Hörverlust mit erhöhtem Herzinsuffizienz-Risiko assoziiert

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Die durch Schwerhörigkeit verursachte Belastung scheint eine Schlüsselrolle bei dem beobachteten Zusammenhang zwischen Hörverlust und dem Risiko eine Herzinsuffizienz zu entwickeln, zu spielen. Das hat eine große Beobachtungsstudie ergeben.

Hörminderungen werden mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Als Grund wird die daraus resultierende soziale Abgeschiedenheit vermutet. Allerdings hat noch keine Studie den Zusammenhang zwischen objektiv gemessenem Hörvermögen und dem Risiko, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln, umfassend untersucht.

Um diese Wissenslücke zu schließen, wertete das Team um Erstautor Yu Huang, Guangzhou, China, die Daten von 164.431 Teilnehmern aus der britischen Biobank aus, von denen 4369 Hörgeräte trugen. Keiner von ihnen hatte von Anfang an eine Herzinsuffizienz. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei 56 Jahren und 89.818 (etwa 55 %) waren Frauen

Das Hörvermögen wurde objektiv mit dem validierten Digit Triplets Test und der Sprachempfangsschwelle (SRT) gemessen. Die Teilnehmer (160.062), die keine Hörgeräte trugen, wurden entsprechend ihrer Leistung beim DTT in drei Gruppen eingeteilt: normal (140.839; 88%), unzureichend (16.759; 10,5 %) und schlecht (2464; 1,5 %).

Mit Hilfe von Fragebögen wurden umfassende Informationen über den aktuellen Gesundheitszustand, den Lebensstil und psychosoziale Faktoren erhoben. Die soziale Isolation wurde anhand einer zusammengesetzten Definition in der UK Biobank bewertet, die sich aus Punkten (1-3) für die Anzahl der im Haushalt lebenden Personen, die Häufigkeit von Besuchen bei Freunden oder Verwandten und Freizeit- oder sozialen Aktivitäten zusammensetzt. Personen mit einem Wert von 2 oder 3 wurden als sozial isoliert eingestuft. Die psychische Belastung wurde anhand einer vier Punkte umfassenden Version des Patientengesundheitsfragebogens (PHQ-4) mit einer Punktzahl von 0 bis 12 bewertet. Der Neurotizismus, ein mit der Depression zusammenhängendes Persönlichkeitsmerkmal, wurde anhand von 12 Fragen aus dem Eysenck Personality Questionnaire-Revised Short Form bewertet.

Die Entwicklung einer Herzinsuffizienz bei denjenigen, die nicht genetisch prädisponiert waren, wurde anhand von Krankenakten und Totenscheinen während einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 11,5 Jahren ermittelt. Während dieser Zeit entwickelten 4449 (fast 3 %) der Teilnehmer eine Herzinsuffizienz. Bei Teilnehmern, die keine Hörgeräte trugen, stand der SRT-Wert in einem signifikant positiven Zusammenhang mit dem Risiko, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln.

Im Vergleich zu den Teilnehmern mit normalem Hörvermögen lag das bereinigte erhöhte Risiko, an einer Herzinsuffizienz zu erkranken, bei 15 beziehungsweise 28 Prozent für unzureichendes und schlechtes Hören und bei 26 Prozent für das Tragen von Hörgeräten. 

Der Zusammenhang zwischen SRT-Werten und dem Risiko einer Herzinsuffizienz war bei Personen, die zu Beginn der Studie keine koronare Herzkrankheit oder einen Schlaganfall hatten, stärker.

Die SRT-Werte waren bei denjenigen, die keine Hörgeräte trugen, signifikant positiv mit sozialer Isolation, psychischem Stress und Neurotizismus verbunden. Und diese Faktoren spielten eine wesentliche Rolle bei den beobachteten Assoziationen bei den Teilnehmern, die keine Hörgeräte trugen. Sie machten jeweils drei, 17 und 3 Prozent des erhöhten Risikos für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz aus.

Wenn die Werte für soziale Isolation, psychische Belastung und Neurotizismus bei den Teilnehmern, die vollständige Daten zu diesen Faktoren hatten, kombiniert wurden, betrug der vermittelnde Effekt insgesamt etwas mehr als neun Prozent.

Dies war weniger als die Summe der vermittelnden Effekte jedes einzelnen Faktors, die sich auf 19,5 Prozent belief, was auf eine Überschneidung und Interaktion zwischen diesen drei Faktoren hindeutet, so die Vermutung der Studienautoren.

Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, können Ursache und Wirkung nicht festgestellt werden. Außerdem wurden die Daten über das Gehör nur zu Beginn der Studie erhoben, während die Teilnehmer der aktuellen Studie hauptsächlich europäischer Abstammung und gesünder als die britische Allgemeinbevölkerung waren, räumen sie ein.

Aber es gibt plausible biologische Erklärungen für ihre Ergebnisse, erklären die Autoren: „Die reiche Verteilung von Kapillaren in der Cochlea und der hohe Stoffwechselbedarf des Innenohrs machen diese Regionen möglicherweise anfälliger für systemische Gefäßstörungen und nicht nur für lokale Durchblutungsprobleme.“ Daher könne eine Hörminderung die vaskuläre Gesundheit widerspiegeln und als ein früher und empfindlicher Prädiktor für kardiovaskuläre Erkrankungen, einschließlich Herzinsuffizienz, dienen.

„Bemerkenswert ist, dass sowohl die Teilnehmer, die ein Hörgerät benutzten, als auch diejenigen mit schlechtem Hörvermögen ein ähnlich signifikant erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Herzinsuffizienz aufwiesen“, erklären die Studienautoren. Das deute darauf hin, dass Hörgeräte zwar die Hörfunktion verbessern können, aber möglicherweise nicht die zugrunde liegenden vaskulären Probleme angehen, die zum Risiko einer Herzinsuffizienz beitragen.

„Da Hörprobleme zu Schwierigkeiten beim Sprachverständnis und einer geringen Beteiligung an sozialen Aktivitäten führen können, sind Menschen mit Hörminderung eher von sozialer Isolation, psychologischen Problemen, Angst und Depression betroffen als Menschen ohne Hörminderung“, schlussfolgert das Team um Erstautor Huang. Sie gehen davon aus, dass diese psychologischen Faktoren die Aktivität des sympathischen Nervensystems und der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse erhöhen und Entzündungen und oxidativen Stress verstärken können. Dadurch würden die Atherosklerose beschleunigt, die periphere Belastung erhöht und die Entwicklung eines Herzumbaus gefördert wird.

Die Ergebnisse unterstreichen nach Ansicht der Autoren, wie wichtig es ist, die Beurteilung der Hörgesundheit in ein breiteres Rahmenwerk zur Bewertung des kardiovaskulären Risikos zu integrieren. Und eine verstärkte psychologische Intervention bei Menschen mit Hörminderung könnte der Schlüssel zur Eindämmung des Risikos einer Herzinsuffizienz sein, so die Forscher.