Im Gleichklang denkt das Gehirn effizienter30. Mai 2025 Proband in der EEG-Kabine (Foto: © Henrike Jungeblut / Luis Ahrens) Bei schwierigen Aufgaben schwingen bestimmte Gehirnimpulse im selben Takt – wie ein gut eingespieltes Orchester. Eine Studie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zeigt nun erstmals, wie flexibel sich dieser Gleichklang je nach Situation anpasst – und dass diese Dynamik eng mit Intelligenz verknüpft ist. „Spezifische Signale im Stirnbereich sind in kritischen Phasen des Denkens bei kognitiv leistungsstärkeren Menschen besser abgestimmt“, erklärt Prof. Anna-Lena Schubert vom Psychologischen Institut der JGU, Erstautorin der kürzlich im „Journal of Experimental Psychology: General“ erschienenen Studie. Im Zentrum der Untersuchung standen der mittlere Stirnbereich des Gehirns und das dort messbare Zusammenspiel der Theta-Wellen. Diese schwingen in einem Frequenzbereich von vier bis acht Hertz, womit sie zu den langsamen Hirnstromwellen gehören. „Sie treten vor allem dann auf, wenn das Gehirn besonders gefordert ist, etwa wenn wir konzentriert nachdenken oder unser Verhalten gezielt steuern“, erklärt Schubert, Leiterin der Abteilung Analyse und Modellierung komplexer Daten am Psychologischen Institut der JGU. Konzentration, auch wenn das Handy piept Für die Studie absolvierten 148 Probandinnen und Probanden im Alter von 18 bis 60 Jahren zunächst Tests zu Gedächtnis und Intelligenz, bevor ihre Gehirnaktivität mittels Elektroenzephalogramm (EEG) aufgezeichnet wurde. Während dieser Messung wurde die kognitive Kontrolle der Teilnehmenden mit drei denkintensiven Aufgaben getestet. Gefragt war dabei ihre Fähigkeit, flexibel zwischen wechselnden Regeln umzuschalten, was ein zentrales Merkmal intelligenter Informationsverarbeitung darstellt. So mussten die Probanden etwa in einem Moment per Tastendruck entscheiden, ob eine Zahl gerade oder ungerade ist, und im nächsten, ob sie größer oder kleiner als fünf ist. Jede Regeländerung erforderte eine schnelle Anpassung der mentalen Strategie – ein Prozess, bei dem sich die Koordination der Hirnnetzwerke besonders gut beobachten lässt. Das Ergebnis: Bei Menschen mit hoher kognitiver Leistungsfähigkeit zeigte sich im EEG in den entscheidenden Momenten, vor allem beim Treffen einer Entscheidung, eine besonders starke Abstimmung der Theta-Wellen. Ihr Gehirn ist also besonders gut darin, in kritischen Phasen zielgerichtetes Denken zu unterstützen. „Menschen mit stärkerer Theta-Konnektivität im mittleren Stirnbereich des Gehirns gelingt es oft besser, den Fokus zu halten und Ablenkungen auszublenden, beispielsweise wenn beim Arbeiten das Handy piept oder sie am trubeligen Rheinstrand ein Buch lesen möchten“, erklärt Schubert. Flexibler Takt im Gehirn Für die Psychologin selbst überraschend war, wie stark dieser Gleichklang der neuronalen Aktivität mit Intelligenz zusammenhängt. „Das hätten wir in dieser Klarheit nicht erwartet“, betont die Wissenschaftlerin. Entscheidend sei dabei nicht ein durchgehender Einklang, sondern die Fähigkeit des Gehirns, den Takt flexibel und situativ anzupassen – wie ein gut geführtes Ensemble, bei dem der Stirnbereich oft als Taktgeber fungiert, aber stets im Zusammenspiel mit anderen Hirnregionen. Relevant sei diese Theta-Konnektivität insbesondere beim Umsetzen von Entscheidungen, nicht jedoch in der vorbereitenden Phase, etwa beim mentalen Einstellen auf Aufgabenwechsel. Frühere EEG-Studien zur Intelligenz hatten sich meist auf die Aktivität einzelner Hirnregionen konzentriert. Ihr Zusammenspiel wurde aber selten systematisch untersucht oder in Verbindung mit kognitiver Leistung gebracht. Insbesondere fehlte bislang die Kombination verschiedener Aufgaben, um übergreifende, stabile Muster auszumachen. Die neuen Befunde zeigen, wie Unterschiede in der geistigen Leistungsfähigkeit mit dynamischen Prozessen im Gehirn zusammenhängen. „Mögliche Anwendungen wie neue Trainingsmethoden oder Diagnoseverfahren liegen noch in weiter Ferne“, betont die Psychologin. „Unsere Studie liefert jedoch wichtige Grundlagen, um besser zu verstehen, wie Intelligenz auf neuronaler Ebene funktioniert.“ Eine Folgestudie, für die noch Teilnehmende ab 40 Jahren aus dem Rhein-Main-Gebiet gesucht werden, soll nun klären, welche Prozesse zum effizienteren Zusammenspiel der Hirnregionen beitragen und welche Rolle weitere geistige Fähigkeiten wie die Verarbeitungsgeschwindigkeit und das Arbeitsgedächtnis spielen.
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