Hohes RSV-Risiko bei Säuglingen: Neues Tool könnte bei der Identifizierung helfen

Darstellung von RSV. (Abbildung: © Peter Hansen/stock.adobe.com)

Ein neues Tool könnte zur Identifizierung von Säuglingen beitragen, bei denen das Risiko für eine schwere Infektion mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) am größten ist.

Die von Medizinern des Vanderbilt University Medical Center (VUMC) entwickelte Gleichung soll Pädiatern dabei helfen zu entscheiden, welche Kinder im ersten Lebensjahr priorisiert vor der RSV-Saison (Oktober bis April) eine Versorgung mit vorbeugenden Medikamenten erhalten sollten. Die Arbeit wurde gerade in der Zeitschrift „Open Forum Infectious Diseases” veröffentlicht und soll in Kürze auf der Internationalen Tagung der American Thoracic Society (17.-22.05.2024, San Diego/USA) vorgestellt werden.

Die Autoren der Studie berücksichtigten Faktoren wie den Geburtsmonat, das Geburtsgewicht und das Vorhandensein von Geschwistern, um festzustellen, bei welchen Kindern die Wahrscheinlichkeit für eine schwere RSV-Erkrankung am höchsten ist und die von einer Behandlung mit Nirsevimab profitieren könnten, das häufig zur RSV-Prävention bei Neugeborenen eingesetzt wird.

Während in den USA von den Centers for Disease Control and Prevention eine frühzeitige Impfung mit Nirsevimab für alle Säuglinge empfohlen wird, sorgte ein Mangel des Medikamentes im Oktober 2023 dafür, dass Säuglingen mit einem hohen Risiko für die Erkrankung bei der Prävention und die für eine Impfung mit einem anderen Wirkstoff (Palivizumab) nicht infrage kamen, Vorrang eingeräumt werden musste.

Bei Nirsevimab handelte es sich um ein langwirksames Medikament, bei dem eine Dosis ausreicht, während Palivizumab kurzwirksam ist, monatliche Injektionen während der RSV-Saison erfordert und auf die Anwendung bei einer Untergruppe von Hochrisiko-Säuglingen beschränkt ist. Beide Medikamente sind monoklonale Antikörper, die zur Vorbeugung von RSV-Infektionen der unteren Atemwege bei Neugeborenen und Kleinkindern eingesetzt werden.

„Die rechtzeitige Identifizierung von Säuglingen mit dem höchsten Risiko einer RSV-bedingten Morbidität ist der Schlüssel zur Prävention“, erklärt Hauptautorin Brittney Snyder von der Abteilung für Allergie-, Lungen- und Intensivmedizin am VUMC. „Unser personalisiertes Tool zur Risikovorhersage könnte bei der Zuweisung teurer und/oder begrenzter Immunprophylaxe (Impfung mit Nirsevimab oder Palivizumab) zur Erzielung des größten Nutzens und bei der Förderung der RSV-Prävention bei Familien mit Hochrisiko-Säuglingen Anwendung finden“, erläutert sie.

Snyder und Kollegen untersuchten anonymisierte Patientenakten von fast 430.000 im Medicaid-Programm im US-Bundesstaat Tennessee versicherten Kindern – darunter auch Säuglinge, die im ersten Lebensjahr keine RSV-Immunprophylaxe erhielten.

Die Mediziner nahmen nur solchen prädiktiven Parameter in die Gleichung auf, die innerhalb der ersten 30 Lebenstage erfasst werden können – Ziel dabei war es, dass das Werkzeug die klinische Entscheidungsfindung so früh wie möglich im Leben der Kinder unterstützen kann. Berücksichtigt wurden Geburtsgewicht, Gestationsalter, Geburtsmonat, Geschlecht des Säuglings, Entbindungsart, Art der Geburt (Einling, Zwilling, Drilling usw.), Fünf-Minuten-Apgar-Score, Anzahl der lebenden Geschwister sowie Alter, Bildungsgrad, Wohngegend (Stadt, Vorort, auf dem Land) und Tabakkonsum der Mutter während der Schwangerschaft. Weitere berücksichtigte Parameter waren der Einsatz kontinuierlichen positiven Atemwegsdrucks (CPAP) und Beatmung während des Krankenhausaufenthaltes in Verbindung mit der Geburt des Kindes sowie Komorbiditäten, von denen bekannt ist, dass sie das Risiko für schwere RSV-Infektionen der unteren Atemwege erhöhen (Down-Syndrom, zyanotische Herzkrankheit, bronchopulmonale Dysplasie, angeborene Anomalien des Atmungssystems, Mukoviszidose, HIV und neurologische/neuromuskuläre Störungen). Die Dauer des Krankenhausaufenthaltes im Zusammenhang mit der Geburt berechnete man anhand des Geburts- und des Entlassungsdatums.

Von den 429.365 Kindern in der Studie erlitten 713 eine schwere RSV-Infektion der unteren Atemwege, die eine Aufnahme auf die Intensivstation erforderte. Das von den Medizinern neu entwickelte Tool bewies eine gute Vorhersagegenauigkeit und behauptete sich auch in der internen Validierung. Der nächste Schritt der Studienautoren besteht darin, das Tool in anderen Populationen zu testen und seinen Nutzen zu bestätigen, beispielsweise in einer US-weiten Studie und in internationalen Populationen.