben IMAGEOMICS (für: „Imaging the proteom at the nanoscale“) wird von der Europäischen Union (EU) als „neuartige Idee für eine radikal neue Technologie“ über das Förderprogramm „FET Open – Novel ideas for radically new technologies“ mit insgesamt 3,7 Mio Euro für 42 Monate gefördert. Das Projekt startete am 1. Juli 2021.

Mit im Projekt sind Prof. Doron Gerber vom Nanotechnology Institute der Bar Ilan University, Israel, Dr. Steffen Frey von der NanoTag Biotechnologies, GmbH, Göttingen, sowie Prof. Ilaria Testa vom Advanced Optical Bio-Imaging Laboratory der Königliche Technische Hochschule Stockholm, Schweden. Rizzoli koordiniert das Vorhaben.

Das Schlüsselprinzip der biologischen Bildgebung ist die spezifische Markierung. Das interessierende Protein wird erst durch die Markierung sichtbar. Die konventionelle molekulare Bildgebung zur Detektion von Proteinen verwendet Fluorophore (Fluroreszenzmarkierung) oder Antikörper, die auf einzelne Proteine gerichtet sind. Dieses Verfahren ist seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich, hat aber den großen Nachteil, dass jedes Protein einzeln markiert werden muss: Für jedes Protein werden spezifische Antikörper benötigt. Zudem kann nur eine sehr begrenzte Zahl von Antikörpern gleichzeitig zum Einsatz kommen. Diese Einschränkungen verhindern, dass die molekulare Bildgebung für Proteine zu einem „Omics“-Ansatz mit hohem Durchsatz wird.

Das Projekt zielt darauf ab, diese Einschränkung durch neuartige Affinitätssonden zu beheben. „Wir werden Affinitätssonden entwickeln, die mit hoher Spezifität nicht an bestimmte Proteine binden, sondern an Aminosäuresequenzen (Peptide), die in mehr als einem Protein vorhanden sind“, sagt Rizzoli. Über 20 bis 40 solcher Peptide will das IMAGEOMICS-Team so auswählen, dass praktisch jedes Protein im menschlichen Proteom eine bestimmte Untergruppe der Peptide enthält.

Koordinator des Projekts IMAGEOMICS: Silvio Rizzoli, Direktor des Instituts für Neuro- und Sinnesphysiologie der UMG und BIN-Sprecher. Foto: umg/fskimmel

In einem nächsten Schritt werden die Forschenden dann Nanobodies entwickeln, die an jedes dieser Peptide binden und sie zur Markierung biologischer Proben verwenden. Nanoantikörper sind als Antikörperfragmente sehr viel kleiner als klassische Antikörper und dringen optimal in biologische Proben ein. „Die so markierten biologischen Proben wollen wir im Nanomaßstab mit einer Auflösung abbilden, die ausreicht, um einzelne Proteine auf-zudecken. Auf diese Weise ‚lesen‘ wir die Sequenz jedes Proteins im Präparat. Das führt zu einem Bild seines gesamten Proteoms“, erläutert Rizzoli.

Mit der Anwendung des Ansatzes will das Projekt-Team zunächst auf zweidimensionalen Proben beginnen, wie zum Beispiel auf Deckgläsern adsorbierte Flüssigkeiten. Damit könnte der Grundstein für zukünftige diagnostische Studien für eine Vielzahl menschlicher Erkrankungen gelegt werden, die auf menschlichen Flüssigkeiten, wie Plasma oder Liquor basieren. In einem späteren Stadium sollen Zellen und Gewebe analysiert werden, indem dreidimensionale proteomische Bilder erzeugt werden. Rizzoli ist überzeugt: „Dieser Ansatz wird die Antikörper-basierte Bildgebung, Blotting und Diagnostik obsolet machen und hat daher ein immenses Potenzial.“

Über FET Open: Im Förderprogramm FET („Future and Emerging Technologies“) Open fördert die Europäische Union unkonventionelle neue Forschungsideen im Frühstadium, die auf fundamentale Durchbrüche für neue Technologien abzielen. Dabei sollen bestehende Paradigmen hinterfragt und Forschung an der Grenze des Wissens ermöglicht werden.