Hörverlust durch cCMV-Infektion: Welche Neugeborenen sollten gescreent werden?

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Ein Drittel der Fälle von Hörverlust, die auf eine konnatale Cytomegalievirus-Infektion (cCMV-Infektion) zurückgehen, tritt nach der Geburt auf. Das belegt eine aktuelle US-amerikanische Studie. Die Autoren plädieren für ein cCMV-Screening bei Neugeborenen.

Ein Team um Dr. Maria A. Carrillo-Marquez, von der Abteilung für Pädiatrie und Infektionskrankheiten am Health Science Center der University of Tennessee in Memphis (USA) hatte die audiologischen Ergebnisse von Neugeborenen erhoben, die auf cCMV gescreent worden waren. Für die Autoren unterstreichen ihre Ergebnisse die Bedeutung von Früherkennungsprogrammen, um Säugling mit einen erhöhten Hörverlust-Risiko zu identifizieren. Die Studie ist aktuell in „Otolaryngology – Head Neck Surgery“ erschienen.

„Unsere Studie unterstreicht die tiefgreifenden Auswirkungen einer cCMV-Infektion auf das Hörvermögen und die Bedeutung universeller Screening-Programme“, betonte Carrillo-Marquez. Sie hält flächendeckendes Screening für unerlässlich. So sei es möglich, Babys mit einem Risiko für Hörverlust zu identifizieren, die aufgrund ihrer Symptome oder allein durch das Neugeborenen-Hörscreening übersehen würden.

Hörverlust bei rund zehn Prozent der Neugeborenen mit cCMV-Infektion

Die Forscher analysierten im Rahmen ihrer retrospektiven Kohortenstudie Daten von 247 cCMV-positiven Neugeborenen, die zwischen März 2016 und Mai 2024 durch PCR-Speicheltests in drei Säuglingsstationen und einer Neugeborenen-Intensivstation in Memphis, Tennessee, identifiziert worden waren. Das Team klassifizierte die Säuglinge anhand ihrer Symptome bei der Geburt.

Von den 247 cCMV-positiven Neugeborenen (134 [54,2%] männlich) waren 77 (31,17%) symptomatisch. Bei 16 von ihnen wurde sensorineuraler Hörverlust diagnostiziert (SNHL) diagnostiziert, 12 wiesen bilateralen SNHL (BHL) und 4 unilateralen SNHL (UNHL) auf. Drei der kleinen Patienten mit Symptomen entwickelten später UNHL. Unter den asymptomatischen Neugeborenen gab es drei, die innerhalb des ersten Lebensjahres einen UNHL entwickelten und einen, bei dem sich ein BHL zeigte. Insgesamt diagnostizierten die Forschenden in dieser Kohorte bei 24 Säuglingen (ca. 10%) SNHL.

Höhere Raten an Mikrozephalie und intrakraniellen Verkalkungen

Insgesamt 58 der kleinen Patienten mit cCMV-Infektion wurden mit Valganciclovir therapiert, darunter zehn, die später SNHL entwickelten. Bei fünf von ihnen verschlechterte sich der Zustand oder es trat keine Besserung ein. Bei zehn von 14 der unbehandelten Fälle mit SNHL verschlechterte sich das Hörvermögen oder es trat keine Besserung ein, bei zwei von 14 blieb der Zustand stabil.

Die Autoren verglichen Säuglinge mit SNHL und normalem Hörvermögen auch in Bezug auf weitere Faktoren: So wiesen die Patienten mit SNHL eine höhere Rate an Mikrozephalie und intrakraniellen Verkalkungen auf, während sich keine Unterschiede in der CMV-Viruslast im Urin bei Geburt zeigten. In der aktuellen Kohorte haben neun Patienten Cochlea-Implantate (7 bilateral, 1 unilateral) und vier haben Hörgeräte (3 bilateral, 1 unilateral).

Einfluss sozialer Faktoren mit Blick auf die Nachsorge

Außerdem belegen die Studienergebnisse, dass soziale Benachteiligung ging mit weniger Nachsorgeterminen einherging. Das unterstreiche den Einfluss sozialer Determinanten der Gesundheit auf die Langzeitversorgung, betonen die Autoren. Insbesondere bei Familien mit schlechtem sozioökonomischen Status legte das Team um Carrillo-Marquez erhebliche Herausforderungen bei der Nachsorge offen: Von den ursprünglich 247 Patienten erschienen 137 (55 %) zwischen den Untersuchungszeiträumen von einem und drei Monaten nicht zur Nachsorge. Die Mehrheit dieser Familien war sozial vulnerabel. Daher brauche es neben Screening-Programmen auch umfassende Unterstützungssysteme.

cCMV-Infektion: Leitlinie gibt Empfehlungen zu Prävention, Diagnostik und Therapie

Nicht nur aufgrund dieser Studienergebnisse fordert die US-amerikanische Fachgesellschaft, die American Academy of Otolaryngology–Head and Neck Surgery (AAO-HNS) bessere nationale Rahmenbedingen für ein cCMV-Screening. Entsprechende Programme gibt es bisher der AAO-HNS zufolge nur in bestimmten Bundesstaaten.

Hierzulande gibt die in diesem Sommer neu aufgelegte S2k-Leitlinie „Prävention, Diagnostik und Therapie der CMV-Infektion bei Schwangeren und der konnatalen CMV-Infektion bei Neugeborenen und Kindern“ Empfehlungen zu Therapie und Prävention bei cCMV-Infektionen. Sie empfiehlt etwa eine Labordiagnostik bei Neugeborenen, wenn bei der Mutter eine CMV-Primär-Infektion oder -Reinfektion bzw. Reaktivierung bekannt ist. Die Leitlinie empfiehlt außerdem eine Diagnostik bei Neugeborenen CMV-seropositiver Mütter unter bestimmten Voraussetzungen. Betroffene Neugeborenen sollten so schnell wie möglich nach der Geburt getestet werden. (ja/BIERMANN)