Im Auge des Jägers – wie sakkadische Augenbewegungen Säugetieren die Jagd in komplexer Umgebung ermöglichen5. Februar 2025 Frettchen im Schnee Foto: © Charles G. Summers, Jr. Forschende haben rekonstruiert, was Raubsäugetiere sehen, während sie auf der Jagd sind. Sie haben entdeckt, dass sakkadische Augenbewegungen nicht dazu dienen, das Ziel auf der Netzhaut auszurichten, sondern die Bewegung der Umgebung. Dies führt dazu, dass die Umgebung während der Verfolgung des sich unberechenbar verhaltenden Beutetiers für kurze Momente nicht verschwommen erscheint. Wie nutzen Räuber ihr Sehvermögen, während sie ihre Beute verfolgen, die um ihr Leben rennt und das auch noch in völlig unübersichtlichem Terrain? Die Jagd ist eine enorme Herausforderung und das nicht nur, weil das Beutetier ständig die Richtung wechselt. Durch die eigene Bewegung des Räubers verschwimmt zudem das Bild der Umgebung. In einer neuen Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Current Biology“, haben Forschende rekonstruiert, was genau Frettchen sehen, wenn sie ein Objekt verfolgen. Sie konnten zeigen, das schnelle Augenbewegungen, sogenannte Sakkaden, welche im eigenen Ruhezustand normalerweise dazu dienen, Objekte zu fixieren, in einer Jagdsituation die Bewegung der Umgebung (den optischen Fluss) an der Netzhaut ausrichten und nicht das eigentliche Zielobjekt. Dies reduziert die Bewegungsunschärfe in der Zone des schärfsten Sehens, so dass der Räuber ein möglichst deutliches Bild der Umgebung erhält, durch die er seine Beute verfolgt. Sakkaden fixieren nicht das Zielobjekt Frettchen im Schnee Foto: © Charles G. Summers, Jr. Wenn wir stillsitzen, nutzt unser visuelles System schnelle, koordinierte Augenbewegungen, die Sakkaden, um interessante Objekte im Blick zu behalten – beispielsweise, wenn wir bewegte Objekte auf einem Bildschirm betrachten. Aber was passiert, wenn ein Tier mit Höchstgeschwindigkeit hinter seiner Beute herjagt, die wiederum mit unberechenbaren Richtungsänderungen um ihr Leben flieht? Mittels spezieller, kopfgetragener Kameras hat ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie des Verhaltens in Bonn (MPINB) und des Max Planck Florida Institute for Neuroscience in den USA Kopf- und Augenbewegungen von sich frei bewegenden Frettchen exakt vermessen. Sie konnten so die Gesichtsfelder beider Augen rekonstruieren und untersuchen, was die Tiere während der Verfolgungsjagd sehen. Befand sich die „Beute“, ein Ball, direkt vor dem Frettchen, so konnte das Frettchen ihr in gerader Linie hinterherjagen. Bei einer derartigen Jagd befindet sich das Bild der Beute in der Zone des schärfsten Sehens der Netzhaut des Auges – was nicht überraschend ist. Eine Überraschung erlebten die Forschenden aber, als sie mit dem Computer simulierten, was passiert, wenn entweder die Sakkaden oder aber die Kopfbewegungen digital entfernt werden: Die Position des Zielobjekts auf der Netzhaut lag immer noch in dieser Region des Auges und änderte sich nicht signifikant. Dies legt nahe, dass die Sakkaden nicht dazu da sind, das Objekt auf die Zone des schärfsten Sehens des Auges auszurichten, wie angenommen. Aber was ist dann die Funktion der Sakkaden? Sakkaden richten Bewegung der Umgebung an der Retina aus Um diese Frage zu beantworten, hat das Forscherteam genau analysiert, wie das Bewegungsmuster der Umgebung, der sogenannte optische Fluss, auf der Netzhaut abgebildet wird. Die Daten zeigen, dass die Sakkaden dazu dienen, die Zone des schärfsten Sehens auf die Zielrichtung des Tieres auszurichten, also den Ort, wo es hinlaufen möchte, was gleichzeitig die Zone mit der geringsten Bewegungsunschärfe ist. Dieser Mechanismus ist unabhängig vom Zielobjekt, da die Sakkaden auch ohne den Ball vorhanden waren. „Ein Beutetier im Blick zu behalten, das um sein Leben flieht und unkontrollierbare Richtungswechsel macht, ist sehr schwierig, insbesondere dann, wenn der Räuber selber rennt. Die eigene Bewegung vorherzusehen und diese auszugleichen, um klare Sicht in die Laufrichtung zu haben, ist dagegen einfacher. Das visuelle System von Säugetieren scheint sich dies zunutze zu machen“, erklärt Damian Wallace, Wissenschaftler am MPINB. Ein generalisierter Mechanismus Das Forscherteam konnte die dem hier beschriebenen Mechanismus zugrunde liegenden synchronisierten Augen- und Kopfbewegungen nicht nur in Frettchen, sondern auch in sich frei bewegenden Spitzhörnchen, Ratten und Mäusen zeigen. Dies legt nahe, dass sie hier einen generalisierten Mechanismus in Säugetieren entdeckt haben. Seine präzise zeitliche Synchronisierung erlaubt dem Tier, flexibel auf erratische Richtungsänderungen zu reagieren, beispielsweise wenn das Beutetier einen scharfen Haken schlägt.
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