Hör-Expertise und neue Technik verbessern Lebensqualität

Konstantin Heckschen (l.) war 1995 der erste CI-Patient am Uniklinikum Dresden. Marcus Neudert (r.) leitet das HörCentrum am UKD. Foto: UKD/Michael Kretzschmar

Vor 30 Jahren wurde das Sächsische Cochlear Implant Centrum (SCIC) am Universitätsklinikum Dresden gegründet und seitdem 2514 taub geborenen oder hochgradig schwerhörigen Menschen mit einem Cochlea-Implantat (CI) versorgt.

Dank der großen chirurgischen und therapeutischen Expertise für Hörgeschädigte können Betroffene aller Altersgruppen heute in den meisten Fällen ohne die bislang üblichen massiven Einschränkungen ihrem Beruf nachgehen und ihren individuellen Alltag gestalten. „Kommunikative Teilhabe ist ein grundlegendes Element für das individuelle Wohlbefinden und die gesellschaftliche Integration jedes Menschen. Dank modernster Technologie und individueller Therapie sind wir in der Lage, vielen Menschen ihr Gehör und damit ein bedeutendes Stück Lebensqualität zurückzugeben“, betont Prof. Uwe Platzbecker, Medizinischer Vorstand am Universitätsklinikum Dresden.

Hörgeschädigte gibt es in allen Generationen. Besonders in der Altersgruppe der 18- bis 60-Jährigen sowie bei den über 60-Jährigen haben über zwei Drittel der Patientinnen und Patienten in der Region von einer Behandlung im SCIC am Uniklinikum Dresden profitiert. Aber auch Neugeborene werden aufgrund der großen Erfahrung aus den vergangenen 30 Jahren am SCIC behandelt und mit CIs ausgestattet.

Einsetzen des CI nur der erste Schritt

„Seit seiner Gründung 1995 wurden an unserem Zentrum mehr als 2500 Betroffene mit Hörverlust, davon allein 151 Patientinnen und Patienten im Jahr 2024, erfolgreich mit einem CI versorgt und ihnen damit eine aktivere Teilhabe am Leben ermöglicht“, resümiert Prof. Marcus Neudert, Leiter des HörCentrums der Hochschulmedizin Dresden.

„Das Einsetzen des Cochlea-Implantats ist nur der erste Schritt“, erklärt PD Dr. Susen Lailach, ärztliche Leiterin am SCIC. „Die Patientinnen und Patienten müssen sich das Hören wieder aneignen. Das ist ein langwieriger und anspruchsvoller Prozess, der sowohl Geduld als auch Empathie erfordert.“ Die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit gewährleistet am Uniklinikum die Basis für die positive Entwicklung. Erfahrene Operateurinnen und Operateure, das therapeutische Konzept des Zentrums sowie individuell abgestimmte Rehabilitationspläne bilden die Grundlage für erfolgreiche Behandlungen.

Spezialsprechstunden für individuelle Therapien

Das HörCentrum des Uniklinikums bietet eigenen Angaben zufolge Betroffenen individuelle und auf sie zugeschnittene Hilfe in Spezialsprechstunden. Symptome und Beschwerden rund um das Ohr oder das Hören sind vielschichtig und werden vor allem im Kindesalter oft spät erkannt. Daher ist die frühe Diagnose einer Hörstörung schon kurz nach der Geburt für eine normale Entwicklung des Sprachvermögens erforderlich. Demnach bietet das Universitätsklinikum drei spezialisierte Sprechstunden für Hör- und Ohrprobleme an: eine für implantierbare Hörsysteme, eine für allgemeine Ohr- und Hörkrankheiten sowie eine für kindliche Hörstörungen. Hier werden individuelle Behandlungen, Diagnosen und mögliche Therapien wie Cochlea-Implantate besprochen.

Erster CI-Patient praktiziert heute selbst als HNO-Arzt

Der erste CI-Patient am SCIC war 1995 Dr. Konstantin Heckschen. Heute ist er selbst HNO-Arzt und nutzt seine eigenen Erfahrungen, um anderen Betroffenen Mut zu machen. „Ich kann meinen Patientinnen und Patienten zeigen, dass ein normales Leben mit Cochlea-Implantat möglich ist und worauf es bei der Rehabilitation wirklich ankommt“, erklärt Dr. Konstantin Heckschen, der heute am Klinikum Bad Hersfeld praktiziert. „Zwar ist ein Implantat kein perfektes Ohr, aber ein sehr gutes.“ Besonders wichtig ist ihm, die Skepsis vieler Erwachsener zu nehmen und ihnen zu vermitteln, dass modernes Hören trotz Einschränkungen sehr gut funktionieren kann. Ziel des HNO-Experten ist es, das Thema Hören präsenter zu machen und mehr Aufmerksamkeit für die Chancen der modernen Hörmedizin zu generieren.

Weitreichende Entwicklung seit 1995

„Als ich 1995 mein Cochlea-Implantat bekam, musste ich noch einen Prozessor am Hosenbund tragen, der durch ein Kabel mit meinem Kopf verbunden war“, erinnert sich Heckschen. Heute sind die Geräte viel kleiner und sitzen direkt am Ohr. Die Implantate sind mittlerweile robuster und mit einer höheren Akkuleistung ausgestattet. Die größten Fortschritte gab es jedoch erst in den letzten Jahren, ermöglicht durch innovative Verarbeitungstechnologien, die das Sprachverstehen in lauter Umgebung erheblich verbessert haben. „Künstliche Intelligenz wird sicher zu nächsten großen Entwicklungen in der Signalverarbeitung und -weitergabe beitragen“, ist sich Neudert sicher.