Hoffnung auf neue Zelltherapien: Immunzellen vergessen Kulturschock24. Februar 2022 Alveolarmakrophagen, hier als rote Punkte in einer ansonsten transparenten Mauslunge sichtbar. (Abbildung: © Sara Gholamhosseinian Najjar, Michaela Burkon) Eine neue Studie zeigt, dass bestimmte Immunzellen wieder normal funktionieren können, wenn sie nach einer Vermehrung unter Laborbedingungen wieder zurück in den Körper gebracht werden. Diese Ergebnisse ebnen den Autorinnen und Autoren zufolge den Weg für neue Zelltherapien. Die Wissenschaft sieht Makrophagen als vielversprechende lebende Therapeutika an. Um jedoch wirksam für Therapien eingesetzt werden zu können, müssen Makrophagen in Laborkulturen in großer Anzahl kultiviert werden, ohne dass sie ihre speziellen Funktionen verlieren. Bislang war unklar, ob dies überhaupt möglich ist. Forschende aus Dresden und Marseille (Frankreich) berichten nun, dass Makrophagen wieder normal funktionieren können, wenn sie nach langer Kultivierung im Labor zurück in den Körper transferiert werden und dass sie sich dabei nicht von den Zellen unterscheiden, die das Gewebe nie verlassen haben. Die Wissenschaft betrachtet Makrophagen als potenzielle neue lebende Arzneimittel zur Heilung geschädigter Organe, Bekämpfung von Infektionen und der Krebsbekämpfung. Um dies zu erreichen, müssen die Zellen jedoch außerhalb des Körpers in großer Zahl vermehrt werden. Bislang war dies bei Makrophagen schwierig. Darüber hinaus gab es ernsthafte Bedenken, dass sie unter Laborbedingungen ihre besonderen Fähigkeiten verlieren könnten. Die Zellkultur ist eine gängige Technik, die im Laufe der Jahre enorme Fortschritte in Biologie und Medizin ermöglicht hat. Allerdings befinden sich die im Zellkulturen gehaltenen Zellen außerhalb ihrer natürlichen Umgebung und somit nicht den Körpersignalen ausgesetzt, die für ihre Funktion wesentlich erscheinen. Die Zellen werden in Plastikkulturschalen vermehrt und mit künstlichen Nährlösungen versorgt. Sie müssen sich an diese neuen Bedingungen anpassen – ein echter Kulturschock. „Wir wollten genau wissen, wie sich die Zellen bei längerer Zellkultur verändern und ob diese Veränderungen dauerhaft sind oder nicht”, erklärt Prof. Michael Sieweke, Alexander-von-Humboldt-Professor an der Technischen Universität (TU) Dresden. Siewekes Team am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) der TU Dresden und dem Center of Immunology Marseille Luminy (CNRS, INSERM, Aix-Marseille University) untersuchte in der Maus Lungenmakrophagen. Dem Team gelang es, die Zellen unter Laborbedingungen über mehrere Monate und in großer Zahl zu vermehren. Obwohl ihr Aussehen und ihre allgemeinen Eigenschaften gleichblieben, hatten sie bei näherer Betrachtung aber viele Eigenschaften verändert, um sich an die Kulturbedingungen im Labor anzupassen. „Jede Zelle in unserem Körper hat den gleichen Satz von Genen, aber die Zellen unterscheiden sich darin, welche Gene eingeschaltet und welche ausgeschaltet sind. Man kann sich das wie einen molekularen Fingerabdruck der Zelle vorstellen – eine einzigartige Kombination von eingeschalteten Genen, die zum Beispiel einen Lungenmakrophagen von einem Darmmakrophagen und einer Gehirnzelle unterscheiden”, sagt Sethuraman Subramanian, Erstautor der Studie. Die Forschenden haben das Genexpressionsmuster der im Labor gezüchteten Zellen mit den entsprechenden Zellen aus der Lunge verglichen und dabei erhebliche Unterschiede festgestellt. „Dies war zu erwarten. Auf einer Plastikoberfläche zu leben und alle Nährstoffe zur Verfügung zu haben, ist etwas ganz anderes als die natürlichen Bedingungen im Körper. Die Zellen mussten sich an die neuen Bedingungen gewöhnen und taten dies, indem sie die Aktivitätsstatus von mehr als 3000 Genen änderten. Die Frage, die uns wirklich interessierte, war jedoch, ob diese Veränderungen umkehrbar sind”, erklärt Sieweke. Das Vergessen der Kultur Das Team transferierte die im Labor gezüchteten Makrophagen zurück in ihre natürliche Umgebung in der Mauslunge. Detaillierte Vergleiche zeigten, dass die im Labor gezüchteten Zellen nicht von ihren Äquivalenten, die die Lunge nie verlassen hatten, zu unterscheiden waren. „Wir waren sehr überrascht zu sehen, dass die großen Anpassungen an die Kulturbedingungen im Labor, die die Makrophagen vorgenommen hatten, sich als vollständig reversibel erwiesen. Die Makrophagen hatten ihre Laborerfahrung vollkommen ‚vergessen‘ und nahmen ihre normale Funktion und ihre normale Genaktivität in der Lunge vollständig wieder auf, ohne Beeinträchtigung oder Erinnerung an den vorherigen Kulturschock”, sagt Clara Busch, ebenfalls Erstautorin der Studie. Zelltherapien der Zukunft Obwohl die Forschung an Mäusen durchgeführt wurde, eröffnet sie vielversprechende Aussichten für Therapien beim Menschen. Die Fähigkeit, Makrophagen zwischen Zellkulturen und ihrer natürlichen Umgebung zu transferieren, hat großes Potenzial für künftige makrophagenbasierte Zelltherapien. Lungenmakrophagen könnten so im Labor vermehrt und experimentell auf die Bekämpfung bestimmter Krankheiten zugeschnitten werden, bevor sie in die Lunge des Patienten gebracht werden, wo sie dann sofort ihre Funktion erfüllen können. Ein solches System könnte zur Behandlung von Krebs, fibrotischen Erkrankungen oder Infektionen in der Lunge wie bei COVID-19 eingesetzt werden. Mittelfristig könnte dies auch für andere Organe möglich sein. „Diese Studie begann lange vor dem Ausbruch der Pandemie, zeigt aber einmal mehr, dass Grundlagenforschung, als Quelle für künftige therapeutische Anwendungen dienen kann”, betont Sieweke.
Mehr erfahren zu: "DKG zur ePA: „Kliniken treiben Umsetzung aktiv voran“" DKG zur ePA: „Kliniken treiben Umsetzung aktiv voran“ Fast alle Klinken in Deutschland (98%) haben mit den organisatorischen Vorbereitungen zur Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) begonnen. Dies geht aus einer aktuellen Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) hervor.
Mehr erfahren zu: "Shampoo-ähnliches Gel könnte zu Haarerhalt unter Chemotherapie beitragen" Shampoo-ähnliches Gel könnte zu Haarerhalt unter Chemotherapie beitragen Forscher der Michigan State University (MSU) haben ein Shampoo-ähnliches Gel entwickelt, das in Tierversuchen getestet wurde und Haarausfall während einer Chemotherapie verhindern könnte.
Mehr erfahren zu: "Hinweise auf generationenübergreifende Folgen der Passivrauchexposition gefunden" Hinweise auf generationenübergreifende Folgen der Passivrauchexposition gefunden Kinder, deren Väter dauerhaft Passivrauch ausgesetzt waren, haben später im Leben ein erhöhtes Risiko für eine Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), wie eine neue Studie zeigt. Dieses Risiko nimmt noch zu, wenn […]