Huntington-Ambulanz in Bonn ist neuer Erhebungsort für internationale „ENROLL-HD-Studie“

PD Dr. Patrick Weydt ist Neurologe sowie Leiter der Huntington-Ambulanz am UKB und auch frisch gewählter Vorsitzender des Europäischen Huntington-Krankheit-Netzwerks (EHDN). (Quelle: Alessandro Winkler | Universitätsklinikum Bonn)

Um Morbus Huntington vollständig verstehen und die Versorgung und Therapieentwicklung verbessern zu können, wird die „ENROLL-HD-Beobachtungsstudie“ mit international mehr als 20.000 Betroffenen durchgeführt. Nun wurde auch die Ambulanz für Morbus Huntington am Universitätsklinikum Bonn (UKB) als Erhebungsort in die Studie aufgenommen.

Morbus Huntington ist eine erbliche Nervenerkrankung, bei der das Gehirn fortschreitend zerstört wird. Die Betroffenen entwickeln über Jahre hinweg allmählich zunehmende, unkontrollierte Bewegungen am ganzen Körper, psychische Veränderungen sowie einen zunehmend geistigen Abbau und magern stark ab. „Huntington betrifft also den ganzen Körper“, fasst der Neurologe und Leiter der Huntington-Ambulanz am UKB, PD Dr. Patrick Weydt, zusammen. Nach Manifestation der ersten Symptome beträgt die Lebenserwartung von Huntington-Patienten etwa zehn bis 15 Jahre.

Experten gegen davon aus, dass in Deutschland rund 8000 Menschen von Morbus Huntington betroffen sind. Weitere schätzungsweise bis zu 30.000 leben mit dem Risiko, die Krankheitsanlage von ihren Eltern geerbt zu haben. Huntington wird dominant vererbt: Ist also ein Elternteil erkrankt, hat das Kind eine fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit, die Krankheit auch zu entwickeln. „Die Erkrankung ist doppelt belastend: Zum einen der schwere Verlauf und zum anderen die hohe Wahrscheinlichkeit, es an die eigenen Kinder weitergegeben zu haben“, erklärt Weydt.

Ursache der Erkrankung ist ein „Stottern“ im genetischen Code. Aus der Falschinformation werden dann giftige Produkte abgelesen. Je länger das „Stottern“, desto schwerwiegender und früher treten die Symptome auf. Korrigieren, kann man diese genetische Veränderung bislang nicht. Stattdessen arbeiten Forschende aktuell an unterschiedlichen Therapieansätzen, bei denen zumindest die giftigen Produkte abgebaut oder blockiert werden können. „Das ist ein sehr vielversprechender Weg“, bestätigt Weydt. Er ergänzt aber: „Noch haben die Betroffenen davon nichts, für die kommenden Generationen gibt es aber viel Hoffnung.“

Mit ENROLL-Studie Verständnis, Versorgung und klinische Studien verbessern

An der Entwicklung von Therapien wird zwar gearbeitet, aber mehr als etwas Hoffnung für Erkrankte bietet das noch nicht. „Deshalb wird darüber hinaus auch an den Grundlagen der Erkrankung geforscht“, berichtet der Neurologe, der im September zum neuen Vorsitzenden des Europäischen Huntington-Krankheit-Netzwerks (EHDN) gewählt wurde. Ziel ist es, das Verständnis von Morbus Huntington sowie die Versorgung der Patienten und damit auch die klinischen Studien zu verbessern. Für die darauf ausgelegte „ENROLL-HD-Studie“ wurde nun auch die Ambulanz für Morbus Huntington am UKB ausgewählt. „Das ist eine große Auszeichnung für mein Team und den Standort Bonn“, erklärt Ambulanz-Leiter Weydt. 

Die an der ENROLL-Studie Teilnehmenden werden einmal im Jahr auf Zeichen der Huntington-Krankheit untersucht. Mithilfe von Befragungen und kognitiven sowie motorischen Tests dokumentiert das medizinische Fachpersonal dort die anfangs kaum merklichen Symptome und den Verlauf der Huntington-Krankheit. „Mit den Daten können wir verstehen, wie die Erkrankung typischerweise verläuft und sind optimal vorbereitet, Therapiestudien hocheffizient durchzuführen und auszuwerten“, erklärt Weydt. Dabei spielt die enge Verzahnung mit dem klinischen Studienzentrum des DZNE und mit dem Zentrum für Seltene Erkrankungen Bonn (ZSEB) eine wichtige Rolle.

Die Huntington-Ambulanz auf dem Venusberg-Campus

Möchten Betroffene an der „ENROLL-HD-Studie“ in Bonn teilnehmen, können sie dafür nun einen Termin bei der Huntington-Ambulanz am UKB vereinbaren. Die Ambulanz versorgt aber nicht nur Huntington-Patienten, sondern betreut auch andere Störungen mit unwillkürlichen und unregelmäßigen Überbewegungen. Abhängig von den Beschwerden erfolgen ambulant oder in einem kurzen stationären Aufenthalt weiterführende Untersuchungen. Im Anschluss an die Diagnostik werden Betroffenen am UKB auch entsprechend ihrer Symptome behandelt: Dazu gehören klinisch-neurologische Untersuchungen, Beratung zu Pflege- und Hilfsmitteln sowie psychologische Unterstützung. „Heilen können wir Huntington noch nicht, wir versuchen aber, die Lebensqualität der Betroffenen so gut es geht zu verbessern“, betont der Gründer der Ambulanz Weydt. Jährlich werden inzwischen mehr als 120 Huntington-Erkrankte am UKB versorgt.