Hoher versus niedriger perioperativer Blutdruck bei nichtkardialer OP: Kognitive Ergebnisse vergleichbar13. Juni 2025 Symbolfoto: ©Sornbhakkanut/stocka.dobe.com Es existieren unterschiedliche Zielwerte für das perioperative Blutdruckmanagement. Wie diese sich auf die neurokognitiven Ergebnisse älterer Patienten nach einer nichtkardialen Operation auswirken, wurde in einer aktuellen Subanalyse der Studie POISE 3 ermittelt. Im Rahmen einer nichtkardialen Operation soll die intraoperative Blutdrucktherapie laut aktueller S1-Leitlinie „Intraoperative klinische Anwendung von hämodynamischem Monitoring bei nicht-kardiochirurgischen Patient:innen“ anhand des mittleren arteriellen Blutdrucks (MAP) gesteuert werden. Doch welches ist der angemessene Zielwert? Es existiert sowohl eine Strategie, die einen hypotensionvermeidenden MAP von ≥80 mmHg anstrebt, als auch ein Vorgehen, das mit einem MAP-Zielwert von ≥60 mmHg vor allem auf eine Vermeidung der Hypertension abzielt. Die AWMF-Leitlinie empfiehlt einen Zielwert von >65 mmHg. Keine Unterschiede hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse In einer vorausgehenden Analyse von POISE 3, die auf der Jahrestagung des American College auf Cardiology im Jahr 2022 präsentiert wurde, konnte bereits gezeigt werden, dass sich die Hypo- und Hypertensionvermeidungsstrategien bezüglich des primären kombinierten Endpunktes aus Tod durch Gefäßerkrankungen und nichttödliche Herzschädigungen, Schlaganfall oder Herzstillstand 30 Tage nach der Operation nicht unterschieden (wir berichteten). Publiziert wurden die Ergebnisse ein Jahr später im Fachmagazin „Annals of Internal Medicine“. Nun analysierte die POISE-3-Studiengruppe um Maura Marcucci, Assistenzprofessorin für klinische Epidemiologie und perioperative Medizin an der McMaster University in Hamilton, Kanada, die Auswirkungen der beiden unterschiedlichen Blutdruckmanagementstrategien auf die neurokognitiven Outcomes bis zu einem Jahr nach der Operation. Auch hier konnte die Studiengruppe keine Unterschiede feststellen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden kürzlich ebenfalls in „Annals of Internal Medicine“. Auch neurokognitive Ergebnisse unterscheiden sich nicht Die aktuelle Analyse umfasste 2603 Patienten aus 54 Zentren in 19 Ländern, die sich einer nichtkardialen Operation unterzogen. Die Teilnehmer waren im Durchschnitt 70 Jahre alt, nahmen mindestens ein Blutdruckmedikament ein und galten als hochgradig gefährdet für vaskuläre Komplikationen. Diese wurden zwei Gruppen zugeteilt: Die Hypotonievermeidungsstrategie zielte darauf ab, einen höheren intraoperativen Blutdruckzielwert (MAP ≥ 80 mmHg) aufrechtzuerhalten. Die Teilnehmer dieses Studienarms (n=1310) setzten am Tag der Operation sowie während der ersten beiden postoperativen Tage ihre chronischen Renin-Angiotensin-Aldosteron-System-Hemmer ab. Andere Antihypertensiva durften je nach Blutdruck des Patienten jedoch weiter eingenommen werden. Im Gegensatz dazu zielte die Hypertonievermeidungsstrategie auf einen niedrigeren intraoperativen Zielwert (MAP ≥60 mmHg) ab. Die hier inkludierten Studienteilnehmer (n=1293) durften daher alle ihre chronischen Blutdruckmedikamente am Tag der Operation sowie im Nachgang weiter einnehmen. Die Studie ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich Delir in den ersten drei Tagen nach der Operation (primäres Ergebnis) oder hinsichtlich kognitivem Leistungsabfall ein Jahr später (sekundäres Ergebnis). Die wahrscheinlichste Erklärung dafür ist den Studienautoren zufolge, dass die beiden Strategien letztendlich zu Blutdruckunterschieden führten, die zu gering und zeitlich zu begrenzt gewesen seien, um zu Unterschieden in den klinischen Ergebnissen, einschließlich neurokognitiver Ergebnisse, zu führen. Ergebnisse stärken ärztliche Entscheidungsfreiheit Dennoch ziehen die Forschenden ein positives Fazit. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass beide Strategien ohne erhöhtes Risiko für neurokognitive Komplikationen nach nichtkardialen Operationen angewendet werden können“, wird Marcucci in einer Mitteilung der McMaster University zitiert. Dies gäbe Ärzten mehr Flexibilität, die Behandlung auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten abzustimmen. Außerdem könnten die Ergebnisse zur Beruhigung von Patienten dienen, die sich häufig Sorgen über die Fortführung ihrer Medikation im Rahmen einer Operation machten – insbesondere wenn diese von Ärzten überwacht werde, die nicht ihre regulären Kardiologen oder Hausärzte sind. „Für Patienten und ihre Familien zeigt diese Studie, dass die Wahl des einen oder anderen Ansatzes das Risiko von Verwirrung oder Gedächtnisverlust nach der Operation nicht erhöht, was die am meisten gefürchteten Folgen einer Operation oder Anästhesie sind“, verdeutlicht Marcucci. (ah)
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