Hoffnungsvolle Töne zum Beginn des 124. Deutschen Ärztetags

Ärztepräsident Klaus Reinhardt eröffnet den 124. Deutschen Ärztetag. Foto: Bundesärztekammer

Zum Beginn des 124. Deutschen Ärztetags am 04.05.2021 zeigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Ärztepräsident Dr. Klaus Reinhardt zuversichtlich, dass die COVID-19-Pandemie bald überwunden sein wird.

In einem Grußwort bedankte sich die Bundeskanzlerin ausdrücklich bei den ÄrztInnen und PflegerInnen, für ihren „aufopferungsvollen Einsatz“ in der Pandemie. Die Pandemie dauere jetzt schon ein Jahr an, und auch in der dritten Welle gäben die ÄrztInnen und ihre MitarbeiterInnen täglich alles. Sie erinnerte daran, dass die Ärzte gleichzeitig auch die Patienten mit anderen Krankheiten versorgen müssten. „Wir alle müssen Ihnen dabei zur Seite stehen.“ Es müsse für gute Arbeitsbedingungen gesorgt werden, betonte Merkel. Das Infektionsschutzgesetz mit seiner Notbremse sei beschlossen worden, um die Zahl der Infektionen zu reduzieren. Der Schlüssel, um die Pandemie zu besiegen, sei jedoch “natürlich das Impfen”.

„Dass sich die Bundeskanzlerin direkt an den Ärztetag wendet, empfinden wir als Wertschätzung“, kommentierte Reinhardt. Der Ärztepräsident erinnerte daran, dass sich in der Pandemie mehr als 84.000 Beschäftigte des Gesundheitswesens mit SARS-CoV-2 infiziert hätten, viele seien daran gestorben. Die Pandemie habe großes Leid durch die Krankheit und die Begleitumstände verursacht. Die Kollateraleffekte seien lange unterschätzt wurden, betonte er und fügte hinzu, diese müsse man „ehrlich und unvoreingenommen analysieren“, insbesondere bei Kindern, die ihre Entwicklungsphasen in sozialer Isolation durchleben müssten.

Stärken und Defizite

Reinhardt nannte es eine „großartige Leistung der Wissenschaft“, dass nach rund einem Jahr bereits mehrere Impfstoffe verfügbar sind. „Das ist in der Geschichte einzigartig.“ Er lobte, dass schnell staatliche Mittel für die Forschung bereitgestellt, Kompetenzen gebündelt und weltweit Experten vernetzt wurden.

Verglichen mit anderen Ländern sei Deutschland gut durch die Pandemie gekommen. „Das Gesundheitssystem ist stark belastet, war aber zu keinem Zeitpunkt überlastet“, betonte Reinhardt. Grund dafür seien die gut ausgestatteten Krankenhäuser gewesen, aber auch die niedergelassenen Ärzte, welche die Kliniken in der Pandemie entlastet hätten. „Die Lehre muss sein, dass wir leistungsstarke Strukturen erhalten müssen und sie nicht durch Effizienzanforderungen gefährden dürfen“, betonte der Ärztepräsident. „Es geht um Menschen, nicht um Margen!“ Der Druck sei für Ärzte und Pfleger schon vorher sehr hoch gewesen, es habe aber niemand wahrgenommen.

Reinhardt sprach aber auch Defizite an und nannte insbesondere das Meldewesen. „Die Krisenreaktion muss verbessert werden. Völlig unvorhersehbar war die Pandemie nicht.“ Er führte eine Bundesdrucksache von 2012 an, in der ein Szenario mit einem fiktiven Virus entwickelt wurde. „Das liest sich wie ein Drehbuch für die Corona-Pandemie. Trotzdem passierte acht Jahre lang nichts.“ Beim nächsten Mal müsse das Gesundheitssystem besser vorbereitet sein, indem Reserven für Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel angelegt, feste Krisenstäbe vorgesehen, regelmäßige Übungen gesetzlich vorgegeben und das Meldewesen verbessert würden. Der 117. Ärztetag  habe 2014 bereits den Schwerpunkt Öffentlicher Gesundheitsdienst gehabt, „gehört wurden wir nicht“.

Der Ärztepräsident lobte den Bundesgesundheitsminister dafür, dass er „mit ganz persönlichem Einsatz“ dafür gesorgt habe, dass die Praxen geschützt wurden, die wegen ausbleibender Patienten Umsatzeinbußen hatten. Er kritisierte aber, dass Umsatzverluste aus extrabudgetären Leistungen davon ausgeschlossen werden sollen.

Spahn betont Bedeutung der flächendeckenden Versorgung

Spahn, der persönlich anwesend war, bedankte sich ebenfalls für den Einsatz der ÄrztInnen und PflegerInnen und drückte die Hoffnung aus, dass mit dem Fortschreiten der Impfkampagne die Pandemie bald überwunden sein werde. „Ziel ist es, die Überlastung des Gesundheitswesens vermeiden. Die Zahlen sinken, das ist ermutigend, aber noch nicht genug“, sagte er. Der klassische Weg sei die Reduktion von Kontakten, am wichtigsten sei aber das Impfen. Anders als etwa in den USA gebe es in Deutschland eine flächendeckende Versorgung mit Arztpraxen, sodass eine Impfung in Supermärkten, wie von manchen vorgeschlagen, hier zumindest nicht notwendig sei. Die niedergelassenen Ärzte hätten auch die Krankenhäuser in der Pandemie entlastet, denn neun von zehn Patienten seien von den Praxen betreut worden.

Der „Impf-Turbo“ habe in der Woche nach Ostern eingesetzt, als die Arztpraxen dazukamen. Dennoch seien die Impfzentren am Anfang sehr wichtig gewesen. Es hätte die Ärzte mehr belastet, bei mangelndem Impfstoff den Patienten absagen zu müssen, gab Spahn zu bedenken. Der Gesundheitsminister stellte in Aussicht, dass in der ersten Junihälfte die Priorisierung aufgehoben werde.

„Wir haben unsere Stärken gesehen, wir haben aber auch gesehen, wo wir noch besser werden können“, sagte Spahn. Während sich die Ärzte bei der Video-Sprechstunde einige Jahre zuvor noch sehr reserviert gezeigt hätten, habe es dabei nun eine „Steigerung um mehrere 1000 Prozent“ gegeben. Zudem müssten die Strukturen verbessert werden: „Ich bin nicht der Meinung: ‚Wir sind gut durch die Pandemie gekommen, wir dürfen nichts ändern.’ Es muss eine bessere Kooperation zwischen den Krankenhäusern geben, es muss nicht jeder alles machen.“

Diese und weitere gesundheitspolitische Themen diskutierte Spahn mit Ärztepräsident Reinhardt, bevor die Arbeitssitzungen des Ärztetages am frühen Mittag aufgenommen wurden.

(ms)