Hörgeräte: Neuer Algorithmus verbessert Hören in lauter Umgebung14. Mai 2025 Foto: Wirestock/stock.adobe.com Laut einer aktuellen Studie könnte ein vom Gehirn inspirierter Algorithmus bei Hörgerätenutzern die Genauigkeit der Spracherkennung in lauten Situationen um bis zu 40 Prozentpunkte verbessern. Geschäftige Unterhaltungen können zu einem unübersichtlichen Durcheinander werden, selbst wenn jemand Hörgeräte trägt. Diese können die Hintergrundgeräusche oft nur schwer herausfiltern. Dieses Problem ist als „Cocktailparty-Problem“ bekannt – und Forscher der Boston University (BU), Boston (USA), glauben, dass sie eine Lösung dafür haben könnten: Ein neuer, vom Gehirn inspirierter Algorithmus könnte Hörgeräten dabei helfen, Störungen auszublenden und einzelne Sprecher in einer Menge von Stimmen zu isolieren. In Tests fand das Team um Kamal Sen heraus, dass er die Genauigkeit der Worterkennung um 40 Prozentpunkte im Vergleich zu aktuellen Hörgerätealgorithmen verbessern kann. „Wir waren sehr überrascht und begeistert von der Größenordnung der Leistungsverbesserung – es ist ziemlich selten, dass man so große Verbesserungen findet“, betont Sen, der Entwickler des Algorithmus und außerordentlicher Professor für Biomedizintechnik am BU College of Engineering. „Die Hauptbeschwerde von Menschen mit Hörverlust ist, dass sie Probleme haben, in lauten Umgebungen zu kommunizieren“, sagt Virginia Best, Forschungsprofessorin für Sprech-, Sprach- und Hörwissenschaften am BU Sargent College of Health & Rehabilitation Sciences und Co-Autorin der Studie. Vergleich mit aktueller Technik Im Rahmen der Studie testeten das Team auch die Fähigkeit aktueller Hörgerätealgorithmen, mit der Kakophonie auf Cocktailpartys umzugehen. Viele Hörgeräte verfügen bereits über Algorithmen zur Rauschunterdrückung und Richtmikrofone oder Beamformer, die dafür ausgelegt sind, von vorne kommende Geräusche zu verstärken. „Wir haben beschlossen, einen Vergleich mit dem Standardalgorithmus durchzuführen, der derzeit in Hörgeräten verwendet wird“, erklärte Sen. Dieser bestehende Algorithmus verbessere die Leistung nicht, sondern verschlechtere sie eher noch. Jetzt könne man mit Daten untermauern, was anekdotisch von Menschen mit Hörgeräten bekannt ist, so Sen weiter. Er hat den neuen Algorithmus – bekannt als BOSSA, was für biologisch orientierter Klangtrennungsalgorithmus steht – patentieren lassen und hofft auf Kontakte zu Unternehmen, die an einer Lizenzierung der Technologie interessiert sind. Sens Einschätzung nach komme der Durchbruch des BU-Teams zur rechten Zeit, da Apple in den Hörgerätemarkt einsteigt: Die neuesten AirPod Pro 2 Kopfhörer werden mit einer Hörgerätefunktion in klinischer Qualität beworben: „Wenn Hörgerätehersteller nicht schnell mit Innovationen beginnen, werden sie vom Markt verdrängt, weil Apple und andere Start-ups in den Markt eintreten“, meint Sen. Erfolgreiche Trennung von Klängen In den letzten 20 Jahren hat Sen untersucht, wie das Gehirn Geräusche kodiert und dekodiert, und dabei nach den Schaltkreisen gesucht, die an der Steuerung des Cocktailparty-Effekts beteiligt sind. Gemeinsam mit den Forschern seines Natural Sounds & Neural Coding Laboratory hat er aufgezeichnet, wie Schallwellen in den verschiedenen Stadien der Hörbahn verarbeitet werden, und ihre Reise vom Ohr bis zur Übersetzung durch das Gehirn verfolgt. Ein Schlüsselmechanismus: hemmende Neuronen, Gehirnzellen, die dazu beitragen, bestimmte, unerwünschte Geräusche zu unterdrücken. „Man kann es sich als eine Art interne Geräuschunterdrückung vorstellen“, führt er aus. „Wenn an einem bestimmten Ort ein Geräusch ertönt, werden diese hemmenden Neuronen aktiviert“. Sen zufolge sind verschiedene Neuronen auf unterschiedliche Orte und Frequenzen abgestimmt. Der Ansatz des Gehirns stand Pate für den neuen Algorithmus, der räumliche Anhaltspunkte wie die Lautstärke und das Timing eines Geräuschs nutzt, um sich darauf einzustellen oder es auszublenden und die Worte eines Sprechers je nach Bedarf zu verstärken oder zu dämpfen. „Es handelt sich im Grunde um ein Rechenmodell, das das Gehirn nachahmt“, erklärt Sen, der mit den Zentren für Neurophotonik und Systemneurowissenschaften der BU verbunden ist, „und tatsächlich Schallquellen auf der Grundlage des Schalleingangs trennt“. „Letztendlich kann man nur durch Verhaltensstudien herausfinden, ob sich ein Nutzen für den Hörenden ergibt“, so Best, Expertin für räumliche Wahrnehmung und Hörverlust, „und das erfordert Wissenschaftler und Kliniker, die die Zielgruppe verstehen.“
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