Immer mehr ältere Patienten in O & U: Krankheitslast steigt – neue Therapien unerlässlich

Die drei Kongresspräsidenten Gerd Rauch, Werner E. Siebert und Joachim Windolf (v.l.) mit der Moderatorin Anne-Katrin Döbler auf dem Podium der Pressekonferenz am finalen Kongresstag. (Foto: Biermann Medizin, hr)

Experten sehen in der alternden Bevölkerung mit ihrer steigenden Krankheitslast eine Herausforderung, auf die sich alle Leistungsträger im Gesundheitswesen vorbereiten müssen – auch das Fach Orthopädie und Unfallchirurgie. Welche Schritte dazu notwendig sind, erläutern die drei Kongresspräsidenten im Rahmen des DKOU.

Der Anteil der Menschen, die 80 Jahre oder älter sind, wird sich bis zum Jahr 2050 verdoppelt haben, sagt eine Erhebung des Statistischen Bundesamts vorher. Bereits jetztKnapp ein Drittel der deutschen Bevölkerung ist bereits heute mindestens 60 Jahre alt. Der Anteil der über 80-Jährigen liegt bei rund 7 Prozent (1). „Die steigende Lebenserwartung und die vorwiegend sitzende Lebensweise sorgen künftig für einen wachsenden Bedarf an orthopädischen und unfallchirurgischen Leistungen“, sagte Dr. Gerd Rauch.

Denn große Volkskrankheiten wie Arthrose, Osteoporose oder Wirbelsäulenerkrankungen sind Verschleißerkrankungen: Sie entstehen und verschlimmern sich im höheren Lebensalter. Zusätzlich steigt auch das Risiko für gefährliche Stürze. Pro Jahr werden mehr als 400.000 Menschen nach einem Sturz ins Krankenhaus eingewiesen. Die häufigste Diagnose ist der Oberschenkelhalsbruch.

„Da diese älteren Patienten nicht selten gebrechlich sind und oftmals auch an mehreren Begleiterkrankungen leiden, können wir sie nicht behandeln wie einen jungen Menschen“, erklärte Prof. Joachim Windolf. Die Komplikationsrate ist bei ihnen höher: Jeder zehnte Betroffene stirbt innerhalb von 30 Tagen nach seiner Verletzung. Von den überlebenden Patienten muss jeder fünfte in ein Pflegeheim umziehen, weil er nach dem Sturz nicht wieder so mobil wird, um selbstständig im eigenen Haushalt zu leben.

„Die Behandlung alter Patienten stellt besondere Anforderungen an Zeit, Personalaufwand und Fachkenntnis“, sagte Windolf. In ihrem Weißbuch Alterstraumatologie empfiehlt die DGU daher eine enge Zusammenarbeit mit Geriatern. Eine aktuelle Studie belegt, dass dadurch die Sterblichkeit nach altersbedingten Knochenbrüchen um 20 Prozent sinkt (2). Auch Prof. Werner Siebert betont die Bedeutung der Zusammenarbeit im Team. Es bedürfe besonderer Hilfen und Voraussetzungen, um die hochbetagten Patienten gut zu versorgen. Ein Novum seien spezielle Abteitlungen für Orthogeriatrie, die es in einigen Kliniken bereits gibt. Dort würden optimale Voraussetzung für die Versorgung der alten Menschen geschaffen, etwa größere Räume mit, die eine bessere Begleitung durch die Familien ermöglichen oder die Bewegung mit dem Rollator. Auch schonendere Narkosen gehörten zu dem Konzept der Orthogeriatrie, da so kognitive Störungen reduziert werden könnten. Siebert wies auch auf den steigenden Bedarf an gut ausgebildeten Pflegekräften hin, der für die Versorgung der betagten Patienten nötig ist.

Siebert ergänzte außerdem: „Auch bei chronischen Erkrankungen wie der Arthrose ist es sinnvoll, schon im frühen Stadium einen Altersmediziner einzubeziehen.“ Um die Versorgung dieser alten und sehr alten Patienten weiter zu verbessern, muss aber auch die Forschung in Orthopädie und Unfallchirurgie weiter vorangetrieben werden. „Kunstgelenke und Implantate ermöglichen es uns heutzutage, Mobilität bis ins hohe Alter zu erhalten. Wir werden aber auf Dauer Therapieansätze benötigen, die beschädigte Knochen oder verlorenen Gelenkknorpel wiederherstellen können“, sagte Siebert.

(ja/DKOU)

Quellen:
1. Statistisches Bundesamt: Ergebnisse auf Grundlage des Zensus 2011 https://www.deutschlandinzahlen.de/tab/deutschland/demografie/bevoelkerung-nach-altersklassen-deutschland

2. Clemens Becker, Klilian Rapp. PROFinD – Prävention und Rehabilitation von osteoporotischen Frakturen bei Personen mit Benachteiligungen
https://www.msd.de/fileadmin/user_upload/default/documents/gesundheitspreis/PROFinD.pdf